Novak Djokovic
Reuters/USA Today Sports/Mike Frey
Australian Open

Djokovic krönt „unglaubliche Reise“

Ein Jahr nachdem er aufgrund seiner fehlenden Coronavirus-Impfung nach langem Hickhack mit den australischen Behörden des Landes verwiesen worden ist, hat Novak Djokovic am Sonntag Geschichte geschrieben. Mit seinem zehnten Titel bei den Australian Open zog der Serbe in Sachen Grand-Slam-Erfolge mit Rafael Nadal gleich und holte sich die Position als Nummer eins der Welt zurück. Der Triumph über Stefanos Tsitsipas sei der Lohn für eine „unglaubliche Reise“, so Djokovic.

Nach dem 6:3 7:6 (7/4) 7:6 (7/5)-Finalsieg über den Griechen Tsitsipas zeigte sich Djokovic in Melbourne „menschlich“ wie selten zuvor. Nach herzlichen Umarmungen mit der Familie und den Trainern sackte der 35-Jährige in seiner Box zusammen und wurde von einem heftigen Weinkrampf gepackt. Fast eine Minute lag er dort auf dem Boden und schluchzte. Nachdem sich der 35-Jährige etwas gefangen hatte und die Balustrade heruntergeklettert war, weinte er auf der Bank in sein Handtuch weiter.

Der Grand-Slam-Rekord von nun insgesamt 22 Titeln, die Nummer eins der Weltrangliste, der abgefallene Druck nach zwei Wochen voller Widrigkeiten und die Erinnerungen an den Einreisewirbel vor einem Jahr – selbst für den sonst so coolen Serben schien das alles zu viel zu sein. „Als ich meine Mutter und meinen Bruder umarmt habe, fühlte ich eine riesige Erleichterung. Ich musste alle Emotionen freilassen, die sich angestaut hatten“, sagte ein sichtlich erschöpfter Djokovic über seinen „emotionalen Kollaps“.

Djokovic setzt nächste Meilensteine

Novak Djokovic hat am Sonntag seiner einzigartigen Karriere gleich mehrere Meilensteine hinzugefügt: Der 35-jährige Serbe gewann das Finale der Australian Open in Melbourne mit einer souveränen Vorstellung gegen den Griechen Stefanos Tsitsipas und holte seinen 22. Grand-Slam-Titel.

Sein zehnter Erfolg in Melbourne sei deshalb der wertvollste, „wenn man die Umstände betrachtet“, meinte Djokovic. Es ist in jedem Fall einer für die Geschichtsbücher: Durch seinen 22. Grand-Slam-Triumph zog er mit dem spanischen Rekordhalter Nadal gleich. Die Debatte über den besten Tennisspieler der Geschichte dürfte wieder neu entflammt sein, für Finalgegner Tsitsipas ist die Sache klar: Djokovic sei „der Größte, der jemals einen Tennisschläger in der Hand gehabt hat“.

„Riesige Last“ abgefallen

Ähnlich dachten auch die zahlreichen Fans, die ihren Helden mit dem Pokal im Arm kurz vor Mitternacht im Melbourne Park stimmungsvoll empfingen. Als er dort im Interview erneut davon sprach, dass er „eine riesige Last auf den Schultern“ gespürt habe, schallten lautstarke „Nole, Nole!“-Rufe hinter ihm. Djokovic lächelte dankbar für die Rückendeckung. Er sei „extrem stolz und glücklich“, es fühle sich „surreal“ an, 15 Jahre nach seinem Premierensieg wieder den Pokal in den Händen zu halten. „Alles in allem war es eine unglaubliche Reise.“

Novak Djokovic mit seiner Mutter Dijana Djokovic
APA/AFP/Martin Keep
Djokovic ließ im Kreise seiner Familie seinen Emotionen freien Lauf

Obwohl Djokovic im kompletten Turnierverlauf nur einen Satz abgab, war sein Weg zum zehnten Titel bei den Australian Open gepflastert von Hindernissen: Er stand wegen der Vorkommnisse im Vorjahr, als er wegen eines für ungültig erklärten Visums das Turnier verpasst hatte, stark unter Beobachtung. Er wurde wegen seiner Oberschenkelprobleme teilweise der Schauspielerei bezichtigt, wehrte sich gegen Vorwürfe einer angeblich unerlaubten Toilettenpause und verteidigte öffentlich seinen Vater wegen eines Vorfalls mit einer prorussischen Zuschauergruppe.

Zurück auf dem Thron

Djokovic steckte all das weg. „In meinem Fall habe ich das Gefühl, dass sich die Dinge aus dem ein oder anderen Grund anhäufen“, sagte der Serbe, der von seinem Vater, der dem Finale aufgrund der Aufregung ferngeblieben war, erst danach in den Katakomben empfangen wurde. Es ist „keine ideale Situation“, sich mit solchen Dingen abseits des Platzes beschäftigen zu müssen, „aber es ist Teil meines Lebens“. Er versuche, daraus einen Vorteil für sich zu ziehen und „widerstandsfähiger und stärker“ zu werden.

Das gelang ihm auch in seinem 33. Grand-Slam-Finale, das er mit herausragenden Aufschlägen, einer starken Vorhand und großer Nervenstärke nach knapp drei Stunden für sich entschied. Durch den Sieg löst Djokovic den verletzt abwesenden Spanier Carlos Alcaraz als Nummer eins der Weltrangliste ab. „Sehr verdient“, twitterte Alcaraz. „Ich hoffe, dich bald wieder auf dem Platz zu sehen!“ Von Montag an startet Djokovic in seine 374. Woche als nominell bester Tennisspieler der Welt – und vieles deutet auf eine neue lange Ära hin.