Michael Smith
IMAGO/Ian Stephen
Darts-WM

„Bully Boy“ und die Nacht seines Lebens

Für Weltmeister Michael Smith hätte diese denkwürdige Darts-Nacht in London niemals enden sollen. Etwa „eine Million Mal“ habe er sich gleich in der Nacht seinen geschichtsträchtigen Neundarter beim 7:4-Finalsieg über den Niederländer Michael van Gerwen angeschaut. Knapp zwei Stunden nach dem perfekten Spiel war „Bully Boy“ am Dienstag erstmals Weltmeister, Weltranglistenerster und um 500.000 Pfund (rund 565.000 Euro) reicher.

Die 25 Kilogramm schwere Sid Waddell Trophy stellte Smith später ehrfürchtig in die Ecke seines Hotelzimmers. In der Nacht des großen Sieges postete der 32-jährige Engländer immer wieder Fotos aus seinem Hotelbett. „Kann das Ding jemand aus dem Kasten holen? Es ist zu schwer“, schrieb Smith. Das packende Endspiel samt Neundarter von Smith hatte die Massen und Experten derart elektrisiert, dass TV-Experte Wayne Mardle während des Spiels ausgetauscht werden musste, weil er keine Stimme mehr hatte.

Die Weltelite verneigte sich geschlossen vor dem Champion aus St. Helens, einer 100.000-Einwohner-Stadt zwischen Liverpool und Manchester. Der abgelöste Champion Gerwyn Price aus Wales schrieb: „Hoch verdient. Viele weitere werden kommen. Genieß es.“ Der 16-fache Weltmeister Phil Taylor fasste sich nach dem Spiel, das Darts-Promoter Barry Hearn als „Werbung für den Sport“ bezeichnete, kurz: „Willkommen im Club.“

Rückschläge prägen Karriere

Der Weg von Smith war lange von Rückschlägen und heftigen Niederlagen geprägt. Nun hat er in gerade einmal 44 Tagen seine Makel behoben und die Rangordnung geändert. Der Sieg beim Grand Slam of Darts im britischen Wolverhampton war im November sein erster Major-Titel, zuvor war Smith aus Mangel an Alternativen noch immer als Champion des Shanghai Darts Masters (2018) angekündigt worden. Nun ist der zweifache Familienvater auf dem Gipfel seines Sports angekommen.

„Das Gefühl, das ich direkt nach meinem Sieg hatte, wird niemals getoppt werden. Egal, was ich in diesem Sport in der Zukunft mache“, sagte Smith, der mit den Tränen rang und unmittelbar nach dem verwandelten Matchdart und einem Handschlag mit Verlierer van Gerwen von der größten Darts-Bühne der Welt rannte, um Frau und Kinder in seiner Box zu drücken. In den sozialen Netzwerken hat Smith schon vor langer Zeit verewigt, welche Prioritäten er in seinem Leben setzt. Zuerst seine Familie, dann seine Haustiere – im Anschluss der Rest, darunter Darts.

Spektakulärer Schlusspunkt

Der Neundarter im zweiten Satz war am Dienstag der spektakuläre Schlusspunkt einer spektakulären WM. Es war das wohl beste Leg in der Geschichte dieser Sportart, weil zuvor auch van Gerwen acht perfekte Darts spielte. Smith sagte später in Richtung der 3.500 verkleideten und wild feiernden Fans: „Das Publikum hat diesen Neundarter verdient.“

Für den Weltmeister soll der Triumph von London nur der Anfang einer Ära sein. Sein Ziel lautet Dominanz. „Ich möchte diesen Sport übernehmen, aber Michael ist immer noch hier“, sagte Smith. Es stehe nun 1:1 in WM-Finalduellen. „Aber ich glaube nicht, dass das unser letztes war.“

Darts-WM 2023 in London

Finale ("Best of 13"-Sätze):
Michael Smith (ENG/4) Michael van Gerwen (NED/3) 7:4
Halbfinale ("Best of eleven"-Sätze):
Michael Smith (ENG/4) Gabriel Clemens (GER/25) 6:2
Michael van Gerwen (NED/3) Dimitri Van den Bergh (BEL/15) 6:0
Viertelfinale ("Best of nine"-Sätze):
Gabriel Clemens (GER/25) Gerwyn Price (WAL/1) 5:1
Michael Smith (ENG/4) Stephen Bunting (ENG/21) 5:3
Dimitri Van den Bergh (BEL/15) Jonny Clayton (WAL/7) 5:3
Michael van Gerwen (NED/3) Chris Dobey (ENG/22) 5:0
Achtelfinale ("Best of seven"-Sätze):
Gerwyn Price (WAL/1) Jose de Sousa (POR/17) 4:1
Gabriel Clemens (GER/25) Alan Soutar (SCO) 4:1
Michael Smith (ENG/4) Joe Cullen (ENG/13) 4:1
Stephen Bunting (ENG/21) Luke Humphries (ENG/5) 4:1
Dimitri Van den Bergh (BEL/15) Kim Huybrechts (BEL/31) 4:0
Jonny Clayton (WAL/7) Josh Rock (NIR) 4:3
Michael van Gerwen (NED/3) Dirk van Duijvenbode (NED/14) 4:1
Chris Dobey (ENG/22) Rob Cross (ENG/6) 4:2
Dritte Runde ("Best of seven"-Sätze):
Gerwyn Price (WAL/1) Raymond van Barneveld (NED/32) 4:0
Jose de Sousa (POR/17) Ryan Searle (ENG/16) 4:3
Gabriel Clemens (GER/25) Jim Williams (WAL) 4:3
Alan Soutar (SCO) Danny Noppert (NED/9) 4:2
Michael Smith (ENG/4) Martin Schindler (GER/29) 4:3
Joe Cullen (ENG/13) Damon Heta (AUS/20) 4:0
Luke Humphries (ENG/5) Vincent van der Voort (NED/28) 4:3
Stephen Bunting (ENG/21) Dave Chisnall (ENG/12) 4:2
Kim Huybrechts (BEL/31) Peter Wright (SCO/2) 4:1
Dimitri Van den Bergh (BEL/15) Krzysztof Ratajski (POL/18) 4:1
Jonny Clayton (WAL/7) Brendan Dolan (NIR/26) 4:1
Josh Rock (NIR) Nathan Aspinall (ENG/10) 4:3
Michael van Gerwen (NED/3) Mensur Suljovic (AUT/30) 4:2
Dirk van Duijvenbode (NED/14) Ross Smith (ENG/19) 4:3
Rob Cross (ENG/6) Mervyn King (ENG/27) 4:1
Chris Dobey (ENG/22) Gary Anderson (SCO/11) 4:1