Philadelphia Eagles Coach Nick Sirianni
Reuters/USA Today Sports/Vincent Carchietta
Super Bowl

Außenseiter führt Eagles zurück ins Finale

Fünf Jahre nach dem ersten Titel stehen die Philadelphia Eagles wieder in der Super Bowl – und das mit Nick Sirianni als Headcoach und Jalen Hurts als Quarterback. Dem Duo trauten diesen Finaleinzug vorab nicht viele zu, vor allem Sirianni wurde als Außenseiter zu Beginn noch verschmäht. Doch die Führungsspitze um Eigentümer Jeffrey Lurie und General Manager Howie Roseman vertraute dem 41-Jährigen die Führung des Teams mit Erfolg an.

Zum vierten Mal stehen die Eagles im Finale der National Football League (NFL). Während die ersten beiden Endspiele anno 1981 (gegen die Oakland Raiders) und 2005 (gegen die New England Patriots) verloren gingen, sicherten sich die Adler 2018 in Minneapolis gegen die Patriots ihren ersten Super-Bowl-Titel. Danach lief es nicht weiter rund, doch die Clubspitze holte wieder die richtigen Leute an Bord, 2020 in der zweiten Draft-Runde Hurts und danach Sirianni 2021 als Chefcoach, zwei Saisonen später kämpfen beide um den großen Wurf.

Vor allem Sirianni hatten ganz wenige auf dem Zettel, die erste Pressekonferenz sorgte zudem mehr für Häme, als er langwierig über Systeme sprach. Nun lacht der 41-Jährige, der bis 2012 bei Super-Bowl-Gegner Kansas City als Assistent fungierte und vor zwei Jahren die Indianapolis Colts als Offensive Coordinator verließ, um bei den Eagles zum ersten Mal Chefcoach zu werden. Zwei Saisonen später stehen die Eagles im Finale. „Davon träumst du als Kind“, so Sirianni vor dem „Big Game“, das in der Nacht auf Montag (0.30 Uhr MEZ) in Arizona steigt.

Aller Anfang war verschmäht

Vor fünf Jahren feierten die Eagles im kalten Minnesota nach einem erwärmenden 41:33-Offensivspektakel gegen die New England Patriots ihren ersten Super-Bowl-Titel. Damals führte der heutige Jacksonville-Head-Coach Doug Pederson Regie, und Ersatzquarterback Nick Foles avancierte zum wertvollsten Spieler (MVP) im Finale. So rosig blieb es nicht lange, denn danach verzettelte sich Pederson in der Quarterback-Frage, überwarf sich mit der Clubführung und musste letztlich nach einer Saison mit nur vier Siegen 2020 gehen. Überraschend zogen die Eagles Sirianni aus dem Hut – und der Start gestaltete sich schwierig.

Bei seiner allerersten Pressekonferenz, die aufgrund der Coronavirus-Pandemie ohne Medienvertreter an Ort und Stelle über die Bühne ging, wirkte Sirianni nervös, äußerte sich plump in langen und wirren Ausführungen und lieferte den Kritikern damit viel Stoff. Sirianni räumte gegenüber seinen Spielern Fehler ein und punktete bei ihnen. „Was ich an ihm mag, ist, dass er verletzlich ist“, sagte Routinier Lane Johnson. Mit Kampfansagen kam er mit der Zeit auch in der Arbeiterstadt, die bekannt leidenschaftliche Fans hat, immer besser an.

Am Ende sorgte Sirianni aber vor allem dafür, dass das Werkel auf dem Platz lief. Auch das benötigte Zeit. Nach den ersten sieben Spielen hielten die Eagles bei zwei Siegen und fünf Niederlagen, Sirianni sorgte mit einer Blumenanalogie als Entwicklung für das Team für Lacher, letztlich führte er die Eagles aber noch zu einer 9-8-Bilanz und damit ins Play-off (15:31 gegen Tampa Bay). Damals war Hurts übrigens schon am Steuerrad, doch in dieser Saison formte Sirianni ihn zum Finalisten für die Auszeichnung als wertvollster Spieler (MVP).

Leistungsexplosion eines geformten Teams

Die Eagles explodierten regelrecht, was auch der Zusammenstellung des Teams geschuldet ist. Die Verantwortlichen sorgten nicht nur dafür, dass wichtige Spieler wie Center Jason Kelce und Defensive Tackle Fletcher Cox ihre Verträge verlängerten, sondern holten auch wichtige Bausteine wie Linebacker Haason Reddick und A. J. Brown.

Der Wide Receiver kam für einen Erstrundenpick im Draft von den Tennessee Titans und war bisher sein Geld wert. Doch es muss nicht immer teuer sein: Mit Jordan Mailata ist ein Australier Left Tackle, der es über das International Pathway Program (IPP) geschafft hatte. Über dieses schafften es auch die Österreicher Sandro Platzgummer (Giants) und Bernhard Seikovits (Arizona) in die Liga, aber nicht zu Einsätzen.

