Declan Rice (ENG)
IMAGO/Moritz Müller
FIFA WM 2022

Brisante Duelle zum Abschluss in Gruppe B

In der Gruppe B können am Dienstag zum Abschluss der Gruppenphase noch alle vier Teams den Aufstieg ins WM-Achtelfinale schaffen. Die beste Ausgangsposition besitzt dabei Vizeeuropameister England, der auf Wales trifft (20.00 Uhr, live in ORF1 und im Liveblog). Parallel spielt in einer sportlich sowie politisch brisanten Partie der Iran gegen die USA. Dabei steht nicht nur das Achtelfinal-Ticket auf dem Spiel, sondern es geht auch um Prestige zwischen zwei Erzfeinden, die schon seit mehr als 40 Jahren diplomatische Rivalen sind.

Das sportlich hochbrisante „Battle of Britain“ zwischen England und Wales wird zu einer komplizierten Rechnerei – und für den in die Jahre gekommenen Gareth Bale womöglich zum letzten großen Endspiel auf der Weltbühne. Endet in al-Rajjan am Dienstag eine große Ära um Bale und Spielmacher Aaron Ramsey? Oder schafft der Österreich-Bezwinger in der WM-Quali mit einem Sieg das fast noch Unmögliche?

„Wir müssen uns sofort wieder aufrappeln. Es wird schwierig, aber wir müssen einfach versuchen, England zu schlagen. So einfach ist es“, sagte Bale. Der 33-Jährige ist beim US-Meister Los Angeles FC weitgehend untergetaucht und bespielt mit höchstem Ehrgeiz seit längerer Zeit nur noch die Plattform Nationalteam.

Gareth Bale (WAL) in Aktion
IMAGO/Sports Press Photo/Marcio Machado
Bale könnte gegen England sein letztes WM-Spiel bestreiten

An den großen und deutlich erfolgreicheren Nachbarn England hat der walisische Star vor dem insgesamt 104. Duell der beiden Nationen gute und schlechte Erinnerungen: Zwar schoss Bale beim EM-Spiel vor sechs Jahren ein sehenswertes Freistoßtor – doch verlor der spätere Halbfinalist am Ende durch einen Last-Minute-Gegentreffer mit 1:2.

Der Ausgang im Duell zwischen Mitfavorit England und den bisher eher enttäuschenden Walisern könnte wieder so aussehen wie vor sechs Jahren in Lens. „Wir müssen noch ein bisschen was tun fürs Weiterkommen, aber wir haben es in der eigenen Hand, diese Gruppe zu gewinnen“, sagte Coach Gareth Southgate vor dem Aufeinandertreffen im Ahmad bin Ali Stadium, das Wales aus den ersten beiden Partien gegen die USA (1:1) und den Iran (0:2) bereits kennt. England führt die Gruppe B mit vier Punkten vor dem Iran (3), den USA (2) und Wales (1) an.

FIFA WM 2022 in Katar

20.00 Uhr, live in ORF1

Wales – England

Al Rayyan, Ahmad bin Ali Stadium, SR Slavko Vincic (SLO)

Mögliche Aufstellungen:

Wales: Ward – Mepham, Rodon, B. Davies – Roberts, Ramsey, Ampadu, Wilson, N. Williams – Bale, Moore

England: Pickford – Walker, Dier, Maguire, Shaw – Rice, Phillips – Saka, Foden, Grealish – Wilson

Leichte Rechenspiele für England

Für England sind die Rechenspiele daher einfach: Ein Sieg – und man gewinnt die Gruppe. Ein Remis – und man ist sicher weiter. Genauso wie bei einer Niederlage mit bis zu drei Toren Differenz. „Unser Ziel ist es, die Qualifikation zu schaffen, dafür haben wir drei Spiele. Du musst ruhig bleiben in diesen Momenten“, sagte Southgate, als er nach der Nullnummer gegen die USA kritisiert und die Profis um Kapitän Harry Kane ausgepfiffen wurden.

Sein Team hat vier Punkte auf dem Konto und mit dem 6:2 gegen den Iran zumindest einen Galaauftritt hingelegt. Für Wales wird es deutlich komplizierter: Entweder man gewinnt mit mindestens vier Toren oder man muss hoffen, dass der Iran und die USA die Punkte teilen. Selbst dann braucht es aber einen eigenen Sieg, es wäre der erste gegen England nach sechs Niederlagen hintereinander und seit 1984. Für die Waliser geht es bei der zweiten WM-Teilnahme nach 1958 um alles. „Wir wollen das Turnier mit einer guten Performance beschließen – und zwar mit einem Sieg. Aber England ist eine harte Prüfung“, sagte Trainer Rob Page.

Die schwache und träge Performance gegen den Iran enttäuschte den 48-Jährigen schwer, die Niederlage gegen den Außenseiter war hochverdient. „Aber wir werden zurückschlagen“, kündigte Page an. Über ein mögliches Ende der Ära Bale, Ramsey und Joe Allen wollte er nicht sprechen.

