FIFA WM 2022

Argentinien krönt sich zum Weltmeister

Argentinien ist zum dritten Mal Fußballweltmeister. Die „Albiceleste“ setzte sich am Sonntag in einem letztlich dramatischen Endspiel vor 88.966 Zuschauern in Lusail gegen Titelverteidiger Frankreich mit 4:2 nach Elfmeterschießen durch und holte nach 1978 und 1986 wieder den Titel. Bis zur 80. Minute war es 2:0 gestanden, nach 90 Minuten 2:2 und nach 120 3:3. Drei Tore von Frankreichs Jungstar Kylian Mbappe reichten nicht, am Ende seiner Karriere holte Superstar Lionel Messi doch noch seinen verdienten WM-Titel.

Argentinien ging durch einen Foulelfmeter, den Messi sicher verwertete (23.), in Führung und erhöhte nach einem sehenswerten Konter durch Angel di Maria auf eine zunächst komfortable 2:0-Führung (36.). Bis zur 80. Minute hatten die Südamerikaner auch gegen bis dahin völlig harmlose Franzosen alles im Griff, ehe Mbappe mit einem Doppelschlag in 90 Sekunden eine Verlängerung erzwang – erst per Foulelfmeter (80.), dann mit einem Volleyschuss (81.).

In dieser war dann wieder Argentinien dem Tor näher, und Messi besorgte auch aus kurzer Distanz die vermeintliche Entscheidung (108.). Aber wieder hatte Mbappe etwas dagegen, der dieses Mal einen Handelfmeter sicher zum 3:3 verwertete (118.). In der Entscheidung vom Punkt vergaben Kingsley Coman und Aurelien Tchouameni, alle vier Argentinier, darunter Messi, trafen und feierten – ein am Ende schon legendäres Finale fand einen würdigen Sieger.

Argentinien holt WM-Titel im Elfmeterschießen

Argentinien kürt sich im Elfmeterschießen zum dritten Mal zum Weltmeister. Kingsley Coman und Aurelien Tchouameni vergeben bei den Franzosen, damit entscheidet die „Albiceleste“ das Shoot-out 4:2 für sich.

Messi wurde zum zweiten Mal nach 2014 als bester Spieler des Turniers ausgezeichnet, damals war er WM-Zweiter geworden, nun küsste er den Pokal. Goalie Emiliano Martinez durfte sich über den „Goldenen Handschuh“ freuen, Enzo Fernandez über den „Young Player Award“. Mit acht Toren wurde Mbappe Torschützenkönig – ein schwacher Trost, nachdem Frankreich die erhoffte Titelverteidigung verpasste.

Lionel Messi mit dem WM-Pokal
Reuters/Hannah McKay
Messi stemmte den WM-Pokal – in einem traditionell arabischen Kleidungsstück (Bischt) – in den Nachthimmel

Zwei Teams auf spezieller Mission

Exakt vier Wochen nach dem Auftaktspiel zwischen Gastgeber Katar und Ecuador (0:2) kam die umstrittenste Weltmeisterschaft aller Zeiten zu einem Ende. Argentinien und Frankreich befanden sich auf einer speziellen Mission, die Südamerikaner wollten ihrem Superstar Messi bei dessen fünfter und letzter WM-Teilnahme den Titel bescheren, die Europäer hatten die erste erfolgreiche Titelverteidigung seit 1962 im Sinn. Damals bestieg Legende Pele mit Brasilien abermals den Thron.

In den vier Wochen hatte sich bei beiden Finalteams jeweils eine Stammelf herauskristallisiert, die die beiden Coaches Lionel Scaloni und Didier Deschamps weitestgehend auch im Endspiel wieder auf das Feld schicken konnten. Bei Frankreich kehrten die zuletzt erkrankten Dayot Upamecano und Adrien Rabiot zurück, bei Argentinien Routinier Di Maria. Der 34-Jährige hatte Muskelbeschwerden, konnte aber wie Messi nach 2014 nun sein zweites WM-Finale spielen.

Messi und Lloris alleinige Rekordspieler

Apropos Messi: Mit Anpfiff stellte der Linksfuß aus Rosario einen WM-Rekord auf, 26 Spiele auf der größten Fußballbühne hatte zuvor noch nie jemand absolviert. Der Deutsche Lothar Matthäus kam auf 25. Doch auch die Franzosen hatten einen Rekordspieler in ihren Reihen, kein Tormann hat seit Sonntag mehr WM-Einsätze als Hugo Lloris (20).

