Ski alpin

Entfesselter Kilde siegt in Wengen-Abfahrt

Aleksander Aamodt Kilde hat sich am Samstag das Double in Wengen geholt. Nach seinem Sieg im Super-G gewann der 30-jährige Norweger auch die Abfahrt auf dem Lauberhorn. Mit einer entfesselten Fahrt auf verkürzter Strecke setzte sich Kilde mit einem Vorsprung von 0,88 Sekunden auf Lokalmatador Marco Odermatt durch. Auf Rang drei landete der Italiener Mattia Casse (+1,01). Bester Österreicher wurde Vincent Kriechmayr als Vierter, Technikspezialist Marco Schwarz sorgte für eine Sensation.

Kriechmayr, der im letzten Jahr vom Originalstart triumphiert hatte, hatte einen Rückstand von 1,15 Sekunden und verpasste damit wie schon im Super-G am Freitag das Podest. „Der Speed hat gepasst, der zweite Platz wäre leicht möglich gewesen. Der Rückstand war letztlich zu hoch. Ich weiß, woran es lag, aber das wäre eine billige Ausrede: Ich muss es einfach besser machen“, sagte Kriechmayr im ORF-Interview.

Eine echte Überraschung gelang seinem ÖSV-Teamkollegen Schwarz. Der 27-Jährige, der am Sonntag natürlich auch im Slalom (10.15/13.15 Uhr, live in ORF1) am Start stehen wird, belegte in seiner ersten Weltcup-Abfahrt mit Startnummer 31 den sechsten Rang (1,29) und wurde damit sensationell zweitbester Österreicher. „Ich bin selber ein wenig sprachlos“, sagte der Kärntner. Daniel Hemetsberger belegte den 14. Rang (1,93). Otmar Striedinger wurde 17. (2,03), auch Julian Schütter holte auf Rang 21 (2,18) Weltcup-Punkte. Nicht in die Top 30 kamen Stefan Babinsky (41./3,24) und Andreas Ploier (47./5,86)

1. Aleksander A. Kilde (NOR)
2. Marco Odermatt (SUI)
3. Mattia Casse (ITA)

Kilde war „in einer anderen Welt“

Böiger Wind sorgte für eine Verkürzung der längsten Abfahrt im Weltcup um 40 bis 45 Sekunden. Kilde, der schon im letzten Jahr auf kürzerer Strecke gewonnen hatte, bewies erneut, dass er sich auf dem Lauberhorn pudelwohl fühlt. Den Grundstein zum Sieg legte er im oberen Teil. Zwischen Hundschopf über das Kernen-S bis zur Wasserstation fuhr der Norweger die Konkurrenz in Grund und Boden. Bei der zweiten Zwischenzeit hatte Kilde schon 0,85 Sekunden Vorsprung auf Odermatt.

Kilde holte damit als erster Läufer seit Marc Girardelli im Jahr 1985 das Wengen-Double. „Das war von ganz oben bis unten ungefähr 100 Prozent. Ich habe Speed gemacht und mich gut bewegt. Es war wirklich sauber“, erklärte Kilde, der nach seinem vierten Sieg in der sechsten Saisonabfahrt im Kampf um die kleine Kristallkugel mit 505 Punkten 119 Zähler vor Odermatt führt. „Mit dem Rang bin ich zufrieden, mit der Zeit weniger, das ist schon ein wenig viel Rückstand auf einer verkürzten Abfahrt. Aber er (Kilde, Anm.) war heute in einer anderen Liga, in einer anderen Welt“, sagte Odermatt, der im Gesamtweltcup 340 Punkte vor Kilde liegt.

Kriechmayr verspielt Podestplatz

Einer der wenigen, der mit Kilde im oberen Abschnitt mithalten konnte, war Kriechmayr. Der zweifache Saisonsieger (Bormio, Gröden) lag bei der ersten Zwischenzeit 0,15 Sekunden vor und bei der zweiten nur 0,25 hinter dem Norweger. Danach schlichen sich beim zweifachen Wengen-Sieger (2019, 2022) allerdings Fehler ein, die die entscheidende Zeit und damit den Podestplatz kosteten.

Kriechmayr wieder Vierter

Der Oberösterreicher verpasst wie im Super-G das Podest knapp.

„Der Start war besser als gestern, aber der Rest nicht optimal. Ich bin den Canadian Corner zu gerade gefahren, dann habe ich das Tempo nicht mitgenommen und habe riskieren müssen. Wenn man die Ideallinie verlässt, kommt man in den gerutschten Schnee und es funktioniert nicht“, analysierte Kriechmayr. Zum Sieg gratulierte der Oberösterreicher, der im Abfahrtsweltcup mit 319 Punkten auf Platz drei liegt, Kilde neidlos: „Er war einfach unglaublich.“

Spontaner Start zahlt sich für Schwarz aus

Unglaublich war auch die Fahrt von Schwarz. Der Kärntner beeindruckte in seiner ersten Spezialabfahrt mit seinen Speed-Qualitäten. An den Start ging er aber nur, weil die Abfahrt verkürzt wurde. „Aber die Abfahrt taugt mir, ich kenne sie von der Kombi. Ich wollte attackieren, das ist mir gelungen, vor allem auch das Kernen-S. Von ganz oben wäre ich nicht gefahren, weil das dann für morgen schon an den Kräften gezehrt hätte. Es war schon sehr spontan, hat sich aber ausgezahlt“, erklärte Schwarz.

Hemetsberger verspielte seine Chancen auf einen Topplatz mit Problemen vor dem Silberhorn-Sprung. „Man ist mit fünf, sechs km/h mehr hingekommen als im Training, nach dem Haneggschuss hat es mich ein wenig ausgelupft. Ich war eine Spur zu gerade auf die Doppellinks und danach hat es mich zu weit rausgedrückt. Ich habe gerade noch den Sprung erwischt. Da habe ich acht Zehntel verloren, weil mir das Tempo abgegangen ist“, sagte Hemetsberger.

Feuz im letzten Heimrennen Fünfter

Beat Feuz, der in Wengen siebenmal auf dem Podest gestanden ist und dreimal gewonnen hat, belegte beim letzten Heimrennen seiner Karriere mit einem Rückstand von 1,25 Sekunden Rang fünf. „Heute war die Piste herausfordernd, es hat alles gebraucht, um schnell zu sein. Aber cool, wenn die Fans Freude haben, wenn ich da noch einmal herunterfahre. Ich fahre nicht deswegen, aber wenn das Ende näher rückt, ist es cool“, sagte der 35-jährige Schweizer, der nächste Woche in Kitzbühel seine letzten beiden Abfahrten bestreiten wird.