Coach John Herdman (CAN)
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FIFA WM 2022

Kanada-Coach stichelt vor Duell mit Kroatien

In der Gruppe F stehen am zweiten Spieltag Vizeweltmeister Kroatien und WM-Rückkehrer Kanada schon unter Zugzwang. Die Kroaten müssen nach der Nullnummer gegen Marokko am Sonntag (17.00 Uhr) zulegen, um ein zeitiges Vorrunden-Aus zu verhindern. Kanada hat gegen Belgien zwar aufgezeigt, ging beim 0:1 jedoch leer aus. Mit nicht ganz jugendfreien Aussagen sorgte Kanada-Trainer John Herdman vor dem Duell für zusätzliche Brisanz.

Mit einer Aussage unmittelbar nach dem Belgien-Spiel erregte der 47-Jährige die Gemüter. „Und dass wir nun weitergehen und Kroatien f-en. Klarer kann man das nicht sagen“, erklärte Herdman. Von dem F-Wort sprach er zwar nur den ersten Buchstaben aus, damit war aber jedem englischsprachigen Menschen klar, was gemeint war. Einen Tag später verteidigte er seine Ausdrucksweise: „Ich wollte Kroatien und die Leute in Kroatien nicht abwerten, aber am Ende des Tages ist das die Einstellung, die Kanada haben muss, wenn wir drei Punkte gegen eines der Topteams auf der Welt holen wollen.“

Dass der Spruch für reichlich mediales Futter sorgte und in Kroatien nicht so gut ankam, versteht sich von selbst. Die Zeitung „24 sata“ etwa reagierte ebenfalls rustikal und druckte auf ihrer Titelseite eine formatfüllende Montage eines lediglich mit Ahornblättern bekleideten Herdman ab. Daneben stand: „Du hast das Mundwerk, aber hast du auch die E..r?“ Herdman fand das amüsant. „Meine Frau wird sich euch schnappen“, sagte er dem Journalisten der Zeitung, der ihn nach dem Titelbild fragte. „Ich habe ein wenig mehr Bauch als auf dem Foto. Ich habe zu viel gegessen.“

Enttäuschte Kroaten
Reuters/Hannah Mckay
Die Nullnummer zum Auftakt gegen Marokko entsprach nicht den Vorstellungen des Vizeweltmeisters

Verärgerung auch im kroatischen Team groß

Als zusätzlichen Ansporn sieht der Brite die Aufregung nicht: „Wir haben 36 Jahre gewartet, um hier zu sein. Wir brauchen diese Titelseiten nicht als Motivation.“ Der gebürtige Engländer nahm seine plötzliche Berühmtheit in Kroatien mit Humor. „Wir schauen seit dem 14. November keine Medien mehr an. Aber wenn man eine SMS von seiner Frau bekommt, dann weiß man, dass etwas passiert ist“, so der 47-Jährige am Samstag.

Allerdings war die Verärgerung nicht nur in den Medien, sondern auch im kroatischen Team groß. „Die kroatische Mannschaft verdient Respekt von allen. Wir haben seit 1998 zwei WM-Medaillen geholt. (…) Wir sind der Vizeweltmeister. Wir respektieren alle und erwarten, dass die gegnerischen Mannschaften uns respektieren. Diese Art, Worte zusammenzufügen, ist kein Zeichen von Respekt“, sagte Nationalcoach Zlatko Dalic auf der Pressekonferenz am Samstag.

WM 2022, Gruppe F

Zweiter Spieltag, 17.00 Uhr:

Kroatien – Kanada

Doha, Khalifa International Stadium, SR Matonte (URU)

Mögliche Aufstellungen:

Kroatien: Livakovic – Juranovic, Lovren, Gvardiol, Sosa – Modric, Brozovic, Kovacic – Vlasic, Kramaric, Perisic

Kanada: Borjan – Johnston, Vitoria, Miller – Hoilett, Eustaquio, Hutchinson, Laryea, – Buchanan, David, Davies

Vizeweltmeister enttäuscht zum Auftakt

Dalic war mit seinem Team nach dem Auftaktremis am Mittwoch durchaus hart ins Gericht gegangen. In seiner Analyse argumentierte der Coach, dass die Mannschaft Angst vor Fehlern gehabt und daher nur zwei Torschüsse zustande gebracht habe. Gegen Kanada braucht der Weltranglistenzwölfte nun eine deutliche Steigerung in der Offensive – personelle Wechsel sind nicht ausgeschlossen. Immerhin stand gegen Marokko die Abwehr um Dejan Lovren und Josko Gvardiol sicher.

Vergleiche mit dem Team, das es 2018 bis ins WM-Finale gegen Frankreich geschafft hat, lehnt Dalic ab, um damit auch den Erwartungsdruck einzudämmen. „Viereinhalb Jahre sind vergangen, und Kroatien hat fast ein komplett neues Nationalteam“, sagte er. „Das ist eine andere Weltmeisterschaft, auf die wir uns vorbereitet haben. Wir wissen, wir sind gut, wir wissen, wir können es schaffen. Wir sind bereit zu kämpfen.“ Ein gutes Omen für Kroatien ist, dass das Team bei fünf WM-Teilnahmen bisher nie ein zweites Gruppenspiel verloren hat.

Tapfere Leistung gegen Belgien unbelohnt

Für Kanada haben sich die Ziele nach dem unglücklichen Start gegen Belgien – Alphonso Davies vergab einen Elfmeter – nicht geändert. Für „Les Rouges“ (Die Roten) ist das Turnier in Katar erst die zweite Teilnahme bei einer Weltmeisterschaft. 1986 in Mexiko hatten die Nordamerikaner einen Nuller hingelegt und waren ohne Punkt und Tor geblieben. Der erste Treffer soll nun im Khalifa International Stadium von Doha Realität werden. Mit einer zweiten Niederlage wäre Kanada schon vor dem Poolfinale gegen Marokko eliminiert.

„Ich werde sie (die Spieler, Anm.) nicht kritisieren, denn wenn du gegen Belgien 22 zu neun Schüsse hast und 27 Flanken, kann ich mich nicht großartig beschweren“, sagte der Engländer Herdman. „Manchmal ist es dein Abend, manchmal ist es nicht dein Abend.“ Die grundsätzliche Richtung beim WM-Comeback habe gestimmt: „Wir sind mit mehreren Zielen in dieses Spiel gegangen. Das erste Ziel war, ohne Angst zu spielen, das zweite Ziel war zu unterhalten.“