Neben der Sorge um Neymars Fitness drückten auch die Nachrichten über den mutmaßlich schlechten Gesundheitszustand der brasilianischen Legende Pele vor der Partie im Stadium 974 von Doha auf das Gemüt der Fans. Mit vier Toren in den ersten 36 Minuten verblies die „Selecao“ jedoch die Wolken und nährte die Hoffnung auf den ersten Titel seit 2002, die langersehnte „Hexa“, gewaltig. Die nächste Bewährungsprobe am Freitag (16.00 Uhr) gegen Kroatien soll nur eine weitere Zwischenstation auf dem Weg zum sechsten Titel sein. „Alles wird gut“, sagte auch Superstar Neymar.
Der 30-Jährige, der sich im Auftaktspiel gegen Serbien am Knöchel verletzt und die restliche Gruppenphase daher zugeschaut hatte, trug im Achtelfinale entscheidend dazu bei, dass Südkorea früh unter die brasilianische Torlawine geriet. Neymar traf in der 13. Minute, nachdem er vor dem Führungstreffer durch Vinicius Junior (7.) noch über den Ball gestiegen war, mit an Arroganz grenzender Lässigkeit per Elfmeter zum 2:0 und leitete nach dem dritten Treffer durch Richarlison (29.) auch den Konter zum 4:0 durch Lucas Paqueta (36.) ein.
Brasilien mühelos gegen Südkorea weiter
Brasiliens Hoffnungen auf den sechsten Fußball-WM-Titel sind seit Montag wieder ein Stück größer. Die Galavorstellung der „Selecao“ im Achtelfinale gegen Südkorea sorgt für Begeisterung und Zuversicht beim Rekordweltmeister.
Emotionaler Superstar
Nach dem Spiel wurde Neymar, der mit seinem 76. Teamtor nur noch einen Treffer hinter Rekordmann Pele liegt, emotional. „Ich kann allen für ihre Unterstützung nur Danke sagen. Das war nicht leicht für mich, weil in meinem Kopf viel passiert ist, Zweifel, Ängste“, sagte der Stürmer. „Ich hatte die Unterstützung all meiner Freunde, meiner Familie. Das waren schöne Nachrichten, die aus aller Welt gekommen sind, positive Energie, das hat mir sehr gut getan“, sagte der Angreifer von Paris Saint-Germain in Bezug auf seine überstandene Fußverletzung.
Fotos des geschwollenen Knöchels, der Neymar als „Andenken“ an die Partie gegen Serbien geblieben war, ließen Zweifel aufkommen, ob der Starspieler von Paris Saint-Germain das Turnier überhaupt fortsetzen kann. Die Bänderverletzung wurde intensiv behandelt, auch ohne den Superstar marschierte der Turnierfavorit durch die Gruppenphase. Mit Neymar auf dem Feld zeigte die „Selecao“ vor der Pause auch das von den Fans erwartete „Jogo bonito“ – das schöne Spiel – in Perfektion.
Gedanken bei Pele
Damit machten die Brasilianer sicherlich auch ihrem in einem Krankenhaus gegen seine Krebserkrankung kämpfenden Idol Pele Freude. „Es geht ihm nicht gut, und wir denken an ihn. Wir wünschen ihm nur das Beste und spielen für ihn. Wir hoffen, dass er sich mit uns freut“, sagte Neymar über den 82-Jährigen. Nach dem Schlusspfiff präsentierten er und seine Mitspieler ein überdimensionales Banner mit dem Konterfei der Fußballlegende und schickten ein „Daumen hoch“ nach Sao Paulo.
Pele, der auch von den Fans im Stadion per Plakat gewürdigt wurde, hatte der Mannschaft vor dem Spiel mit einer Grußbotschaft aus dem Spital Mut gemacht. „Ich will euch inspirieren, meine Freunde“, hatte die Legende mit einem Foto von sich als 17-Jährigem bei der WM 1958, als er seinen ersten von drei Titeln holte, gepostet. „Das berührt mich sehr. Ich wünsche ihm alles erdenklich Gute“, sagte Neymar nach dem Aufstieg ins Viertelfinale, wo am Freitag im Education City Stadium Vizeweltmeister Kroatien wartet.
„Wir werden weiter tanzen“
Die Gedanken des Superstars und seiner Teamkollegen waren aber bald schon wieder auf das große Ziel gerichtet, dem man mit der Machtdemonstration gegen Südkorea ein großes Stück nähergekommen ist. „Wir träumen vom Titel bei dieser Weltmeisterschaft. Drei Spiele fehlen uns noch, wir sind bestens vorbereitet und mental voll darauf fixiert. Wir werden im Finale lachen“, erklärte Neymar mit seinem schönsten Lächeln.
Auch wenn sich so manche Experten, wie die irische Ikone Roy Keane, über die brasilianischen Jubeltrauben nach jedem Treffer über die ihrer Meinung nach „Respektlosigkeit gegenüber dem Gegner“ echauffierte, mussten sie die spielerische Vorstellung der Brasilianer neidlos anerkennen. „Es ist wunderbar, ihnen zuzuschauen“, sagte der ehemalige deutsche Teamchef Jürgen Klinsmann über die Leichtigkeit, mit der die Südamerikaner die Koreaner zu Statisten degradierten.
Zum achten Mal in Folge tanzte sich die „Selecao“ in ein WM-Viertelfinale. Doch seit dem Titelgewinn 2002 kam man nur noch beim Heimturnier 2014 über diese Hürde, ehe man im Semifinale gegen Deutschland die historische 1:7-Schmach hinnehmen musste. Die Zuversicht, dass es heuer anders läuft, ist im brasilianischen Kader jedenfalls groß. „Wir werden weiter tanzen“, kündigte Raphinha an – sowohl auf dem Spielfeld als auch nach jedem weiteren Treffer.