Die Engländer können dagegen etwas experimentieren. Der von Experten und Medien geforderte Phil Foden dürfte erstmals bei dieser WM beginnen, auch Jack Grealish, Kalvin Phillips und Callum Wilson sind Optionen für die Startelf. Fraglich ist, was Southgate mit Jude Bellingham macht. Der Dortmund-Profi könnte nach intensiven Monaten eine Pause bekommen, um für die Partien ab dem Achtelfinale in der bestmöglichen physischen Verfassung zu sein. Einzig Reservist Ben White fehlte krankheitsbedingt beim Abschlusstraining.

Brisante Partie zwischen Iran und USA

Während das Duell zwischen England und Wales hauptsächlich sportlich brisant sein dürfte, wird die Partie im Al Thumama Stadium in Doha zwischen dem Iran und den USA sportlich sowie politisch sehr brisant. Inmitten der schwersten Proteste seit Jahrzehnten ist der Druck auf das iranische Team Melli im Fokus der Weltöffentlichkeit enorm.

Anders als bei der WM 1998 in Frankreich, als die Iraner unter dem Slogan „Die Mutter aller Spiele“ mit 2:1 gegen die USA triumphierten und damit den ersten WM-Sieg überhaupt feierten, die Torschützen Hamid Estili und Mehdi Mahdawikia zu Nationalhelden wurden. Das Spiel wird noch heute von den Funktionären der Islamischen Republik als größter Erfolg der nationalen Fußballhistorie gefeiert. Schon vor dem Turnier in Katar hieß es aus Teheran vor dem Duell gegen den „großen Satan“ USA: Dieses Spiel darf nicht verloren werden.

„Siegen oder nach Hause fahren“

Klar ist: Nur ein Sieg in der letzten Partie der Gruppe B bringt einen sicheren Platz in der K.-o.-Phase. Die Iraner wollen erstmals in ihrer WM-Historie die Gruppenphase überstehen, wofür unter Umständen auch ein Remis gegen die US-Boys um Christian Pulisic und Timothy Weah reichen könnte. Die Amerikaner sind jedenfalls zum Siegen verdammt.

FIFA WM 2022 in Katar

20.00 Uhr

Iran – USA

Doha, Al Thumama Stadium, SR Antonio Mateu Lahoz (ESP)

Mögliche Aufstellungen:

Iran: S. Hosseini – Resaeian, Pouraligandschi, M. Hosseini, Mohammadi – Nurollahi, Esatolahi, Hadschsafi, Gholisadeh – Asmun, Taremi

USA: Turner – Dest, Zimmermann, Ream, Robinson – McKennie, Adams, Musah – Reyna, Pulisic – Weah

„Das Spiel ist wie ein K.-o.-Spiel – siegen oder nach Hause fahren“, sagte US-Coach Gregg Berhalter, der gleichzeitig versuchte, die sportliche Bedeutung hervorzuheben. „Ich gehe davon aus, dass das Spiel hart umkämpft sein wird – weil beide weiterkommen wollen, und nicht, weil es um Politik oder die Beziehung zwischen unseren Ländern geht“, sagte er. Das Schöne am Fußball sei, dass er Menschen auf der ganzen Welt durch die gemeinsame Liebe zum Sport verbinde.

Nach zwei Unentschieden gegen Wales (1:1) und England (0:0) haben die US-Amerikaner weiter alles in der eigenen Hand, um wie 2014 ins Achtelfinale einzuziehen. Vor zwanzig Jahren hatte es sogar mit dem Einzug ins Viertelfinale gereicht. „Jedes Mal, wenn man bei einer WM ins letzte Gruppenspiel geht und sein Schicksal selbst in der Hand hat, ist das eine ziemlich gute Sache“, sagte Berhalter.

Fokus auf dem Sportlichen

Bei den Iranern, die sich nach dem Auftakt-2:6 gegen England mit einem 2:0 gegen Wales rehabilitierten, sind die Erwartungen riesig. Während sich die Führung der Islamischen Republik mit dem Achtelfinal-Aufstieg Rückenwind in der Innenpolitik verspricht, fordern die Anhänger der Proteste auf der Weltbühne ein Zeichen der Solidarität. Während das Team Melli gegen England noch mit dem Nichtsingen der Nationalhymne ein Zeichen setzte, gaben die Spieler dem Druck nach und stimmten gegen Wales die Hymne an – wenn auch recht leidenschaftslos.

Trainer Carlos Queiroz legte genauso wie sein Gegenüber den Fokus auf das Sportliche. „Unsere Vorbereitung begann mit einer guten Erholung, um den Geist zu erfrischen und den Müll aus unseren Köpfen zu verbannen. Wir konzentrieren uns auf unser Ziel, denn wir wollen den iranischen Fans dieses Geschenk machen“, sagte der Coach, warnte aber: „Die USA haben auch eine hervorragende Mannschaft.“

Mit einem Sieg hofft die politische Führung in Teheran auf ein neues Nationalgefühl. Gleichzeitig birgt eine Niederlage die Gefahr des genauen Gegenteils. Ohnehin sind viele Iranerinnen und Iraner gespalten in der Frage, ob sie sich über einen Erfolg der Mannschaft freuen können, während Hunderte Menschen in der Heimat getötet und Tausende verhaftet wurden – darunter Ex-Teamspieler Wouria Ghafouri.