Lusail Stadium vor dem Finale
IMAGO/Igor Kralj
Im Lusail Iconic Stadium ging vor 88.966 Zuschauern die 22. Fußballweltmeisterschaft zu Ende

Die Argentinier hatten wie so oft bei diesem Turnier in Katar einen „Heimvorteil“, waren doch wieder Zigtausende Fans der „Albiceleste“ ins Lusail Iconic Stadium gepilgert. Bei der Hymne präsentierte sich die „Seleccion“ besonders entschlossen, erstmals nach 36 Jahren wieder den Titel nach Argentinien zu holen, doch auch Frankreichs Jungstar Mbappe scharrte an der Mittellinie regelrecht in den Startlöchern.

Argentinien erarbeitet sich Führung

Argentinien startete in einem 4-3-3-System ins Finale, Frankreich im gewohnten 4-2-3-1, und bald schien es so, als hätten sich Scaloni und sein Betreuerteam das bessere taktische Konzept überlegt.

Die „Albiceleste“ war gleich gut im Spiel und kam zum ersten Abschluss, Alexis Mac Allister zielte bei seinem Schuss aber zu zentral (5.). Die Argentinier präsentierten sich gleich von Beginn an aggressiv, Frankreich wartete ab, blieb aber in der ersten Hälfte insgesamt ideenlos. Anders der Gegner, bei dem sich Messi wieder einmal spielfreudig gab und auch Platz für seine sehenswerten Zuspiele fand.

Zwar blieben große Chancen zunächst Mangelware, aber Argentinien fand in der französischen Hälfte ein Übergewicht vor. Nach einer Ecke kam es zu harten Duellen im Sechzehner, am Ende musste Lloris behandelt werden, konnte aber weiterspielen. Und auf der anderen Seite? Nichts. Frankreich kam zu keinem Abschluss auf das Tor. Mbappe wurde von der Defensive vorerst ganz aus dem Spiel genommen.

Messi trifft sicher vom Punkt

Argentinien näherte sich sukzessive der Führung, und nach etwas mehr als 20 Minuten war es dann auch so weit: Di Maria ließ Ousmane Dembele auf der linken Seite aussteigen, der Barcelona-Profi folgte dem Gegenspieler und brachte ihn im Strafraum zu Fall. Referee Szymon Marciniak entschied sofort auf Strafstoß, und auch der Video Assistant Referee (VAR) hatte offenkundig nichts dagegen. Messi traf sicher rechts unten, während Lloris in der falschen Ecke lag (23.) – der PSG-Star traf als Erster bei einer WM-Endrunde in der Gruppenphase sowie in jedem Spiel in der K.-o.-Runde zumindest einmal.

Spielszene
Reuters/Carl Recine
Messi verwertete gegen Lloris den Elfmeter zur Führung

Messi konnte an diesem Abend nichts aufhalten, auch einen Check gegen den Kopf schüttelte der Superstar ab. Die Fans huldigten ihm einmal mehr mit Sprechchören. Frankreich kam weiter nicht ins Spiel.

Sehenswerter Konter zum 2:0

Scaloni lieferte in dieser ersten Hälfte sein taktisches Meisterstück ab, Frankreich konnte keinen Druck ausüben und lief in der Defensive hinterher. So wie beim 2:0, ein sehenswerter Konter der Argentinier.

Nach einem französischen Ballverlust durch Upamecano ging es schnell und sehenswert nach vorn: Über Nahuel Molina und Mac Allister kam der Ball zu Messi, der auf der rechten Seite Alvarez einsetzte. Der flüssige Konter führte wieder über Mac Allister, und dessen perfekt getimter Pass kam bei di Maria an, der Lloris keine Chance ließ (36.).

Di Maria macht das 2:0 (36. Minute)

Argentinien kontert Frankreich eiskalt aus. Für den perfekten Abschluss der Aktion sorgt Angel Di Maria mit dem 2:0.

Der 35-jährige Messi und der 34-jährige Di Maria richteten es mit den Treffern, Frankreich ging als erste Mannschaft ohne Torschuss in der ersten Hälfte in die Finalgeschichte der Weltmeisterschaft ein. Wie unzufrieden Deschamps mit seiner Mannschaft war, zeigte auch ein Doppeltausch noch vor der Pause. Für Dembele und Stürmer Olivier Giroud war das Finale bereits in der 41. Minute vorzeitig beendet.

Argentinien hat zunächst noch alles im Griff

Es änderte sich aber auch nach der Pause erst nichts. Argentinien war giftiger, entschlossener, antizipierte in allen Aktionen besser – gemeinhin könnte man es als „hungriger“ bezeichnen. Lloris musste kurz nach Wiederbeginn eingreifen (46.), wurde von Rodrigo de Paul geprüft (49.), ebenso zehn Minuten später von Alvarez (59.). Die Südamerikaner blieben ihrer offensiven Linie treu, mit der sie die Franzosen in der ersten Hälfte auch ein Stück weit überraschten.

