Ein enttäuschter Carlos Soler (Spanien)
Reuters/Pedro Nunes
FIFA WM 2022

Spanien prolongiert sein Elfmetertrauma

Nach dem überraschenden Achtelfinal-Aus bei der WM in Katar steht Fußballspanien unter Schock, die 0:3-Blamage im Elferschießen gegen das Überraschungsteam Marokko wird wohl noch lange nachwirken. Nachdem die Elf von Trainer Luis Enrique 120 Minuten vergeblich gegen den marokkanischen Abwehrriegel angerannt war, scheiterte sie – wieder einmal – vom Elferpunkt.

Denn schon bei der WM 2018 (gegen Russland) und der EM 2021 (gegen Italien) mussten die Spanier nach einem Elfmeterschießen die Heimreise antreten. Dieses Mal sogar ohne eigenes Tor, Pablo Sarabia, Carlos Soler und auch Kapitän Sergio Busquets vergaben am Dienstag allesamt ihre Versuche.

Und das, obwohl Enrique seine „Seleccion“ im Vorfeld gebührend auf das Elfmeterszenario vorbereitet hatte. „Vor mehr als einem Jahr habe ich den Spielern gesagt, dass sie mindestens 1.000 Elfmeter bei ihren Clubs schießen müssen. Die kannst du nicht beim Nationalteam trainieren“, sagte der Coach vor dem Spiel.

Marokko eliminiert Spanien im Elferschießen

Nach 120 torlosen Minuten versagen die Spanier im Elfmeterschießen gegen die Marokkaner: Mit 3:0 gegen den Ex-Weltmeister können sich die Marokkaner auf das Viertelfinale gegen die Portugiesen freuen.

Er glaube nicht, dass Elfmeterschießen eine „Lotterie“ ist, betonte Enrique. Seine Spieler warfen allerdings die Nerven weg, auch Sarabia, der zuvor in seiner Karriere alle 15 Versuche verwandelt hatte und extra kurz vor Schluss für das Elferschießen eingewechselt worden war. Während drei von vier Marokkaneren trafen, Achraf Hakimi mit dem entscheidenden Elfer sogar ganz lässig, scheiterte Sarabia an der Stange und Soler sowie Busquets an Marokkos neuem Nationalhelden Yassine Bounou.

Teamchef Enrique dennoch „mehr als zufrieden“

Enrique hatte sich nach dem bitteren Achtelfinal-Aus aber nichts vorzuwerfen. „Ich würde alle Schützen noch einmal so auswählen. Den Einzigen, den ich wechseln würde, wäre Bounou, den Tormann des Gegners“, sagte er. Auch mit der spielerischen Vorstellung seiner jungen Mannschaft war der 52-Jährige nicht unglücklich. Er sei „mehr als zufrieden“, betonte Enrique, „sie haben meine Ideen und meinen Stil vertreten“. Genau 1.050 Pässe spielte „La Roja“, der entscheidende war nicht dabei. „Natürlich hätten wir auf den letzten Metern effizienter sein müssen“, erkannte auch der Trainer.

Spanien-Trainer Luis Enrique
Reuters/Dylan Martinez
Das Elferschießen war trotz aller lobenden Worte auch für Enrique zum Haareraufen

Das gilt eben auch für die Elfmeter, bereits zum vierten Mal unterlagen die Spanier bei einer WM in diesem Nervenkampf. So oft ist das noch keiner Mannschaft sonst passiert, auch nicht den Engländern, die üblicherweise den Ruf als größter Feind des Elfmeterschießens haben. Die „Three Lions“ unterlagen bei Weltmeisterschaften bisher dreimal vom Punkt, bei Europameisterschaften hingegen zuletzt viermal in Serie. Die Spanier vergaben außerdem als erst zweites Team nach der Schweiz 2006 gegen die Ukraine bei einer WM alle Versuche in einem Elfmeterschießen.

Wie es mit Enrique nun weitergeht, blieb zunächst unklar. „Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, um über meine Zukunft zu sprechen“, sagte der Coach unmittelbar nach Schlusspfiff. Sein Vertrag läuft nach der WM aus, er sei aber „sehr glücklich“ beim Nationalteam.

„Acht Jahre zum Weinen“

Seitens der spanischen Presse gab es Kritik an Trainer und Verband. „Nur drei Siege (gegen Australien, Iran und Costa Rica, Anm.) bei den beiden letzten Weltmeisterschaften. Für ein Land, das eine der besten sportlichen Strukturen der Welt hat, ist das unter dem Strich schrecklich“, schrieb „Marca“ und bilanzierte: „Acht Jahre zum Weinen.“

„As“ meldete „ernsthafte Zweifel“ an Enrique an. „Der Nationaltrainer hat es nicht besser gemacht als (sein Vorgänger) Fernando Hierro, das spricht gegen ihn. Es gibt Argumente für ihn, aber auch welche dagegen, und einige von diesen wiegen schwer.“ Nach Ansicht von „Sport“ aus Barcelona fehlen dem Team Fußballer, wie sie der FC Barcelona jahrelang hatte, mit Lionel Messi, Neymar und Luis Suarez. „Drei Persönlichkeiten, die alleine den Unterschied ausmachen können. Spanien kann auf so etwas im Moment nicht zählen“, hieß es. „Ein trauriger und brutaler Epilog“ so das WM-Fazit der Tageszeitung „La Vanguardia“.