Jubel von Portugals Goncalo Ramos
Reuters/Carl Recine
FIFA WM 2022

Ronaldo-Ersatz glänzt bei Gala von Portugal

Portugal hat am Dienstag mit einer Galavorstellung das Viertelfinale bei der WM in Katar erreicht. Der Europameister von 2016 fertigte im Lusail Iconic Stadium die Schweiz überraschend klar mit 6:1 (2:0) ab und trifft in der nächsten Runde am Samstag auf Marokko. Der Kantersieg gelang ohne Cristiano Ronaldo, der bis zur 73. Minute nur auf der Bank saß. Zum Mann des Spiels avancierte ausgerechnet der Ersatzmann für den Superstar.

Der 21-jährige Goncalo Ramos traf gegen die Eidgenossen gleich dreimal. In der 17. Minute eröffnete der Benfica-Stürmer den Trefferreigen. In der 51. und 67. Minute legte der Führende der portugiesischen Torschützenliste nach. Den zweiten Treffer erzielte Verteidiger Pepe, der mit 39 Jahren und 283 Tagen zum ältesten Torschützen in einem K.-o.-Spiel bei einer Weltmeisterschaft wurde. Die weiteren Tore beim ersten Einzug von Portugal in ein WM-Viertelfinale seit 2006 steuerten Raphael Guerreiro (55.) und Rafael Leao (92.) bei.

Die Schweiz hatte dem Offensivzauber der Portugiesen nichts entgegenzusetzen, das Team von Coach Murat Yakin hatte in keiner Phase wirklich Zugrif. Der Ehrentreffer gelang Manuel Akanji in der 58. Minute nach einem Eckball. Für die Eidgenossen bedeutete die Pleite das dritte Ausscheiden in einem WM-Achtelfinale in Serie. Zuletzt war die „Nati“ bei der Heim-WM 1954 im Viertelfinale gestanden.

Ramos schnürt den Triplepack

Nach Assist von Joao Felix lupfte Ramos den Ball über Sommer in das Tor (67.).

Ronaldo muss auf Bank Platz nehmen

Die erste große Überraschung gab es schon vor der Partie. Ronaldo wurde erstmals seit der EM 2008 und nach 31 Spielen bei einem großen Turnier nicht in der Startelf aufgeboten. Teamchef Fernando Santos hatte Ronaldo am Tag zuvor öffentlich für sein Verhalten bei der Auswechslung im Spiel gegen Südkorea kritisiert, als der 37-Jährige schimpfend den Platz verlassen hatte. Für den Superstar spielte Ramos, was sich als Goldgriff erweisen sollte. Sonst vertraute Santos der Elf, die in den ersten beiden Spielen den Achtelfinal-Aufstieg fixiert hatte.

Bei den Schweizern gab es im Vergleich zum 3:2-Sieg im letzten Gruppenspiel gegen Serbien zwei Änderungen: Yann Sommer kehrte nach seiner Erkältung ins Tor zurück. Zudem begann Defensivspieler Edimilson Fernandes statt Silvan Widmer, der erkältet fehlte. Richtig in Bedrängnis geriet die Schweizer Abwehr zu Beginn noch nicht. Die Eidgenossen hatten offensiv sogar leichte Vorteile, ohne gefährlich zu werden.

Ronaldo-Ersatz und Routinier schlagen zu

Portugal befand sich in den ersten Minuten ohne Ronaldo wohl offensiv in der Findungsphase, die aber bald abgeschlossen war. In der 17. Minute schlug der Europameister von 2016 nämlich eiskalt zu – und das ausgerechnet durch den Ronaldo-Ersatz, der im Laufe der Partie noch weiter von sich Reden machen sollte. Joao Felix passte zu Ramos, der im Strafraum von Fabian Schär nur halbherzig attackiert wurde. Der Benfica-Stürmer machte eine kurze Drehung und drosch den Ball mit 106 km/h ins kurze Eck. Sommer war nur Statist.

Ramos trifft zum 1:0

Goncalo Ramos stellte seine Qualitäten als Torjäger unter Beweis und traf in der 17. Minuten sehenswert zur Führung von Portugal.

Portugal nutzte diese Hochphase für weitere Abschlüsse. Die Versuche von Otavio und Ramos wurde aber zur Beute von Sommer (22.). Auf der Gegenseite brachte Xherdan Shaqiri einen Freistoß aus über 25 Metern auf das Tor, doch Diogo Costa war mit Fingerspitzen dran und klärte zur Ecke (30.). Unter Druck war trotzdem zumeist die Schweiz. Ein Klärungsversuch von Schär mit dem Kopf geriet fast zum Eigentor (32.). Die Aktion hatte trotzdem Folgen, denn aus dem Corner fiel das 2:0. Pepe schraubte sich im Luftkampf gegen Akanji hoch und wuchtete den Ball aus kurzer Distanz per Kopf ins Tor (33.).

Pepe erhöht auf 2:0

Pepe zeigte auch mit 39 Jahren noch seine Sprungkraft und köpfelte wuchtig zur 2:0-Führung für die Portugiesen ein (33.).

Die Schweizer standen vor einer ganz schweren Aufgabe und versuchten noch vor der Pause den wichtigen Anschlusstreffer zu schaffen. Nach Stanglpass von Edimilson Fernandes ließ Goalie Costa nach oben prallen. Der zu schwache Kopfball von Remo Freuler konnte aber locker vor der Linie geklärt werden (38.). Die Chance war aber nur die Ausnahme, spielbestimmend und wesentlich gefährlicher war Portugal. Goalie Sommer bewahrte sein Team gegen Ramos mit einer Glanzparade vor einem nahezu aussichtslosen Pausenrückstand (43.).

