Jubel des Portugiesen Goncalo Ramos
Reuters/Kai Pfaffenbach
FIFA WM 2022

Ramos verzückt Portugal bei Premiere

Cristiano Ronaldo schrieb nach dem 6:1-Sieg Portugals über die Schweiz im WM-Achtelfinale von einem „unglaublichen Tag“. Allerdings stand diesmal nicht der erst spät eingewechselte Superstar im Mittelpunkt, sondern der statt ihm spielende Goncalo Ramos. Der Angreifer von Benfica Lissabon avancierte bei seinem ersten Spiel in der WM-Startelf mit einem Triplepack zum Matchwinner und sprach danach von „einem Traum, der in Erfüllung geht“.

Für Ramos kam die Berufung in die Startelf wie wohl für viele völlig überraschend. „Ich glaube, ich habe nicht einmal in meinen kühnsten Träumen daran gedacht, in der K.-o.-Phase in der Startelf zu stehen“, sagte der 21-Jährige. Anlaufschwierigkeiten ließ er sich aber keine anmerken und überzeugte durch Spielfreude, Kombinationsstärke und Effizienz. Ramos erzielte nicht nur den ersten Triplepack bei dieser Weltmeisterschaft, sondern war auch der erste Spieler seit WM-Rekordtorschütze Miroslav Klose, dem bei seinem WM-Startelfdebüt drei Tore gelangen.

Völlig aus dem Nichts kam die brillante Vorstellung allerdings nicht. Ramos erlebte in dieser Saison bei Benfica eine gewaltige Leistungssteigerung, die Torschützliste der portugiesischen Liga führt er mit neun Treffern an. Die logische Folge war das Debüt in der A-Nationalmannschaft kurz vor der WM. Ob er auch im Viertelfinale spielen werde, wollte Ramos nicht vorhersagen. „Das entscheide nicht ich, das entscheiden andere.“

Portugal-Gala gegen die Schweiz

Nach dem fulminanten 6:1 gegen die Schweiz unterstreicht Portugal eindrucksvoll die WM-Titelambitionen. Der gefeierte Held beim Viertelfinal-Einzug war Goncalo Ramos. Der Ronaldo-Ersatz erlebte mit seinen drei Toren einen unglaublichen WM-Abend.

Kapitän gibt sich als Teamspieler

Ronaldo ertrug seine ungewohnte und ungewollte Rolle als Ersatzspieler nach außen mit Fassung und rang sich sogar hin und wieder ein Lächeln ab. Nach Spielende umarmte der erst in der 74. Minute eingewechselte etatmäßige Kapitän Ramos kurz, ließ sich dann alleine von den Fans bejubeln und verschwand eilig in der Kabine. Anschließend schrieb Ronaldo auf Instagram von einem „unglaublichen Tag für Portugal und einem historischen Ergebnis“. Für die junge Generation hatte er trotz der persönlichen Enttäuschung warme Worte über. Die Auswahl habe hervorragende Talente und junge Spieler, man könne ihr dazu nur gratulieren.

Cristiano Ronaldo (Portugal) applaudiert
Reuters/John Sibley
Ronaldo war nach seinem Kurzeinsatz nicht zum Feiern zumute

Fast genau fünf Jahre nach dem Gewinn seines fünften und bisher letzten Ballon d’Or war die schmerzhafte Degradierung zugunsten des 16 Jahre jüngeren Ramos für Ronaldo aber ein weiterer Rückschlag. Bei Manchester United wurde er zuerst auf die Bank verbannt und dann verabschiedet, die Suche nach einem neuen Club gestaltet sich schwierig. Einzig der saudische Club al-Nassr scheint ernsthaftes Interesse zu haben, eine Einigung dementierte Ronaldo allerdings.

Es geht auch ohne Ronaldo

Sportlich überzeugte der mehrfache Weltfußballer bei der WM bisher kaum, zudem legte er sich mit Teamchef Fernando Santos an. Die Entscheidung, den Rekordtorschützen erstmals in einem Turnierspiel seit 2008 auf die Bank zu setzen, begründete der Trainer aber nur mit sportlichen Überlegungen. „Ich wähle die Spieler aus, die am besten zu meiner Strategie passen.“

Ohne Ronaldo zeigten die Portugiesen große Spielfreude, wirkten wie befreit und fuhren einen hochverdienten Erfolg gegen diesmal enttäuschende Schweizer ein. Neben Ramos überzeugte auch Altmeister Pepe, der durch seinen Kopfballtreffer mit 39 Jahren und 283 Tagen zum ältesten Torschützen in einem WM-K.-o.-Spiel und zum zweitältesten Torschützen der WM-Geschichte aufstieg. Die weiteren Treffer steuerten Linksverteidiger Raphael Guerreiro und der eingewechselte Rafael Leao bei. Nur bei den Weltmeisterschaften 1934 und 1938 hatte es überhaupt höhere Achtelfinal-Siege gegeben.

Teamchef legt sich nicht fest

Im ersten Viertelfinale seit der WM 2006 treffen die Portugiesen am Samstag auf Marokko. Welche Rolle Ronaldo in diesem Spiel einnehmen wird, ließ Santos offen. „Das müssen wir sehen“, sagte der 68-Jährige auf die Frage, ob für Rekordtorschütze Ronaldo nun ein neuer Abschnitt im Nationalteam beginne. „Ich habe eine sehr enge Beziehung zu ihm. Aber wir sind Trainer und Spieler. Ich habe ihm gesagt, dass er ein sehr wichtiger Spieler ist, das weiß er.“

Zumindest an diesem Abend stahl der junge Ramos einem der wohl besten Fußballer aller Zeiten die Show. Die wichtige Rolle Ronaldos wollte der Youngster auch an dem bisher größten Tag seiner Karriere aber nicht unterschlagen. „Cristiano hat als Kapitän das gemacht, was er immer macht. Er hat uns geholfen, uns ermutigt, die gesamte Mannschaft“, betonte Ramos.