So konnte man den Gegner weiter erfolgreich vom Tor fernhalten, auch wenn mit di Maria ein großer, eigener Gefahrenherd vom Feld ging. Aber wenn Frankreich in die gefährliche Zone kam, hatte man die Bemühungen vorerst im Griff. Der eingewechselte Randal Kolo Muani setzte das Leder per Kopf daneben (68.), Mbappe drüber (71.). Da war Argentinien schon dem dritten Treffer näher, aber für die endgültige Entscheidung etwa ein Schuss von Enzo Fernandez zu unpräzise (72.).

Mbappe bringt Frankreich in 90 Sekunden zurück

80 Minuten war Frankreich offensiv nicht zu sehen – 90 Sekunden später hatten sie ausgeglichen. Kolo Muani suchte im Strafraum das Duell und fand eines mit Nicolas Otamendi. Marciniak gab wieder Elfmeter, und dieses Mal ließ sich Mbappe nicht zweimal bitten. An seinem Schuss links unten war Goalie Martinez dran (80.).

Doppelschlag von Mbappe (81. Minute)

Kilian Mbappe bringt Frankreich wieder zurück. Nur eine Minute nach seinem Anschlusstreffer sorgt er volley für das 2:2.

Frankreich war wieder im Spiel und legte nach: Coman eroberte den Ball von Messi, Rabiot spielte von rechts auf links zu Mbappe. Dessen hohen Doppelpass mit Marcus Thuram verwertete der Jungstar volley und wuchtig ins rechte Eck (81.). Aus dem Nichts spielte der Weltmeister wieder weltmeisterlich, Coman hatte nun denselben Einfluss wie zuvor di Maria für Argentinien. Doch Martinez vereitelte eine Entscheidung (93.) wie danach Lloris bei einem Messi-Schuss (97.).

Messi und Mbappe treffen in Verlängerung

Es ging zum achten Mal in einem WM-Finale in eine Verlängerung, zum vierten Mal in den vergangenen fünf Endspielen. Gab es zum Ende der regulären Spielzeit noch auf beiden Seiten Chancen, ging es nun retour zum Start, und beide Teams waren wieder auf Sicherheit bedacht. Wieder war zunächst Argentinien dem Treffer näher, der soeben erst eingewechselte Lautaro Martinez scheiterte doppelt an Upamecano.

Mbappe per Elfer zum 3:3 (118. Minute)

Gonzalo Montiel hat den Ellenbogen bei einem Schuss von Kylian Mbappe draußen – Elfmeter. Mbappe tritt erneut an und trifft wieder zum Ausgleich für die Franzosen – 3:3!

Argentinien ging auch folgerichtig wieder in Führung, erst scheiterte Messi noch an Lloris (107.), eine Minute traf er dann nach einem abgewehrten Martinez-Schuss mit rechts – Jules Kounde konnte den Ball nur noch hinter der Linie klären (108.). Aber natürlich war das nicht der Schlussakt, denn Montiel bekam den Ball von Mbappe an den Ellbogen, und das im Strafraum. Mbappe traf ins linke Eck (118.). Kolo Muani hatte dann den Sieg noch auf dem Fuß, doch Martinez glänzte mit einer Fußabwehr (123.) – ein Elfmeterschießen musste also her.

Happy End für Argentinien

Zum dritten Mal nach 1994 und 2006 fiel die Entscheidung in einem WM-Endspiel vom Punkt. Die Superstars beider Teams, Mbappe und Messi traten gleich zu Beginn an und trafen sicher. Coman hingegen scheiterte an Martinez. Nach einem weiteren argentinischen Treffer durch Paulo Dybala verschoss Aurelien Tchouameni links. Es war letztlich die Entscheidung, weil Leandro Paredes und der vorherige „Übeltäter“ Montiel verwerteten. Argentinien feierte in Lusail: Was an dieser Stelle mit einer 1:2-Blamage gegen Saudi-Arabien begann, endete mit der dramatischen Krönung der Legende Lionel Messi.

Stimmen zum Spiel:

Lionel Messi (Argentinien-Doppeltorschütze): „Es ist verrückt, dass es so passiert ist. Ich wollte es so sehr. Ich wusste, dass Gott es mir geben würde, ich hatte das Gefühl, dass es so sein würde. Wir haben viel gelitten, aber wir haben es geschafft. Wir können es kaum erwarten, in Argentinien zu sein, um zu sehen, wie verrückt es dort sein wird.“

Lionel Scaloni (Argentinien-Trainer): „Ich kann nicht glauben, dass wir in einem perfekten Spiel so leiden mussten. Unglaublich, aber dieses Team findet auf alles eine Antwort. Ich bin stolz auf die Arbeit, die sie geleistet haben. Es ist eine aufregende Truppe. Mit den Schlägen, die wir heute einstecken mussten, mit dem zweimaligen Ausgleich, das macht dich emotional. Das ist ein historischer Moment für unser Land.“

