Thomas Müller (Bayern)
Reuters/Benjamin Westhoff
Fußball

Kahlschlag trübt Bayerns Meisterfeier

Das Chaos dieser Saison hat sich bei Bayern München auch nach dem Happy End im Titelkrimi der deutschen Bundesliga fortgesetzt. Während die Spieler nach dem 2:1-Sieg beim 1. FC Köln über die elfte Meisterschaft hintereinander jubelten, machte das Aus der beiden Vorstände Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic die Runde. „Da wirst du ja verrückt. Da geht es einem kalt den Rücken runter“, sagte Thomas Müller zur Entscheidung, die teils fassungsloses Staunen hinterließ.

Die emotionalste deutsche Meisterschaft seit Jahren erhielt jedenfalls einen sehr schalen Beigeschmack. Kurz nachdem der verletzte Bayern-Kapitän Manuel Neuer die Kopie der Meisterschale erhalten hatte, meldete sich der entthronte Vorstandschef Kahn bei Twitter zu Wort und erklärte, ihm sei die Reise nach Köln „vom Club“ untersagt worden. Der „Bild“-Zeitung sagte der Ex-Nationaltorwart zudem, das gelte auch für den „Besuch der Meisterfeier“. Und bei Sky 90 erklärte er gar: „Das war der schlimmste Tag meines Lebens, es mir zu nehmen, mit den Jungs zu feiern.“

Salihamidzic wirkte eher erleichtert als enttäuscht. Er hatte nach dem späten Siegestor durch den erst vier Minuten zuvor eingewechselten Jungstar Jamal Musiala (89.) ausgelassen mitgefeiert – nach dem Abpfiff auch auf dem Rasen mit den Spielern. „Ich akzeptiere das natürlich. Ich hätte gerne weitergemacht, weil ich mit dieser Mannschaft unbedingt noch mal die Champions League gewinnen wollte“, sagte er. Für ihn sei es „emotional keine einfache Situation“. Er wolle aber „der Freund des FC Bayern bleiben. Ich möchte einen schönen Abschied haben, weil das so gehört.“

Bayern gewinnt deutschen Titelkrimi

Bayern München hat den Titelkrimi in der deutschen Bundesliga für sich entschieden und den elften Meistertitel in Folge gewonnen. Der deutsche Rekordmeister setzte sich am letzten Spieltag durch ein spätes Tor von Jamal Musiala (89. Minute) mit 2:1 (1:0) in Köln durch und zog damit am letzten Spieltag noch an Borussia Dortmund vorbei, weil der BVB daheim nur 2:2 (0:2) gegen Mainz spielte.

Rummenigge vor Rückkehr in Vorstand

In einer Pressemitteilung äußerte sich Clubpräsident Herbert Hainer zu Kahn: „Die Entscheidung, sich von Oliver Kahn zu trennen, hat sich der Aufsichtsrat alles andere als leicht gemacht. Dennoch sind wir aufgrund der Gesamtentwicklung zu dem Entschluss gekommen, eine Neubesetzung an der Spitze des Vorstands vorzunehmen.“ Kahn werde „immer eine große Persönlichkeit des FC Bayern bleiben“. Die Trennung sei jedoch „nicht einvernehmlich“ über die Bühne gegangen, erklärte der 68-Jährige am Sonntag in München über das entscheidende Gespräch mit Kahn am vergangenen Donnerstag.

„Das war sehr emotional, und wir konnten uns am Ende des Tages mit Oliver nicht einigen“, sagte Hainer. Dann habe am Freitagabend der Aufsichtsrat des Rekordmeisters getagt „und die Abberufung von Oliver Kahn beschlossen“. Kahn widersprach kurz zuvor Berichten, laut denen er die Nachricht über seinen erzwungenen Abschied höchst emotional aufgenommen haben soll. Er habe am Telefon mit Hainer „ein ruhiges und sachliches Gespräch“ geführt und sich „lediglich über diesen Aktionismus gewundert, warum diese Entscheidung nun vorgezogen wurde“.

Oliver Kahn
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Besonders der Umgang mit Ex- Vorstandschef Kahn sorgte für viel Kopfschütteln

Kahns Nachfolger wird der bisherige Finanzvorstand Jan-Christian Dreesen, ein neuer Sportvorstand wird noch gesucht. Vereinschef Hainer bestätigte am Sonntag, dass auch Karl-Heinz Rummenigge nach München zurückkehren wird. Er werde das Aufrücken des 67-Jährigen in das Kontrollgremium am Dienstag der Gesellschafterversammlung vorschlagen. Rummenigge war ab 2002 für 19 Jahre Bayern-Vorstandschef und führte den Club gemeinsam mit Uli Hoeneß zu zahlreichen Erfolgen. Vor zwei Jahren hatte er an der Spitze des Vorstands für Kahn Platz gemacht.

„Niederlage für den ganzen Verein“

Zeitpunkt und Art und Weise des Kahlschlags in der Führungsetage riefen aber viel Kopfschütteln hervor. „Ich habe gehört von Kahn, dass er nicht kommen durfte. Das ist jetzt nicht meine Baustelle, aber es gibt mittlerweile schon ein Bild ab, das ein bisschen bedenklich ist“, sagte der ehemalige Bayern-Star Toni Kroos dem Portal „Real total“. Der Mittelfeldspieler von Real Madrid zeigte sich auch verwundert über die Kommunikation der Münchner. „Das dann heute an so einem Tag zu bestätigen. Offiziell vorher zu sagen, er ist krank. Dann: Nein, ist er nicht, er durfte nicht kommen. Mehr habe ich bisher auch nicht gehört, aber ich glaube dem Olli mal.“

