Stephanie Frappart
Reuters/Hannah Mckay
FIFA WM 2022

Frappart als Frau für historische Einsätze

Genau 92 Jahre nach der ersten Fußballweltmeisterschaft der Geschichte wird in Katar erstmals eine Frau bei einem WM-Spiel unter Männern für Recht und Ordnung sorgen. Stephanie Frappart leitet am Donnerstag (20.00 Uhr, live in ORF1 und im Livestream) das entscheidende Spiel zwischen Deutschland und Costa Rica um den Aufstieg ins Achtelfinale. Für die 38-jährige Französin ist es nicht das erste Mal, dass sie Geschichte schreibt.

Am Dienstag gab der Fußballweltverband (FIFA), der aufgrund seiner Unterstützung für Katar und dessen diskriminierende Gesetze in vielen Bereichen schwer in der Kritik steht, den historischen Einsatz von Frappart im Al Bayt Stadium bekannt. Gemeinsam mit der Brasilianerin Neuza Back sowie Karen Diaz Medina aus Mexiko als Assistentinnen an den Linien wird die Französin das deutsche „Schicksalsspiel“ gegen das vorzeitige WM-Aus leiten.

Premieren in Sachen Schiedsrichterin bei den Männern sind für die 38-Jährige, die in ihrer Jugend selbst aktiv Fußball spielte, nicht neu. In der französischen Ligue 1 gehört Frappart seit 2019 zum Stammpersonal. Im selben Jahr pfiff die Französin auch als erste Frau mit dem Super-Cup-Finale des Europäischen Fußballverbandes (UEFA) zwischen dem FC Liverpool und dem FC Chelsea ein bedeutendes internationales Spiel bei den Männern. Im Dezember 2020 erfolgte mit dem Duell zwischen Juventus Turin und Dynamo Kiew die Premiere in der Champions League.

Der lettische Fußballspieler Janis Ikaunieks erhält eine Gelbe Karte von Schiedsrichterin Stephanie Frappart im März 2021
AP/Peter Dejong
In Nations League und WM-Quali, wie hier bei Niederlande – Lettland, hatte Frappart alles im Griff

Auch in Sachen Länderspiele bei den Männern ist Frappart eine Vorreiterin. Denn auch ihre Einsätze in der Nations League im September 2020 bei Malta gegen Lettland sowie im März 2021 in der Qualifikation für die WM in Katar beim Duell Niederlande – Lettland waren Premieren. Heuer im Mai pfiff Frappart, die 2019 auch das WM-Finale bei den Frauen leitete, das französische Pokalfinale der Männer.

Geschlecht nie ein Thema

Die Herausforderung, nun auf der großen Bühne unter besonderer Beobachtung – gerade vieler kritischer Männer – zu stehen, lässt Frappart jedenfalls kalt. „Wir kennen den Druck“, hatte die Französin bereits vor der WM der BBC gesagt. „Aber ich denke, das wird uns nicht ändern. Ruhig und fokussiert sein, sich konzentrieren – und nicht zu viel über die Medien und alles Weitere nachdenken. Einfach auf das Spielfeld fokussiert sein.“

Bei ihren bisherigen Einsätzen habe es noch nie Probleme zwischen ihr und den Spielern in Sachen Autorität gegeben, so Frappart. Ihr Geschlecht sei auch nie ein Thema gewesen: „Seit ich angefangen habe, wurde ich immer unterstützt – von den Mannschaften, Vereinen und Spielern. Ich war im Stadion immer willkommen, also fühle ich mich auf dem Platz wie jeder andere Schiedsrichter.“ Auch FIFA-Schiedsrichterchef Pierluigi Collina stellte klar: „Sie sind nicht hier, weil sie Frauen sind, sondern als FIFA-Referees.“

Schiedsrichterin Stephanie Frappart
IMAGO/Shutterestock/Kieran McManus
Bei der WM in Katar war die routinierte Schiedsrichterin bisher nur als vierte Offizielle im Einsatz

Für die am Donnerstag auf dem Feld stehenden Spieler ist der Umstand nach der Pfeife einer Schiedsrichterin zu tanzen jedenfalls nichts Spezielles. „Für mich ist es das Normalste der Welt, ich habe noch nie darauf geachtet, ob ein Mann oder eine Frau pfeift“, sagte der deutsche Teamspieler Lukas Klostermann. In der Mannschaft sei das kein Thema gewesen. Bundestrainer Hansi Flick äußerte, er vertraue Frappart zu „100 Prozent“, sie habe es „verdient aufgrund ihrer Leistung“. Ganz neu ist die Situation für die Deutschen ohnehin nicht: In der WM-Qualifikation vor einem Jahr gegen Liechtenstein war die Kroatin Ivana Martincic die Unparteiische.

Erster Schritt zur Normalität

In Katar sind übrigens insgesamt drei Schiedsrichterinnen dabei, neben Frappart auch die Japanerin Yoshimi Yamashita und Salima Mukansanga aus Ruanda, die bisher allerdings nur als vierte Offizielle an der Seitenlinie im Einsatz waren. Die deutsche Teamspielerin Tabea Kemme sah in ihrer Rolle als TV-Expertin jedenfalls den ersten wichtigen Schritt zu regelmäßigen Einsätzen gesetzt: „Es wäre schön, wenn wir irgendwann zu einer gewissen Normalität kommen.“ Der frühere deutsche Teamspieler Sami Khedira sagte, er sei ein „Riesenfan, dass Frauen mit Leistung auch im Männer-Fußball Fuß fassen“.

Aber es gibt auch Stimmen, die Frappart und ihre zwei Kolleginnen kritisch sehen. Wie der frühere Weltklasseschiedsrichter Urs Meier. „Ich weiß ganz genau: Ich habe in Europa 30 Schiedsrichter, die viel stärker sind als Frappart: Ja, da nehme ich doch nicht die Nummer 31 oder 32 mit, wenn ich nur zwölf europäische Schiedsrichter nominieren darf“, hatte der Schweizer in seinem Podcast zu WM-Beginn erklärt. In einem hat er sich auf jeden Fall getäuscht. Collina „wird sicher keine Schiedsrichterin für die ganz wichtigen Spiele aufbieten, da bin ich 200 Prozent sicher“. Für Deutschland aber ist das ein ganz wichtiges Spiel.