Von einer „neuen Ära“ schrieb die Turiner Zeitung „Tuttosport“ am Dienstag wenige Stunden nach der Juve-Mitteilung über den Rücktritt des gesamten Vorstandes. Die „Gazzetta dello Sport“ sah in den Vorgängen eine „Revolution“.
Als neuer Generaldirektor wurde Maurizio Scanavino bestimmt, Präsident soll der Wirtschaftsprüfer Gianluca Ferrero werden. Beide gelten als Vertraute von Andrea Agnellis Cousin John Elkann. Der Chef des europäischen Autoriesen Stellantis (u. a. Fiat, Opel, Peugeot, Chrysler), von Ferrari und der familieneigenen Investmentgesellschaft Exor wird Experten zufolge der neue starke Mann bei Juve.
Hoffen auf Rückkehr von Del Piero
„Ferrero verfügt über eine solide Erfahrung und die notwendigen technischen Fähigkeiten sowie eine echte Leidenschaft für den Verein Juventus, die ihn zur am besten geeigneten Person für diese Position macht“, hieß es in einer Presseaussendung Exors. Die Holding wird die vollständige Liste der Kandidaten für die Neubesetzung des Verwaltungsrats bis Mitte Dezember bekanntgeben.

Fans hoffen unterdessen auf eine Rückkehr alter Turiner Fußballheroen, allen voran Alessandro Del Piero. Der Weltmeister von 2006 sagte am Montagabend als WM-Experte des Senders beIN Sports: „Mal schauen, was passiert. Mich hat noch niemand angerufen.“ Der einstige Stürmer erzählte, dass er durch seine 19 Spielzeiten bei der „Alten Dame“ eine „sehr tiefe“ Verbindung zum Verein habe, mit dem er „alles durchgemacht“ habe. Darunter war auch der Zwangsabstieg in die Serie B 2006 nach dem Skandal um Schiedsrichtermanipulationen.
Spieler sollen falsch bewertet worden sein
Solche eine Dimension habe der neue Fall nicht, hoffte Del Piero. Die Staatsanwaltschaft Turin führt 16 Beschuldigte. Darunter Agnelli, dessen Vizepräsidenten Nedved und Geschäftsführer Maurizio Arrivabene und wirft ihnen unter anderem Bilanzfälschung und Aktienmanipulation vor. Berichten zufolge könnte noch vor Weihnachten Anklage erhoben werden.
In der Causa geht es einerseits um fingierte Spielerwerte. Dem Rekordmeister wird vorgeworfen, einigen seiner Spieler bewusst falsche Marktwerte zugeschrieben zu haben. Allein in den Jahren 2018, 2019 und 2020 soll die Bilanz so um 115 Millionen Euro beschönigt worden sein. Darüber hinaus wurde die Börsenaufsicht (Consob) wegen der jüngsten Bilanzzahlen aktiv.
Verdacht von Schwarzgeldzahlungen
Nach Ansicht der Prüfer hatten die Turiner während der Coronavirus-Pandemie nicht regelkonform gehandelt, um die Jahresabschlüsse zu retten. Den Juventus-Bossen wird vorgeworfen, sich mit den Spielern offiziell auf Gehaltskürzungen geeinigt zu haben. Allerdings sei den Profis dieser Betrag dann über geheime Deals doch wieder ausgezahlt worden, ohne das in den Jahresabschlüssen zu vermerken. Zuletzt vermeldete der Verein für die Saison 2021/22 einen Rekordverlust von 254,4 Millionen Euro.