Hasan Salihamidzic
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Der Rauswurf von Kahn und Salihamidzic ist für einige Beobachter eine „Niederlage für den ganzen Verein“

Auch der frühere DFB-Nationalstürmer Sandro Wagner sieht in dem Aus von Kahn und Salihamidzic beim FC Bayern München eine „Niederlage für den ganzen Verein“. „Irre. Mir fehlen wirklich die Worte. Art und Weise, Zeitpunkt“, sagte der 35-jährige Ex-Bayer im „Aktuellen Sportstudio“ des ZDF über die Entscheidung. Aus Sicht von Wagner war der Übergang von den langjährigen Bayern-Bossen Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß zu Kahn und Salihamidzic „eigentlich perfekt“. Dass es nun mit dem neuen Führungsduo nicht langfristig funktioniert habe, sei für alle „unschön. Da sitzt ja auch keiner zu Hause und freut sich.“

Die „verrückteste“ Meisterschaft

Der nun zwölffache deutsche Meister Müller sprach zwar nicht von seiner emotionalsten, aber wohl „verrücktesten“ Meisterschaft. Als Hainer in der Kabine die Trennung von Kahn und Salihamidzic verkündete, „waren wir im Siegestaumel und hatten alle vielleicht schon den ein oder anderen Schluck vom Zielwasser“, sagte Müller, der das Aus der beiden Bosse bedauerte, „aber der Verein hat eben das Gefühl gehabt, dass sie da was tun müssen“. Die Saison wollte Müller auch gar nicht schönreden. „Das war schon totales Chaos“, sagte er: „Wenn das ein Film gewesen wäre, würden ihn auf jeden Fall viele Leute anschauen und würden dann sagen: Also langweilig war er nicht.“

Müller verspürte aber auch ein wenig Mitleid mit Konkurrent Borussia Dortmund. „Ich entschuldige mich auf keinen Fall dafür, dass wir Meister geworden sind und dass wir uns darüber freuen“, sagte er, „aber wenn man an die anderen denkt, und die Perspektive mal wechseln können, tut es mir schon leid. Auch wenn sie es vielleicht gar nicht hören wollen oder gar nicht gebrauchen können. Ich will mich da auch gar nicht unbedingt als großherzig oder sonst was hinstellen, aber das ist schon hart.“

Bayern-Coach Tuchel sichtlich gezeichnet

Extrem nachdenklich wirkte Coach Thomas Tuchel nach der Demission von Kahn und Salihamidzic, die ihn vor rund zwei Monaten als Ersatz von Julian Nagelsmann verpflichtet hatten. „Die beiden waren maßgeblich verantwortlich, dass wir gemeinsam auf die Reise gegangen sind. Deswegen muss ich es jetzt auch erst verarbeiten“, sagte Tuchel: „Statt zu feiern haben wir jetzt das nächste Thema.“ Die Freude hatte es schwer, bei ihm durchzudringen. „Ich hätte mich deutlich verantwortlicher für einen Misserfolg gefühlt, als ich mich nun verantwortlich für den Erfolg fühle“, sagte er: „Das ist einfach so. Ich bin froh, dass wir das abwenden konnten alle miteinander.“

Bei seinem Amtsantritt habe er nicht mit solch einer Entwicklung gerechnet. „Absolut nicht. Ich habe es mir nicht so vorgestellt und auch nicht gewünscht“, sagte Tuchel: „Obwohl wir jetzt ein Happy End haben. Das wird unsere Saisonanalyse nicht mehr schönfärben. Es wird es einfacher machen. Trotzdem war das keine Saison, bei der wir am Ende sagen können: Alles gut, machen wir die Augen zu, es wird schon alles besser werden. Das ist keine Saison, mit der wir zufrieden sein dürfen.“

Deutsche Bundesliga, 34. Runde

Samstag:

Köln – Bayern München 1:2 (0:1)

Tore: Coman (8.), Musiala (89.) bzw. Ljubicic (81./Elfmeter)

Köln: Kainz bis 62. Minute, Ljubicic bis 81. Minute

Dortmund – Mainz 2:2 (0:2)

Tore: Guerreiro (69.), Süle (96.) bzw. Hanche-Olsen (15.), Onisiwo (24.)

Mainz: Onisiwo bis 91. Minute, Mustapha ab 91. Minute

Union Berlin – Bremen 1:0 (0:0)

Tor: Khedira (81.)

Union: Trimmel bis 78. Minute
Bremen: mit Friedl und Schmid

Mönchengladbach – Augsburg 2:0 (2:0)

Tore: Netz (4.), Hofmann (40.)

Rote Karte: Gumny (45.+3)

Frankfurt – Freiburg 2:1 (0:1)

Tore: Kolo Muani (83.), Dina Ebimbe (91.) bzw. Grifo (45.)

Frankfurt: Trainer Glasner
Freiburg: Lienhart bis 73. Minute,
Gregoritsch ab 81. Minute

Leipzig – Schalke 4:2 (2:1)

Tore: Laimer (10.), Nkunku (19.,94.), Poulsen (83.) bzw. Kaminski (28.)

Leipzig: Schlager ab 61. Minute, Laimer bis 61. Minute
Schalke: Greiml Ersatz

Stuttgart – Hoffenheim 1:1 (0:0)

Tore: Tomas (80.) bzw. Bebou (75.)

Hoffenheim: Baumgartner bis 57. Minute

Bochum – Leverkusen 3:0 (2:0)

Tore: Förster (19.), Asano (34.), Stöger (86.)

Rote Karte: Adli (8.)

Bochum: Stöger bis 89. Minute

Leverkusen: Pentz Ersatz

Wolfsburg – Hertha BSC 1:2 (1:0)

Tore: Kaminski (2.) bzw. Maza (55.), Richter (68.)

Tabelle: