Jubel von Portugals Bruno Fernandes
IMAGO/Kyodo News
FIFA WM 2022

Portugal feiert unerwarteten Helden

Neben Titelverteidiger Frankreich und Brasilien hat am Montag auch Portugal bei der WM in Katar vorzeitig das Ticket für das Achtelfinale gelöst. Doch nicht Superstar Cristiano Ronaldo wurde beim 2:0-Erfolg über Uruguay zum Matchwinner, sondern Bruno Fernandes. Der 28-jährige Mittelfeldspieler von Manchester United durfte sich nach einem Doppelpack als Mann des Spiels feiern lassen. Dabei waren beide Treffer durchaus umstritten. Denn beim ersten Tor wurde über Ronaldos Haarspitzen diskutiert, beim zweiten über eine fragwürdige Elferentscheidung des Referees.

Das erste Fernandes zugeschriebene Tor dürfte vor allem für interne Diskussionen gesorgt haben. Denn beim 1:0 fand eine Flanke des United-Legionärs direkt den Weg ins Tor. Der Internationale Fußballverband (FIFA) hatte aber zuerst Ronaldo als Torschützen ausgewiesen, da es in Echtzeit den Anschein hatte, der Superstar hätte dem Ball noch berührt. Auf verlangsamten Bildern war aber doch zu erkennen, dass der Ball selbst an den Haarspitzen des 37-Jährigen vorbeigeflogen war.

Ronaldo hatte als vermeintlicher Torschütze noch gejubelt, wohl auch weil er mit dem Treffer mit Eusebio als Portugals WM-Rekordtorschütze gleichgezogen hätte. Am Ende wurde die Zuordnung des Treffers aber korrigiert. Der Superstar, der als erster Spieler der Geschichte bei fünf Weltmeisterschaften zumindest ein Tor erzielen konnte, fiel damit um den Rekordtreffer um. Den Elfmeter zum 2:0 verfolgte der zu diesem Zeitpunkt bereits ausgewechselte Ronaldo dann überhaupt von der Ersatzbank aus.

FIFA WM 2022: Best of Portugal – Uruguay

Portugal steht im Achtelfinale der Weltmeisterschaft. Nicht Cristiano Ronaldo, sondern Bruno Fernandes schießt die Portugiesen mit zwei Treffern gegen Uruguay zum Sieg.

Auch über den zweiten Treffer gab es Diskussionen: Schiedsrichter Aliresa Faghani zeigte nach VAR-Studium wegen eines Handspiels von Jose Maria Gimenez auf den Punkt. Der Uruguayer wollte sich im Fallen mit der Hand abstützen und hatte dabei den Ball berührt, was laut Regelwerk nicht als Elfmeter zu werten gewesen wäre. Der Unparteiische aus dem Iran entschied trotzdem auf Strafstoß. Fernandes war es egal, er traf lässig ins linke Eck und hätte danach beinahe noch sein drittes Tor gemacht. Die Stange stand dem Hattrick des Mittelfeldspielers im Weg.

Tordiskussion lässt Matchwinner kalt

Die Tore gegen Uruguay rückten den Mittelfeldmotor mehr ins Rampenlicht, obwohl er unabhängig von Ronaldo prägend für Portugals Spiel, das nun die letzte Runde der Gruppenphase gegen Südkorea relativ entspannt angehen kann, ist. Schon beim 3:2 gegen Ghana in der ersten Runde konnte Fernandes zwei Assists verbuchen, nun die beiden Treffer. Die Diskussion über das 1:0 und Ronaldo nahm Fernandes daher auch mit Humor: „Wir wissen, dass Ronaldo ein Stürmer ist und auf Tore aus ist“, sagte der 28-Jährige.

Die FIFA wollte sich den Fernandes gutgeschriebenen Treffer übrigens noch einmal anschauen. Die Connected Ball Technology, die im „Al Rihla Official Match Ball“ von adidas untergebracht ist, zeigte aber, dass es „definitiv keinen Ballkontakt von Cristiano Ronaldo für das Eröffnungstor des Spiels“ gegeben hatte, wie adidas-Sprecher Oliver Brüggen bestätigte. Mindestens zwei WM-Spiele hat Ronaldo nach dem Achtelfinal-Einzug aber sowieso noch, um sich zum großen Star des Turniers zu schießen. Der bisher herausragende Kylian Mbappe, der verletzte Neymar sowie Lionel Messi und Robert Lewandowski, die sich am Mittwoch gegenseitig aus dem Turnier befördern könnten, dürften die größten Rivalen sein.

Jubel von Portugals Cristiano Ronaldo
Reuters/Dylan Martinez
Ronaldos Jubel nach dem 1:0 war verfrüht, der Superstar war nicht mehr am Ball

Matchwinner Fernandes waren diese Debatten ziemlich egal. „Ich habe gejubelt, als ob Cristiano das Tor gehört hätte“, sagte er. „Egal, wie man es bewertet, es ist dasselbe. Es ist wichtig, dass wir das Tor gemacht haben.“ Auch Nationaltrainer Fernando Santos sah das so, auch wenn er trotzdem das fast schon obligatorische sportliche Lob für seinen Kapitän parat hatte: „Er hat ein großartiges Spiel gemacht, so wie das gesamte Team“, sagte Santos.

Platz eins im Visier

Ronaldo ist aber nach wie vor der unumstrittene Superstar Portugals und sportlich unantastbar, auch wenn Fernandes ihm bisher vielleicht etwas die Show stiehlt. Dabei haben die Debatten über Ronaldo und dessen Zukunft vor dem Turnier auch den Offensivspieler direkt beeinflusst. Bei Manchester United spielten die beiden zuletzt zusammen, nach der Trennung von Ronaldo und dem Club wurde Fernandes immer wieder nach einem möglichen Interessenkonflikt gefragt. Für zusätzlichen Wirbel sorgte ein Video, das zeige, wie sich beide beim Nationalteam offensichtlich extrem kühl begrüßten. Ein Scherz, sagten Ronaldo und Fernandes anschließend und betonten ihr ausgesprochen gutes Verhältnis.

Wichtiger ist für Portugal der Gruppensieg, für den sie aus dem letzten Spiel gegen Südkorea am Freitag (16.00 Uhr) noch einen Punkt benötigen, um ganz sicher zu sein. Als Erster der Gruppe H dürfen sie davon ausgehen, im Achtelfinale Brasilien zu vermeiden, das wohl die Gruppe G gewinnen wird. Einen Tag mehr Pause hätten die Portugiesen obendrein. Allerdings spielt Südkorea um seine letzte Chance. Sie müssen gewinnen und auf einen günstigen Verlauf der Parallelpartie Ghana – Uruguay – sprich: ein Remis – hoffen. Bei einem Sieg einer der beiden Mannschaften und einem Sieg der Koreaner gegen die „Selecao“ würde die Tordifferenz entscheiden.