Wimbledon lässt Russen unter Auflagen wieder zu

Das Grand-Slam-Turnier in Wimbledon lässt die Teilnahme von Spielerinnen und Spielern aus Russland und Belarus mit Auflagen wieder zu. Im Vorjahr waren Daniil Medwedew und Co. aufgrund des Angriffskrieges auf die Ukraine in London nicht teilnahmeberechtigt gewesen. Im heurigen Juli dürfen Russen und Belarussen unter neutraler Flagge antreten. Dieser Weg wird im Tennis im Gegensatz zu vielen anderen Sportarten von allen anderen Majors sowie ATP und WTA bereits seit Kriegsbeginn beschritten.

Britischer Verband beugt sich Druck von ATP und WTA

Die Rückkehr auf den „heiligen Rasen“ ist keineswegs eine Entscheidung aus Überzeugung. Man sei nach wie vor der festen Meinung, dass ein Ausschluss „der richtige Kurs war“, teilte der britische Tennisverband (LTA) am Freitag in einer Stellungnahme mit. Letztlich hat man sich dem großen Druck der Spielervereinigungen ATP und WTA gebeugt.

„Erhebliche Strafen“ inklusive der „realen Aussicht auf eine Beendigung unserer Mitgliedschaft“ im Falle eines erneuten Startverbots hätten dem Veranstalter fast keine andere Wahl gelassen.

Und so teilten die Organisatoren des einzigen Major-Turniers auf Rasen am Freitag mit, dass sie die Tore im All England Lawn Tennis and Croquet Club für russische und belarussische Spieler von 3. bis 16. Juli in London wieder öffnen werden. „Sofern sie als ‚neutrale‘ Athleten antreten und die entsprechenden Bedingungen erfüllen“, wie der Wimbledon-Veranstalter einschränkte.

Neutralitätserklärung erforderlich

Der Verzicht auf die Landesflagge ist dabei nur ein Punkt. Die Spieler und Spielerinnen dürfen auch keine Unterstützungsbekundungen für die Invasion Russlands in der Ukraine von sich geben und im Zusammenhang mit der Turnierteilnahme keine finanziellen Mittel vom Staat erhalten. Das betrifft auch das Sponsoring von Staatsunternehmen wie Gasprom.

Die Starter müssen laut LTA eine entsprechende Neutralitätserklärung unterschreiben. Die Bedingungen seien nach einem Austausch mit der britischen Regierung, der LTA und internationalen Interessenverbänden im Tennis herausgearbeitet worden.

Kritik aus der Ukraine

Mit ihrer Entscheidung haben die Organisatoren prompt politischen Protest aus der Ukraine ausgelöst. Außenminister Dmytro Kuleba kritisierte sie via Twitter als „unmoralisch“. „Hat Russland seine Aggression oder seine Gräuel eingestellt?“, schrieb Koleba. „Nein, nur Wimbledon hat beschlossen, zwei verbrecherischen Komplizen nachzugeben.“ Er forderte die britische Regierung auf, Spielern aus diesen beiden Ländern keine Visa zu erteilen.

Im Vorjahr waren Athleten aus Russland und Belarus wie der Weltranglistenfünfte Medwedew nicht zugelassen, was sich gegen den grundsätzlichen Kurs von ATP und WTA richtete. Deswegen waren in Wimbledon auch keine Punkte für die Weltranglisten vergeben worden. Bei den Australian Open, French Open und US Open hatten Profis aus beiden Ländern als neutrale Athleten nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine starten dürfen.

Das Ablegen der Sonderrolle sei auch ein Grund für die Entscheidung gewesen, teilten die Organisatoren mit: „Wir halten auch die Angleichung zwischen den Grand Slams im aktuellen Tennisumfeld für immer wichtiger.“ Ian Hewitt, der Vorsitzende des All England Club, betonte jedoch: Man verurteile die illegale Invasion Russlands nach wie vor „aufs Schärfste“ und unterstütze die Ukrainer „von ganzem Herzen“. Es sei eine „unglaublich schwierige Entscheidung“ gewesen, die man „nicht leichtfertig oder nicht ohne große Rücksicht auf die Betroffenen“ gefällt habe.

ATP und WTA: „Äußerst schwierige Situation“

Die ATP und die WTA reagierten in einer Stellungnahme erfreut, sie wiesen aber auch auf die weiterhin „äußerst schwierige Situation“ hin. Diese hat sich seit Donnerstagabend nochmals verschärft: Das Ministerkabinett der Ukraine wies die Athleten des Landes offiziell an, Wettbewerbe zu boykottieren, an denen Russen und Belarussen teilnehmen. Sollten Sportler dennoch bei jenen Events starten, könne das dazu führen, dass den jeweiligen Verbänden der nationale Status aberkannt werde.

Das ist eine Reaktion auf Empfehlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) am Dienstag, Sportler aus Russland und Belarus als neutrale Teilnehmer an Wettkämpfen zuzulassen. Findet Wimbledon also mit Russen und Belarussen, dafür aber ohne Ukrainer statt? In jedem Fall ist das Thema mit der Entscheidung von Freitag nicht beendet, zumal sich die Veranstalter die Option zur Anpassung offen hielten, sollten sich die Umstände bis zum Turnierstart „wesentlich ändern“.