Philadelphia Eagles Coach Nick Sirianni mit A.J. Brown
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Sirianni (hier im Bild mit Starreceiver A. J. Brown) kommt bei Spielern und Fans mittlerweile gleichermaßen gut an

Überhaupt formte Sirianni mit dem wurf- und lauffreudigen Spielmacher Hurts, dem Receiver-Duo Brown und DeVonta Smith sowie Runningback Miles Sanders die nach Yards pro Spiel zweitbeste Offense der Liga. Jonathan Gannon nahm Sirianni aus Indianapolis mit und als Defensive Coordinator verantwortet dieser das zweitbeste Team. Am Ende standen 14 Siege in der Regular Season zu Buche, in den Play-offs ließen die Eagles bisher nur jeweils sieben Punkte pro Spiel zu – Philadelphia mangelt es an großen Schwächen.

„Über-den-Tellerrand-Denken“ macht sich bezahlt

Sirianni blieb naturgemäß bescheiden und bedankte sich für seine Bestellung. „Das ist dieses Über-den-Tellerrand-Denken. Ich bin mir sicher, viele in der Stadt haben sich gefragt: Wen haben wir da geholt? Hat der überhaupt in Indy Spielzüge angesagt? Ich bin wirklich dankbar, dass mir diese Möglichkeit gegeben wurde“, erklärte der Coach, der selbst auf keine große aktive Karriere zurückblicken kann, aber seine Spieler nicht nur fachlich abholt, sondern ebenso ihre Sprache spricht. Auch so stellen die Eagles eine Einheit dar.

„Du brauchst jemanden, der mit den anderen Coaches und Spielern wirklich verbunden ist, und jeder im Haus ist das mit Nick“, sagte Eigentümer Jeffrey Lurie zuletzt gegenüber „Sports Illustrated“. „In der heutigen NFL musst du stark sein, aber auch jemand sein, der mit allen in einer Beziehung steht, bescheiden ist. Und er hat auch eine Gruppe von Spielern, die bescheiden, teamorientiert und selbstbewusst ist.“

Wiedersehen mit langjährigem Eagles-Coach

Nun bietet sich für Sirianni die Chance, bereits im zweiten Jahr als Head-Coach die Vince-Lombardi-Trophy in die Höhe zu stemmen. Auf der anderen Seite wartet bei den Kansas City Chiefs mit Andy Reid hingegen ein echtes Urgestein im Trainergeschäft der NFL. Der 64-Jährige coacht seit 1992 in der Liga und war von 1999 bis 2012 Cheftrainer bei den Philadelphia Eagles, die er 2005 auch in die Super Bowl geführt hatte. Kein anderer Coach hat mehr Spiele mit dem Team gewonnen, mit einem Sieg im Finale gilt Selbiges auch für die Chiefs.

Andy Reid (Kansas City Chiefs Coach)
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14 Saisonen coachte Andy Reid die Eagles, nun trifft er auf sie als Chiefs-Trainer

„Ich war 14 Jahre in Philadelphia, und es waren 14 großartige Jahre, ich habe jede Minute geliebt. Ich liebe Philadelphia, ich liebe die Stadt, ich bin überhaupt gesegnet, an phänomenalen Orten in der NFL arbeiten zu dürfen, ich liebe auch jede Minute in Kansas City“, sagte Reid, der nur einmal mit den Chiefs nicht im Play-off stand, zum dritten Mal in der Super Bowl mitwirkt und auf seinen zweiten Titel hofft.

Es ist bereits das fünfte Mal, dass ein Cheftrainer im Finale auf sein früheres Team trifft, zuletzt war das bei Pete Carroll (Seattle Seahawks) 2015 gegen die New England Patriots der Fall. Apropos Wiedersehen: Sirianni trifft auch auf sein früheres Team, war er doch in Kansas City bis 2012 Assistent. Als Reid bei den Chiefs anheuerte, musste Sirianni gehen, weil der neue starke Mann am Ruder diese Position schon besetzt hatte. Nun treffen sie sich auf der größten Bühne wieder.

Brüderliches Duell um Titel

Das wohl speziellste Wiedersehen in dieser Super Bowl haben aber die Gebrüder Kelce vor sich. Nicht nur kommt es zum ersten Duell zweier afroamerikanischer Spielmacher im „Big Game“, erstmals begegnen sich dort auch zwei Brüder. Wie die Quarterbacks stehen Jason Kelce als Center der Eagles und Travis Kelce als Tight End der Chiefs aber nie zeitgleich auf dem Feld, besonders wird es dennoch allemal. „Es ist ein spezieller Moment, an den wir uns für den Rest unseres Lebens erinnern werden“, erklärte der Starspieler der Kansas City Chiefs.

Jason Kelce, Donna Kelce und Travis Kelce
AP/Matt York
Zum ersten Mal stehen sich zwei Brüder in der Super Bowl gegenüber – Mama Donna Kelce steht schon als Siegerin fest

Beide haben schon einen Titel auf dem Konto, einer wird nun wieder vorlegen. „Er hat mehr Pro Bowls, wird in die Hall of Fame aufgenommen, ist wohl der beste Tight End aller Zeiten, er sieht besser aus und er kann besser tanzen“, sagte Jason Kelce: „Gib mir eine Sache, Trav: Lass mich mehr Super Bowls haben.“ Mit Mama Donna Kelce steht eine Siegerin schon fest, sie ist aktuell auch beliebte Interviewpartnerin. „Sie ist ein absoluter Superstar“, weiß Sohnemann Travis, der im Duell mit seinem Bruder mit 3:0 die Nase vorne hat.