enttäuschte Schweizer
IMAGO/Ulmer/Teamfoto/Michael Kienzler
FIFA WM 2022

Schweizer nach Pleite in Erklärungsnot

Das 1:6-Debakel im WM-Achtelfinale am Dienstag gegen Portugal hat nicht nur im Schweizer Team für Frust gesorgt, sondern auch erhebliche Kritik in der Heimat hervorgerufen. Besonders die Taktik von Trainer Murat Yakin wurde hinterfragt. Die Medien gingen zudem mit den Spielern der „Nati“, die nicht ihr normales Niveau erreichten, hart ins Gericht.

Die Schweizer Medien gingen mit der Nationalelf nach der 1:6-Klatsche hart ins Gericht. Taktik und Auftreten sorgten in der Heimat für reichlich Kritik. „Die Schweizer wollten die Welt erobern – und erleben ein Debakel“, schrieb die „Berner Zeitung“. „Ein blutleerer Auftritt, kein Schweizer ist genügend“, befand das „St. Galler Tagblatt“ nach der Niederlage. „Desolate Nati erleidet Schiffbruch!“, titelte „20 Minuten“.

Vor allem Teamchef Yakin stand nach der Systemumstellung im Zentrum der Kritik. „Yakin verzockt sich komplett“, hieß es in einem Kommentar des „Blick“. Auch die „Neue Zürcher Zeitung“ schrieb: „Yakin verzockt sich, das System kollabiert“. Der 48-jährige Coach und Kapitän Granit Xhaka müssten sich hinterfragen.

Portugal deklassiert Schweiz

Portugal hat am Dienstag mit einer Galavorstellung das Viertelfinale bei der WM in Katar erreicht. Der Europameister von 2016 fertigte im Lusail Iconic Stadium die Schweiz überraschend klar mit 6:1 (2:0) ab.

„Lag nicht am System“

Yakin hatte gegen Portugal nach dem erkältungsbedingten Ausfall des Außenverteidigers Silvan Widmer in der Defensive zunächst auf eine Dreier- anstatt wie sonst auf eine Viererkette gesetzt. „Es lag nicht am System, es lag an der Bereitschaft. Wir hatten nie Zugriff auf das Spiel“, verteidigte Yakin aber seine Entscheidung.

Kapitän Xhaka bekräftigte die These des Trainers. „Wir haben das Spiel nicht wegen des Systems verloren“, betonte er. Defensiv nicht zu laufen und nur offensiv etwas zu wollen, könne man „auf dem Niveau nicht machen“, antwortete ein sichtlich gereizter Xhaka auf Fragen zu diesem Thema.

Trainer Murat Yakin (Schweiz)
AP/The Yomiuri Shimbun/Ken Satomi
Yakins Taktik ist für die Schweizer Medien der Hauptgrund für das Debakel gegen Portugal

Die Frustration war auch Xherdan Shaqiri anzumerken, wenngleich er eine andere Meinung als sein Kapitän vertrat. Für den 31-jährigen Angreifer war die Taktik des Trainers sicherlich ein Mitgrund für das Debakel: „Wir haben unseren Plan gewechselt, und er ist leider nicht aufgegangen.“ Allerdings betonte Shaqiri auch, dass kein Schweizer Spieler sein normales Niveau abgerufen hätte. Daher wolle er sich „im Namen der Mannschaft für die Leistung entschuldigen“.

Yakin-Abschied noch kein Thema

Das vor dem Turnier von Yakin als „eine der besten Schweizer Nationalmannschaften“ gelobte Team offenbarte in der Defensive große Schwächen. Auf der rechten Abwehrseite hatte die Mannschaft nach der Hereinnahme von Edimilson Fernandes für Widmer über weite Strecken keinen Zugriff, in der Innenverteidigung war Fabian Schär ein Unsicherheitsfaktor. Aufgrund der Effizienz der Portugiesen war das Spiel bereits wenige Minuten nach der Halbzeitpause entschieden. Manuel Akanji betrieb mit seinem Treffer nur Ergebniskosmetik.

Die Schweizer hatten sich in Katar viel vorgenommen. Stattdessen kassierten sie gegen Portugal – geteilt mit dem 0:5 gegen Deutschland 1966 – die höchste Niederlage ihrer WM-Historie. Yakins Posten als Nationaltrainer sei dadurch aber nicht gefährdet, hatte Pierluigi Tami, der Direktor der Schweizer Nationalteams, kurz nach dem Spiel klargestellt.

Trotz der Niederlage befand Yakin, dass man nicht alles schlecht reden müsse. „Wir haben in der Vorrunde gut gespielt. Jetzt sind wir auf einen besseren Gegner gestoßen. Wir können trotzdem mit dem Turnier zufrieden sein.“ Nun gelte es, dieses abzuhaken und als Team nach vorne zu schauen, so der Schweizer, der mit der „Nati“ erstmals seit der Heim-WM 1954 wieder in ein Viertelfinale einziehen wollte. Damals begann die K.-o.-Runde aber auch erst mit der Runde der besten acht.