Romelu Lukaku und Dejan Lovren
Reuters/Albert Gea
FIFA WM 2022

Belgien scheitert mit Remis gegen Kroatien

Für Belgien ist die WM in Katar am Donnerstag zu Ende gegangen. Die Nummer zwei im FIFA-Ranking musste sich im Ahmad bin Ali Stadium von al-Rajjan nach einem 0:0 gegen Kroatien bereits in der Gruppenphase verabschieden. Der Vizeweltmeister durfte indes nach einer dramatischen Schlussphase als Gruppenzweiter über den Aufstieg ins Achtelfinale jubeln. Der Sieg in Gruppe F ging mit einem 2:1-Erfolg an Marokko.

Nach dem erstmaligen Scheitern in der Gruppenphase erklärte Roberto Martinez, der seit August 2018 im Amt war, seinen Rücktritt als belgischer Teamchef. Die „Roten Teufel“, die in der EM-Qualifikation auf Österreich treffen, zeigten sich zwar im Gegensatz zu den enttäuschenden Spielen gegen Kanada (1:0) und Marokko (0:2) verbessert, schafften aber nicht den notwendigen Sieg für den Aufstieg. Vor allem Romelu Lukaku hatte in den letzten Minuten mehrmals die Möglichkeit auf den erlösenden Treffer. Davor hatte der Torjäger bei einem Stangenschuss Pech (60.).

Belgiens goldener Generation, die oftmals als Geheimfavorit gehandelt und 2018 WM-Dritter wurde, dürfte damit die Krönung mit einem Titel versagt bleiben. Für Kroatien geht indes die WM-Reise weiter. Der von Kapitän Luka Modric angeführte Vizeweltmeister bekommt es im Achtelfinale am Montag mit Japan zu tun. Die Kroatien sind seit neun Länderspiele in Folge ungeschlagen. Die bisher einzige Niederlage in diesem Kalenderjahr hatte es für Modric und Co. zum Auftakt der Nations League Anfang Juni daheim gegen Österreich (0:3) gesetzt.

Best of Kroatien – Belgien

Für Belgien ist die WM in Katar am Donnerstang zu Ende gegangen. Die Nummer zwei im FIFA-Ranking musste sich im Ahmad bin Ali Stadium von al-Rajjan nach einem 0:0 gegen Kroatien bereits in der Gruppenphase verabschieden.

Belgien-Teamchef greift durch

Bei Belgien blieben die bisher schwachen Auftritte nicht ohne Folgen in der Startformation. Coach Martinez verbannte unter anderem die Hazard-Brüder Eden und Thorgan auf die Bank und nahm vor allem in der Offensive Veränderungen vor. Leandro Trossard, Dries Mertens und Yannick Carrasco bildeten das komplett neue Sturmtrio. Torjäger Lukaku, der gegen Marokko die letzten zehn Minuten gespielt hatte, war daher vorerst nur Ersatz. Kevin de Bruyne rückte ins offensive Mittelfeld. Kroatien trat hingegen mit der gleichen Startelf wie beim souveränen 4:1-Sieg gegen Kanada an.

Und beinahe hätten die Kroaten Belgien eiskalt erwischt. Nach weitem Pass von Luka Modric kam Ivan Perisic schon nach sieben Sekunden zum Abschluss, sein Schuss ging aber am langen Eck vorbei. Nach dem ersten Schreck kamen die „Roten Teufel“ besser in die Partie und durchaus auch in den gegnerischen Strafraum. Ein Versuch von Carrasco wurde von Josip Juranovic zur Ecke geblockt (11.). Nach Idealpass von De Bruyne schoss Mertens weit drüber (13.).

VAR verhindert Elfer für Kroatien

Nach einer Viertelstunde wähnten sich die Kroaten fast schon in Führung, denn Modric stand als Elferschütze gegen seinen Real-Teamkollegen Thibaut Courtois bereit. Carrasco war Andrej Kramaric im Strafraum vermeintlich auf den Fuß gestiegen, Schiedsrichter Anthony Taylor zeigte sofort auf den Elferpunkt. Zur Ausführung des Penaltys kam es aber nicht. Der VAR schaltete sich ein, und nach Videostudium wurde die Entscheidung zurückgenommen. Kramaric war vor dem Foul hauchdünn im Abseits gestanden. Allerdings war auch fraglich, ob der Hoffenheim-Stürmer überhaupt getroffen wurde.

Schiedsrichter Anthony Taylor und Luka Modric
APA/AFP/Jack Guez
Auch der flehende Blick von Luka Modric half nichts – Schiedsrichter Anthony Taylor nahm die Elferentscheidung zurück

Wie auch immer – für Belgien war es eine gute Nachricht, die schlechte kam aus Doha. Dort ging Marokko gegen Kanada 2:0 in Führung, womit der Weltranglistenzweite endgültig unter Siegeszwang geriet. Aber auch für die Kroaten wurde es aufgrund des Zwischenstands im Parallelspiel unangenehm, denn bei einer Niederlage wären sie weg vom Fenster gewesen. Es entwickelte sich eine kampfbetonte Partie, die ohne weitere nennenswerte Chance in die Pause ging. Einzig Perisic segelte nach einer Flanke knapp am Ball vorbei (45.+4).

Lukaku belebt Belgiens Offensive

Für die zweite Hälfte brachte Coach Martinez dann Lukaku für Mertens. Die Hereinnahme des Stürmers belebte Belgiens Offensive unmittelbar. In der 48. Minute brachte Lukaku einen Kopfball aufs Tor, der Kroatien-Goalie Dominik Livakovic nicht gefährdete. Auf der Gegenseite musste sich Courtois bei Schüssen von Mateo Kovacic (50.), Marcelo Brozovic und Modric (54.) mehrmals auszeichnen, hielt seinen Kasten aber sauber.