Emiliano Martinez (Argentinien-Tormann): „Es war ein Spiel, in dem wir leiden mussten. Zwei Schüsse, und Frankreich hat ausgeglichen. Sie haben ihnen einen zweiten Elfmeter gegeben, und sie haben getroffen. Gott sei Dank habe ich danach mein Ding durchgezogen, wovon ich geträumt habe. Ich bin ruhig geblieben.“

Didier Deschamps (Frankreich-Trainer): „Es sollte nicht sein. Für die ganze Mannschaft ist es seit einiger Zeit schwierig. Wir hatten nur vier Tage seit dem letzten Spiel. Also war da vielleicht auch etwas Müdigkeit. Aber das ist natürlich keine Entschuldigung. Wir haben einfach nicht die gleiche Energie wie in den letzten Spielen gezeigt.“ Zu seiner Zukunft: „Auch wenn wir gewonnen hätten, hätte ich diese Frage nicht beantworten können.“

Hugo Lloris (Frankreich-Kapitän): „Leider haben wir in diesem Finale nur reagiert. Es war fast wie ein Boxkampf. Das Einzige, was wir uns vorwerfen müssen, ist, dass wir die erste Halbzeit komplett verschlafen haben. Trotzdem haben wir nicht nachgelassen und bis zum Schluss daran geglaubt. Es ist immer grausam, auf der falschen Seite zu stehen, aber wir haben bei diesem Turnier bis zum Ende alles gegeben.“

FIFA WM 2022, Finale

Sonntag:

Argentinien – Frankreich 3:3 n.V. (2:2, 2:0), 4:2 i.E.

Lusail, Lusail Stadium, 88.966 Zuschauer, SR Marciniak (POL)

Torfolge:
1:0 Messi (23./Foulelfmeter)
2:0 Di Maria (36.)
2:1 Mbappe (80./Foulelfmeter)
2:2 Mbappe (81.)
3:2 Messi (108.)
3:3 Mbappe (118./Handelfmeter)

Elfmeterschießen:
0:1 Mbappe trifft wuchtig ins linke Eck
1:1 Messi rollt den Ball locker ins Netz
1:1 Coman scheitert an Goalie Martinez
2:1 Dybala trifft genau in die Mitte
2:1 Tchouameni schießt links vorbei
3:1 Paredes trifft links
3:2 Kolo Muani trifft scharf in die Mitte
4:2 Montiel schießt Argentinien zum Titel

Argentinien: E. Martinez – Molina (91./Montiel), Romero, Otamendi, Tagliafico (121./Dybala) – De Paul (102./Paredes), Fernandez, Mac Allister (116./Pezzella) – Messi, Alvarez (103./La. Martinez), Di Maria (64./Acuna)

Frankreich: Lloris – Kounde (121./Disasi), Varane (113./Konate), Upamecano, T. Hernandez (71./Camavinga) – Tchouameni, Rabiot (96./Fofana) – Dembele (41./Kolo Muani), Griezmann (71./Coman), Mbappe – Giroud (41./Thuram)

Gelbe Karten: Fernandez, Acuna, Paredes, Montiel, E. Martinez bzw. Rabiot, Thuram, Giroud (auf Bank)

Die Besten: Messi, Di Maria, Mac Allister bzw. Mbappe, Rabiot, Kolo Muani

Alle Weltmeister

Jahr Weltmeister Finalist Ergebnis Austragungsort
1930 Uruguay Argentinien 4:3 Montevideo
1934 Italien Tschechoslowakei 2:1 n.V. Rom
1938 Italien Ungarn 4:2 Paris
1950 Uruguay Brasilien 2:1 Rio de Janeiro
1954 Deutschland Ungarn 3:2 Bern
1958 Brasilien Schweden 5:2 Stockholm
1962 Brasilien Tschechoslowakei 3:1 Santiago
1966 England Deutschland 4:2 n.V. London
1970 Brasilien Italien 4:1 Mexico City
1974 Deutschland Niederlande 2:1 München
1978 Argentinien Niederlande 3:1 n.V. Buenos Aires
1982 Italien Deutschland 3:1 Madrid
1986 Argentinien Deutschland 3:2 Mexico City
1990 Deutschland Argentinien 1:0 Rom
1994 Brasilien Italien 0:0 n.V., 3:2 i.E. Los Angeles
1998 Frankreich Brasilien 3:0 St. Denis
2002 Brasilien Deutschland 2:0 Yokohama
2006 Italien Frankreich 1:1 n.V., 5:3 i.E. Berlin
2010 Spanien Niederlande 1:0 n.V. Johannesburg
2014 Deutschland Argentinien 1:0 n.V. Rio de Janeiro
2018 Frankreich Kroatien 4:2 Moskau
2022 Argentinien Frankreich 3:3 n.V., 4:2 i.E. Lusail
1942 und 1946 fanden keine Weltmeisterschaften statt.