Lewis Hamilton
Reuters/Peter Cziborra
Formel 1

Fahrer wehren sich gegen Maulkorberlass

Geht es nach dem Motorsportweltverband (FIA), dann sollen sich die Piloten künftig bei politischen Meinungsäußerungen noch mehr zurückhalten. Dafür hat die FIA Ende Dezember ihren Kurs verschärft. Im internationalen Sportreglement stellen seitdem „politische, religiöse und persönliche Äußerungen oder Kommentare“ einen Regelverstoß dar. Es sei denn, sie werden vorher genehmigt.

Laut FIA sind davon Aussagen oder Zeichen während der Siegerehrungen, der Fahrerparade oder auch während offizieller Pressekonferenzen betroffen, sofern die Piloten nicht auf die direkte Frage der Journalisten antworten. Der Dachverband begründet seine härtere Linie mit dem allgemeinen Grundsatz der Neutralität, dem die FIA als Mitglied der olympischen Familie unterliege. Hintergrund könnte aber auch sein, dass so manche Botschaft im Milliardengeschäft der Motorsportkönigsklasse Sponsoren und Veranstalter verärgern und damit das Geschäft schädigen könnte.

Lewis Hamilton und andere Fahrer kritisierten den Kurs des Weltverbandes scharf. „Nichts wird mich davon abhalten, mich zu den Dingen zu äußern, die mir am Herzen liegen, und zu den Themen, die es gibt“, erklärte der Rekordweltmeister aus England. „Der Sport hat nach wie vor die Verantwortung, sich zu Wort zu melden und das Bewusstsein für wichtige Themen zu schärfen, vor allem, wenn wir an all diese verschiedenen Orte reisen. Für mich ändert sich also nichts.“

„Das ist Teil der Redefreiheit“

Hamiltons Mercedes-Teamkollege George Russell, gleichzeitig auch Vorstand der Formel-1-Fahrervereinigung GPDA, wehrte sich ebenfalls. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie einen von uns in seinen Ansichten einschränken wollen. Das ist Teil der Redefreiheit. Wir haben das Recht, unsere Ansichten über jede beliebige Plattform zu verbreiten, die wir wollen“, sagte Russell. Er wisse nicht, warum die FIA „eine solche Haltung“ eingenommen habe. „Ich denke, das ist völlig unnötig in diesem Sport und in der Welt, in der wir derzeit leben.“

George Russel
IMAGO/HochZwei
Auch Russell macht keinen Hehl aus seinen Gedanken

McLaren-Fahrer Lando Norris fühlte sich gegängelt. „Wir sind nicht in der Schule. Wir sollten nicht nach allem fragen müssen: ‚Können wir dies tun? Können wir das tun?‘“, ärgerte sich der Brite. „Wir sind erwachsen genug, um kluge Entscheidungen zu treffen.“

Keine T-Shirts mit politischer Botschaft

Hamilton und der Deutsche Sebastian Vettel, der Ende vergangener Saison zurücktrat, hatten zuletzt mit ihren politischen Statements immer wieder für Aufsehen gesorgt. Hamilton hatte 2020 nach seinem Sieg in Mugello ein T-Shirt mit der Aufschrift „Verhaftet die Polizisten, die Breonna Taylor getötet haben“ getragen. Damit erinnerte er an die schwarze US-Amerikanerin, die Monate zuvor bei einem Einsatz in ihrem Haus von Polizisten erschossen worden war. Die FIA untersagte daraufhin das sichtbare Tragen von T-Shirts auf dem Siegerpodium.

Lewis Hamilton in Mugello 2020
IMAGO/Motorsport Images/Charles Coates
Bilder wie dieses will die FIA in Zukunft nicht mehr sehen

Politische Botschaften auf der Rennstrecke sind von der Regelbehörde im Grundsatz untersagt. Allerdings hat der Verband seit Anfang 2020 auch auf Betreiben der Fahrer Gesten zur Unterstützung des Kampfs gegen Rassismus gestattet. Die FIA treibt seitdem auch selbst die Kampagne „We Race as One“ voran, um Ungleichheiten zu bekämpfen und die Nachhaltigkeit zu verbessern.

„Sprachrohr für Probleme auf der ganzen Welt“

„Wir wissen, dass Politik und Haltung sensible Bereiche sind, aber wir brauchen Klarheit von der FIA über das, was sie uns zu sagen versucht“, sagte Williams-Pilot Alex Albon. „Viele Leute sehen uns als Sprachrohr für Probleme auf der ganzen Welt. Ich denke, es ist die Verantwortung der Fahrer, die Leute auf diese Situationen aufmerksam zu machen.“

In einem längeren Katalog nennt die FIA eine Reihe von Beispielen für Themen möglicher verbotener Botschaften, Gesten oder Symbole. Äußerungen zu Parteien und Organisationen sind danach ebenso unerwünscht wie Aussagen zu militärischen Konflikten oder zur Unterdrückung von Minderheiten. Vom Verbot religiöser Botschaften sind das Bekreuzigen und ein Fingerzeig zum Himmel ausgenommen.

Der Strafenkatalog reicht von einer Verwarnung über eine Geldstrafe, die Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit, über Strafrunden bis hin zum Rennausschluss. „Es wäre dumm zu sagen, dass ich Strafpunkte bekommen möchte, weil ich mich zu bestimmten Themen äußere“, sagte Hamilton. „Aber ich werde weiter meine Meinung sagen.“