Belgien konnte sich nach einer Stunde aus dieser Umklammerung befreien und verzeichnete die größte Chance der Partie. De Brunye spielte einen perfekten Lochpass auf Carrasco, dessen Schuss gerade noch von Dejan Lovren geblockt wurde. Der Ball kam zu Lukaku, der aus aussichtsreicher Position die Innenstange traf (60.). Kurz darauf köpfelte der Inter-Stürmer über das leere Tor. Der Treffer hätte aber nicht gezählt, der Ball war davor über der Cornerlinie gewesen (62.).

Romelu Lukaku trifft die Stange
Reuters/Albert Gea
In der 60. Minute fehlten beim Schuss von Romelu Lukaku nur wenige Zentimeter auf einen Treffer

Dramatische Schlussphase

Die Partie wurde richtig abwechslungsreich, denn Kroatien igelte sich nicht ein, um das Unentschieden über die Zeit zu bringen. Sie wollten den Treffer, um Sicherheit zu haben. Modric scheiterte erneut an Courtois (68.), De Bruyne wiederum an Livakovic (69.). Martinez brachte zwei weitere frische Kräfte. Youri Tielemans und Jeremy Doku ersetzten Carrasco und Leander Dendoncker (72.). Die Spannung stieg von Minute zu Minute, die Fingernägel der belgischen und kroatischen Fans wurden definitiv einer Belastungsprobe unterzogen.

Es ging in die Schlussviertelstunde, langsam, aber sicher mussten die Belgier die Räume öffnen. Die Versuche der „Roten Teufel“ wurden wütender und mit fortschreitender Zeit auch verzweifelter. Unter Dauerdruck geriet Kroatien aber nicht, der Vizeweltmeister hatte zunächst durchaus Entlastungsangriffe, die Luft verschafften.

Die letzten Minuten wurden dann dramatisch. Für Belgien lag der erlösende Treffer in der Luft, nur er fiel nicht. Lukaku traf bei zwei unkontrollierten Versuchen mit dem Unterschenkel (87.) und dem Bauch (90.) nicht ins Tor. Der Topstürmer konnte es nicht fassen, diese Chancen nicht genutzt zu haben. Es ging in die vierminütige Nachspielzeit. Josko Gvardiol rettete in höchster Not vor Lukaku (92.). Und dann erfolgte der Schlusspfiff. Die völlig ausgepumpten Kroaten fielen vor Erleichterung zu Boden, die Belgier vor Enttäuschung.

Luka Modric und Dejan Lovren jubeln
AP/Luca Bruno
Nach dem Schlusspfiff ließen die kroatischen Spieler ihren Emotionen freien Lauf

Stimmen zum Spiel:

Zlatko Dalic (Kroatien-Teamchef): „Es ist egal, gegen wen wir jetzt spielen. Wenn wir auf diesem Level spielen, fürchten wir uns vor niemandem. Wir waren großartig, speziell in der ersten Stunde. Da haben wir alles unter Kontrolle gehabt. Wir hatten auch einen klaren Elfmeter, aber der VAR hat gegen uns entschieden. Es war zu erwarten, dass Belgien Chancen herausspielen wird. In diesen Momenten haben wir Glück gehabt. Es war ein großartiges Spiel. Wir wollten nicht nur diesen einen Punkt, wir wollten gewinnen.“

Roberto Martinez (Belgien-Teamchef): „Wir waren nicht wir selbst in den ersten beiden Spielen. Heute waren wir bereit. Wir haben uns viele Torchancen erspielt. Wir sind ausgeschieden, aber wir gehen erhobenen Hauptes. Jetzt müssen eben die jungen Spieler nachrücken und zeigen, was sie können. Die ‚Goldene Generation‘ tut etwas, um die nächste Generation heranzubringen. Es geht nicht um die Namen auf dem Platz.“

Luka Modric (Kroatien-Kapitän): „Wir sind überglücklich, im Achtelfinale zu stehen. Wenn man sich unser Spiel ansieht, haben wir es verdient. Wir haben ein gutes Spiel gemacht – mit komplizierten Momenten, weil wir gegen ein großartiges Team gespielt haben. Wir haben unser erstes Ziel erreicht, lasst uns jetzt weitermachen. Wir haben gezeigt, dass wir ein sehr gutes Team sind, dass wir gegen jeden Gegner bestehen können. Wer auch immer jetzt unser Gegner ist, wird es nicht einfach haben gegen uns.“

FIFA WM 2022, Gruppe F, dritter Spieltag

Donnerstag:

Kroatien – Belgien 0:0

Al-Rajjan, Ahmad bin Ali Stadium, 43.984 Zuschauer, SR Taylor (ENG)

Kroatien: Livakovic – Juranovic, Lovren, Gvardiol, Sosa – Modric, Brozovic, Kovacic (92./Majer) – Kramaric (64./Pasalic), Livaja (64./Petkovic), Perisic

Belgien: Courtois – Meunier (87./E. Hazard), Alderweireld, Vertonghen, Castagne – Dendoncker (72./Tielemans), Witsel – Trossard (59./T. Hazard), De Bruyne, Carrasco (72./Doku) – Mertens (46./Lukaku)

Gelbe Karten: keine bzw. Dendoncker

Die Besten: Kovacic, Gvardiol bzw. Carrasco