Stefan Kraft (AUT)
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Skispringen

Kraft kritisiert nach Windlotterie Jury

Die Hoffnung von Stefan Kraft, sich zum dritten Mal insgesamt und zum zweiten Mal in Folge den Siegerscheck der Raw-Air-Tour einzustecken, hat am Donnerstag im zweiten Springen von Lillehammer einen schweren Dämpfer erlitten. Der Salzburger, zur Halbzeit als Dritter noch voll im Geschäft, musste in der Entscheidung im Gegensatz zur Konkurrenz bei starkem Rückenwind über den Lysgardsbakken und war chancenlos. „Ich fühle mich ein bisschen verarscht“, war Kraft im ORF-Interview auf die Jury sauer.

Vor vier Tagen war Kraft am Holmenkollen in Oslo noch der gefeierte Sieger, vor zwei Tagen lachte der Salzburger als Zweiter beim ersten Lillehammer-Springen ebenfalls noch mit Gewinner Halvor Egner Granerud gemeinsam vom Podest. Am Donnerstag stand Kraft hingegen die Zornesröte im Gesicht, nachdem er in der Entscheidung bei kräftigem Rückenwind abgelassen wurde und bei 113,0 Metern landete. Mit der fünftschlechtesten Weite im zweiten Durchgang fiel der 29-Jährige auf den achten Rang zurück – und verlor vor allem in der Raw-Air-Wertung auf Granerud gehörig an Boden.

„Da kann ich gleich mit dem Lift runterfahren. Sinnlos. Es geht um so viel, dann schicken sie dich runter“, meinte Kraft in Richtung Jury. Der Blick auf die Windpunkte macht den Frust des Salzburgers deutlich: Während etwa der Deutsche Markus Eisenbichler bei der Einstellung des Schanzenrekordes von 146,0 m derartigen Aufwind hatte, dass ihm 11,0 Windpunkte abgezogen wurden, bekam Kraft aufgrund des Rückenwindes bei seinem Sprung 10,4 Zähler dazu gerechnet. Auch der polnische Sieger Dawid Kubacki bekam zwei Punkte aufgrund des Aufwindes abgezogen.

Kraft verliert an Boden

Der Salzburger musste im zweiten Durchgang des zweiten Springens von Lillehammer im Gegensatz zur Konkurrenz bei Rückenwind über den Bakken und fiel damit auf Rang acht zurück.

Erinnerungen an Neujahr

Da nach Eisenbichlers Sprung auch noch verkürzt wurde, setzte aus Sicht von Kraft der Entscheidung, ihn bei Rückenwind abzulassen, noch die Krone auf. „Eine Luke heruntergehen, dann noch plus zehn Wind – ich bin noch nie so durchgefallen bei einem Sprung“, sagte der ehemalige Weltmeister, „wenn es so turbulent zugeht, dann kann man auch einmal kurz warten, aber wenn du bei plus zehn Wind heruntergeschickt wirst, dann ist das einfach Verarschung. Wenn man sich da nicht aufregen soll, wann dann. Es zipft mich gerade richtig an, aber es hilft nichts.“

Kraft fühlte sich zum zweiten Mal in diesem Jahr in einem entscheidenden Springen in Sachen Wind benachteiligt. „Es ist nicht das erste Mal, auch in Garmisch, wo es um die Tournee gegangen ist, war es so“, sagte Kraft mit Hinweis auf das Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen. Damals wurde Kraft im ersten Durchgang bei kurzzeitig aufgekommenem, starkem Seitenwind abgelassen und war damit bereits zur Halbzeit aus dem Rennen. „Manchmal hat man Glück, manchmal Pech“, hatte Kraft seinen Ärger über die Entscheidung der Jury damals noch runtergeschluckt.

Widhölzl sieht falsche Prioritäten

Unterstützung erhielt Kraft nicht nur vom Tagesdritten Daniel Tschofenig („Es tut mir leid für ihn“), sondern vor allem auch von Cheftrainer Andreas Widhölzl. „Das mit Krafti zipft mich voll an, das ist nicht verständlich“, sagte der Tiroler im ORF-Interview. Aus seiner Sicht sei Kraft zugunsten eines schnellen Ablaufs und der Zufriedenheit des TV-Publikums „geopfert“ worden: „Er hatte keine Chance. Die Jury hatte da auch kein Feingefühl.“

Kritik nach Kraft-Rückfall

Auch ÖSV-Skisprungtrainer Andreas Widhölzl hat nach dem windbedingten Rückfall von Stefan Kraft im zweiten Durchgang des Springens in Lillehammer nicht mit Kritik an der Jury gespart.

Widhölzl forderte die Verantwortlichen auch unverblümt nach Vorbild eines legendären Interviews der deutschen Torhüterlegende Oliver Kahn dazu auf, „die Eier in die Hand zu nehmen“. Die Sicherheit der Athleten müsse oberste Priorität haben, dann kämen Fairness und dann erst das Fernsehen, so der ÖSV-Cheftrainer. „Im Moment hat man das Gefühl, dass Fernsehen im Vordergrund steht, und wir pressen alles durch, egal was dabei rauskommt.“ Das sei aus Sicht der Aktiven und der Trainer „nie cool“, so Widhölzl, der auch ankündigte, sein Anliegen noch einmal bei der FIS zu deponieren.

Skifliegen als letzter Strohhalm

So wie am Neujahrstag der Traum vom Tournee-Sieg löste sich nun auch die Hoffnung auf die Titelverteidigung bei der Raw Air und den insgesamt dritten Gewinn der lukrativen Tour nach 2017 und 2022 fast schon in Luft auf. Vor den abschließenden beiden Skifliegen in Vikersund am Samstag (16.30 Uhr) und Sonntag (16.00 Uhr, jeweils live in ORF1) hat Kraft 38 Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Granerud.

Immerhin fand Renndirektor Sandro Pertile entschuldigende Worte. „Es ist nicht schön für uns, Kraft ist einer unserer besten Athleten. Aber das ist passiert, wir können die Zeit nicht stoppen“, sagte der Italiener. Das Wichtigste sei, dass Kraft in Vikersund gleich wieder eine Chance habe. Die erste davon, wieder Boden gutzumachen, hat der Salzburger in der Quali am Freitag (16.50 Uhr, live in ORF1). Trotz der Ausgangslage gab sich Kraft kämpferisch: „Skifliegen ist das, was ich am liebsten tue.“ Beweis: sein vor sechs Jahren in Vikersund aufgestellter Weltrekord von 253,5 Metern.