Portugiesischer Doppelschlag nach der Pause

Wenige Minuten nach der Pause fiel dann schon die Entscheidung. Portugal legte mit einem Doppelschlag die Tore drei und vier nach. Zunächst gab Diogo Dalot ein Hereingabe zur Mitte. Ramos lauerte an der ersten Stange und verlängerte den Ball durch die Beine von Sommer ins Tor (51.). Vier Minuten danach ging Linksverteidiger Raphael Guerreiro bei einem Angriff mit, kam an den Ball und schoss diesen unhaltbar für den Schweizer Goalie unter die Querlatte ins Tor.

Ramos trifft zum zweiten Mal

Nach einem Stanglpass von Diogo Dalot war erneut Goncalo Ramos zur Stelle und erhöhte mit seinem zweiten Treffer auf 3:0 (51.).

Ergebnistechnisch lag die „Nati“ am Boden, aufgegeben wurde aber nicht. Kurz nach dem vierten Gegentreffer gelang den Schweizern ihr erstes Tor. Nach einem Eckball kam Akanji an der zweiten Stange an den Ball und drückte diesen über die Linie (58.). Falls das erste Tor den Schweizern einen Hauch von Hoffnung gab, wurde diese allerdings bald wieder zerstört. Unmittelbar nach der Einwechslung von Salzburg-Legionär Noah Okafor gelang Portugal der fünfte Streich. Nach Assist von Felix lupfte Ramos den Ball über Sommer zum 5:1 ins Tor (67.).

Schweizer Ehrentor durch Akanji

Die Schweiz musste zumindest nicht zu null das Achtelfinale beenden. Manuel Akanji erzielte in der 57. Minute der Ehrentreffer für die „Nati“.

Ronaldo unter tosendem Applaus eingewechselt

In der 73. Minute brandete dann Jubel im Lusail Iconic Stadium auf, Ronaldo wurde für Felix eingewechselt und bekam von Pepe gleich die Kapitänsschleife umgebunden. Auch für Ramos war die Partie vorbei. Der dreifache Torschütze wurde durch Ricardo Horta ersetzt. Kurz darauf hatte Portugal einen Freistoß in guter Position, was natürlich gleich zur Chefsache wurde. Ronaldo jagte den Ball aber in die Schweizer Mauer, ohne dabei gröberen Schaden anzurichten (76.).

Ronaldo hatte danach weitere Chancen auf den ersten Treffer in einem WM-K.-o.-Spiel seiner Karriere. In der 84. Minute schloss der aktuell vereinslose Superstar ein Aktion mit einem Tor ab, davor war er aber klar im Abseits gestanden. Kurz davor konnte er sich gegen einen Schweizer Verteidiger nicht durchsetzen. Der letzte Treffer der Partie war damit Leao vorbehalten. Der wenige Minute zuvor eingewechselte Milan-Stürmer setzte einen passenden Schlusspunkt und traf mit einem tollen Schuss ins Kreuzeck (92.).

Leao mit Traumtreffer zum 6:1

In der Nachspielzeit trafen die Portugiesen nochmals. Der erst in der 87. Minute ins Spiel gekommene Rafael Leao machte mit einem sehenswerten Treffer das halbe Dutzend an portugiesischen Toren voll (92.).

Stimmen zum Spiel:

Fernando Santos (Teamchef Portugal): „Es war nicht perfekt, aber wir haben sehr gut gespielt, waren gut eingestellt und sehr konzentriert.“

Goncalo Ramos (Dreifachtorschütze Portugal): „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Das ist ein Traum, der in Erfüllung geht. Ob ich das nächste Spiel starten werde, weiß ich nicht, das muss der Trainer entscheiden.“

Murat Yakin (Teamchef Schweiz): „Wir sind traurig. Wir hatten vor, ein gutes Spiel zu zeigen. Wir konnten nicht das umsetzen, was uns in den letzten Partien stark gemacht hat. Das hat sicher auch mit dem Gegner zu tun, der dominanter aufgetreten ist als wir. Wir müssen akzeptieren, dass vieles nicht aufgegangen ist. Aber ich mache der Mannschaft keinen Vorwurf. Sie hat alles probiert, aber es ist nicht aufgegangen.“

FIFA WM 2022, Achtelfinale

Dienstag:

Portugal – Schweiz 6:1 (2:0)

Lusail, Lusail Stadium, 83.720 Zuschauer, SR Ramos (MEX)

Torfolge:
1:0 Ramos (17.)
2:0 Pepe (33.)
3:0 Ramos (51.)
4:0 Guerreiro (55.)
4:1 Akanji (58.)
5:1 Ramos (67.)
6:1 Leao (92.)

Portugal: Costa – Dalot, Pepe, Dias, Guerreiro – William, Otavio (73./Vitinha) – B. Fernandes (87./Leao), B. Silva (81./Neves), J. Felix (73./Ronaldo) – Ramos (73./Horta)

Schweiz: Sommer – E. Fernandes, Akanji, Schär (46./Comert), Rodriguez – Xhaka, Freuler (54./Zakaria) – Shaqiri, Sow (54./Seferovic), Vargas (66./Okafor) – Embolo (89./Jashari)

Gelbe Karten: keine bzw. Schär, Comert

Die Besten: Ramos, Felix, Pepe, B. Fernandes