Bernhard Raimann (Indianapolis Colts)
AP/David Zalubowski
NFL

Raimann als Lichtblick in chaotischer Saison

Am Sonntag wird in Glendale (Arizona) zwischen den Philadelphia Eagles und den Kansas City Chiefs der Gewinner der 57. Super Bowl ausgespielt. Die 103. Saison der National Football League (NFL) war aus österreichischer Sicht eine historische, denn mit Bernhard Raimann stand bei den Indianapolis Colts erstmals ein heimischer Spieler auf dem Feld, der nicht die Position des Kickers bekleidete. Der 25-Jährige war ein Lichtblick im chaotischen Jahr der Colts. Raimann ist auch das Vorbild für seinen Landsmann Bernhard Seikovits bei den Arizona Cardinals. Sandro Platzgummer hat sich indes aus New York verabschiedet.

Raimann, der von den Colts vergangenen April in der dritten Runde als insgesamt 77. Spieler im Draft ausgewählt worden war, begann die Saison zwar als Ersatzmann mit Kurzeinsätzen, erkämpfte sich aber mit Fortdauer der Saison einen Fixplatz in der Offensive Line der Indianapolis Colts. Ab dem neunten Spieltag gehörte der Wiener zur Stammformation der Colts. „Am Anfang tut man sich sehr schwer, sich an das Tempo zu gewöhnen“, wurde Raimann in der APA zitiert. „Man wird aber von Spiel zu Spiel besser und lernt von den Fehlern.“

Fortschritte zeigte Raimann vor allem in der zweiten Saisonhälfte, wo er unter den Rookies zu den besten Passblockern der Liga gehörte. Der 1,98-m-Hüne, der erst sein drittes Jahr überhaupt als Offensive Tackle hinter sich hat, traf dabei auf hochkarätige Defensivspezialisten. Das sei eine „Riesenlernerfahrung“ und ein „super Erfahrungswert“ gewesen, sagte er über Gegner wie Superstar Khalil Mack von den Los Angeles Chargers, die er noch in seiner Zeit in Österreich verfolgt hatte. „Das ist schon etwas richtig Cooles.“

Bernhard Raimann (Indianapolis Colts)
AP/Zach Bolinger
Raimanns Nummer 79 war ab dem neunten Spieltag in der Startformation der Colts gesetzt

Nun heißt es für Raimann, sich an die Techniken der Offensive Line weiter zu gewöhnen. „Dann fühlt man sich am Spielfeld noch wohler, was das Spiel auch verlangsamt und einfacher macht“, sagte er. In der Offseason bis September darf Raimann seine 137 kg weiter maximieren. „Die Hausaufgaben sind ziemlich leiwand. Wenn’s gut schmeckt, kann man mal mehr reinhauen“, sagte der österreichische Vorreiter.

Rochaden und katastrophale Bilanz

In seiner ersten Saison hatte Raimann mit den Colts aber vor allem viele Niederlagen zu verdauen. Darunter jene 36:39-Pleite in der Verlängerung bei den Minnesota Vikings, als Indianapolis einen 33-Punkte-Vorsprung noch aus der Hand gab und den Vikings ein Rekordcomeback ermöglichte. Mit einer Bilanz von vier Siegen, zwölf Niederlagen und einem Remis verpassten die Colts die angepeilten Play-offs deutlich. In den letzten sieben Saisonspielen gingen die Colts allesamt als Verlierer vom Platz.

Mit ein Grund für die schwache Saison waren schwere Turbulenzen auf der Trainerbank und auf der Position des Quarterback. Während der Saison wurde Head-Coach Frank Reich gefeuert, unter seinem Nachfolger Jeff Saturday, zwar lange Jahre Center der Colts, aber vor seiner Beförderung zum Trainer TV-Experte, gelang nur ein Sieg. Als Spielmacher wurden neben Matt Ryan auch Sam Ehlinger und Nick Foles eingesetzt. Als viertschlechtestes Team der Liga hat „Indy“ den vierten Pick in der alljährlichen Talenteziehung. Alle Zeichen deuten darauf hin, dass ein junger neuer Quarterback das Team anführen wird.

Coach Jeff Saturday
IMAGO/ZUMA Wire/John Mersits
Das Experiment mit Saturday (r.) brachte den Colts keinen Erfolg

„Wir haben sehr talentierte Quarterbacks, aber wenn das Team einen Schritt in die Zukunft gehen will und einen Quarterback draftet, ist es auch cool“, sagte Raimann, der sich auch auf einen neuen Cheftrainer einstellen wird müssen. „Mit einem Coaching-Wechsel weiß man umso weniger, was passieren wird. Ich habe mir eine Chance auf die Position erspielt. Aber das ist alles, was du in dieser Liga bekommst“, sagte er. Für seine zweite Spielzeit in der NFL hat sich Raimann ein klares Ziel gesteckt: „Ich will meine Starting Position halten und dem Team helfen, mehr Spiele zu gewinnen, um in die Play-offs zu kommen“ – und in weiterer Folge in die Super Bowl.

Seikovits hofft weiter auf Chance

An der Super Bowl ist Seikovits heuer zumindest geografisch bereits sehr nahe dran. Denn das Finale am 12. Februar geht in der Heimstätte der Arizona Cardinals, wo der Tight-End unter Vertrag steht, über die Bühne. Das erste große Ziel des Wieners ist aber weiterhin der erste Einsatz in einem Pflichtspiel für die Cardinals, die heuer so wie Indianapolis das Play-off klar verpassten. Heuer kam Seikovits in der Vorbereitung zwar zum Einsatz und fing dort auch Pässe, in der regulären Saison war der 25-Jährige aber nur Zuschauer.

Bernhard Seikovits (Arizona Cardinals)
AP/Ross D. Franklin
Seikovits versuchte heuer erneut vergeblich, die Coaches zu einer Chance in einem NFL-Spiel zu bewegen

„Natürlich hätte ich mir gerne mehr erwünscht. Aber das ist nicht meine Entscheidung, das kann ich nicht kontrollieren. Es liegt einfach an mir, ich muss besser sein als wer anderer“, sagte der Wiener, der 2017 gemeinsam mit Raimann bei den Vienna Vikings die Austrian Bowl gewonnen hatte und dank des International Pathway Program (IPP) den Sprung in die NFL schaffte. Im Jänner unterschrieb der 1,96-m-Hüne einen Future-Vertrag für eine weitere Spielzeit.

Platzgummer verabschiedet sich aus New York

Das dritte Jahr in der NFL soll für Seikovits besser laufen als jenes von Sandro Platzgummer bei den New York Giants, der als IPP-Spieler in drei Jahren keine Einsatzchance bekam und sich in den sozialen Netzwerken bereits von den Giants verabschiedet hat. „Ich schätze, ich bin jetzt offiziell mit diesem Kapitel fertig“, schrieb der Tiroler nach dem Play-off-Aus der Giants in Philadelphia. Ganz abhaken möchte der 25-Jährige den Traum von Einsätzen in der NFL aber offenkundig noch nicht. „Ich bin noch nicht bereit, das Buch zu schließen, weil ich weiß, dass noch zu viel Tinte für mindestens ein weiteres Kapitel übrig ist.“

Der Status als „International Player“ sei Segen und Fluch, erklärte Seikovits: „Man ist dadurch sicher in der NFL, diesen Luxus haben kaum andere Spieler.“ Für die Teams wäre der zusätzliche Reserveplatz im Kader ein Gewinn: „Das haben mir auch die Trainer gesagt: ‚Wir wissen, dass du gut bist, aber es wäre eigentlich blöd von uns, weil wir dann einen Spieler verlieren.‘ Das ist der Nachteil vom International Spot“, so Seikovits. Dass man es auf diesem Weg sogar auch als Starter in die Super Bowl schaffen kann, zeigt übrigens unterdessen der australische Tackle der Philadelphia Eagles, Jordan Mailata, vor.

Seikovits wirft die Flinte noch lange nicht ins Korn. „In der NFL zählt die Performance. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, wenn man seine Leistung bringt und wenn man besser ist als ein Amerikaner auf der gleichen Position, dann spielt man auch“, so der 25-Jährige. Nachdem die Cardinals nur vier Spiele gewannen und damit das drittschlechteste Team der Saison waren, sind General Manager Steve Keim und Head-Coach Kliff Kingsbury Geschichte. Den Trainerwechsel versucht der Österreicher als Chance zu sehen. „Das sind einfach neue Leute, die ich von mir überzeugen kann.“