Julian Nagelsmann
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Fußball

Ungewohnte Rolle für Deutschland in Wien

Wenn der vierfache Weltmeister Deutschland für ein Testspiel in Österreich gastiert, sind die Rollen üblicherweise klar verteilt. Doch sieben Monate vor der Heim-EM ist das DFB-Team noch auf der Suche nach sich selbst und steht nach einer 2:3-Niederlage zuletzt gegen die Türkei wieder unter Druck. Für den Gegner am Dienstag (20.45 Uhr, live in ORF1, Übertragungsbeginn ist 20.15 Uhr) hat Trainer Julian Nagelsmann viele lobende Worte übrig.

Nach dem ernüchternden 2:3 in Berlin gegen die Türken ist der emotionale Test für Deutschland die letzte Chance, doch noch mit einem halbwegs guten Gefühl ins Jahr der Heim-EM zu gehen. Danach folgen vier lange Monate Länderspielpause. „Gewinnen wollen wir, das wär ganz gut. Das ist das Hauptziel“, meinte Nagelsmann. „Es geht darum, dass wir überzeugt sind von dem Weg, den wir gehen.“

Während das Umfeld in Österreich nach der souveränen EM-Quali ruhig ist, muss Nagelsmann die Unruhe abhandeln. „Wir müssen uns den Flow erarbeiten und dürfen nicht in die Opferrolle kommen, dann wird sich das Blatt wieder wenden“, sagte der Bundestrainer.

Nagelsmann zollt ÖFB-Team Respekt

Vor dem Testspiel hat Deutschland sein Abschlusstraining absolviert. DFB-Coach Julian Nagelsmann zeigt bei der Pressekonferenz im Vorfeld viel Respekt vor dem österreichischen Nationalteam und seinem ehemaligen Förderer Ralf Rangnick.

Über die Wahrnehmung von außen sagte er: Negativität, Pessimismus und „alles in Schutt und Asche zu legen“ sei keine Art. Aber nach dem Österreich-Spiel warten lange vier Monate bis zum nächsten Match: „Mich wurmt mehr die Pause an als die öffentliche Wahrnehmung“, sagte Nagelsmann. Sein Team nimmt er dennoch in die Pflicht. „Es ist keiner gesetzt, und jeder ist eingeladen, sein Bestes zu geben“, so Nagelsmann. Die klare Botschaft: Nachlassen darf jetzt keiner.

Er erwartet eine schwierige Aufgabe. „Sie haben eine sehr gute Quali gespielt mit vielen Siegen, vielen Punkten. Demnach ist es ein sehr, sehr starker Gegner“, sagte Nagelsmann. Es sei die Lücke zwischen deutschem und österreichischem Team kleiner geworden. „Da kann man aus deutscher, pessimistischer Sicht sagen: Sind wir schuld, dass Deutschland schlechter geworden ist? Oder ist Österreich einfach auch deutlich besser geworden?“, fragte Nagelsmann am Montagnachmittag bei der Pressekonferenz im Ernst-Happel-Stadion.

Lob für Österreich

„Ich sage eher, dass Österreich deutlich besser geworden ist in vielen Bereichen und sich an europäische Topteams herangeschlichen hat.“ Die Rollenverteilung vor dem Match wollte der 36-jährige Startrainer nicht bewerten. „Mit Favorit oder Nichtfavorit halte ich es wie immer. Es ist relativ egal, am Ende zählt die tatsächliche Leistung am Feld.“

Dass viele Österreicher die Red-Bull-Schule durchlaufen haben, sehe man. „Es ist eine Mannschaft, die sehr aggressiv verteidigt, die gut und aggressiv auf den zweiten Ball geht“, so Nagelsmann. Österreich stelle auch eine Mannschaft mit Spielern, „die Champions League spielen und mit der nötigen Erfahrung ausgestattet sind“. Zudem gebe es mit Ralf Rangnick einen Trainer „mit einer klaren Idee, die er verfolgt“.

Wiedersehen mit Rangnick

Er freue sich auf das Wiedersehen mit dem ÖFB-Teamchef, betonte Nagelsmann. „Ich weiß, dass er unglaublich ehrgeizig ist und gegen uns sehr gern gewinnen will. Das Gleiche gilt für uns. Es wird also ein sehr spannendes Duell, das nicht Ralf gegen Julian heißt, aber wir werden beide dabei sein, wenn nichts Außergewöhnliches passiert.“

Mit dem ÖFB-Coach, der als sein Förderer und Lehrmeister gilt, verbinde ihn nach wie vor ein sehr gutes Verhältnis, erklärte der frühere Leipzig- und FC-Bayern-Trainer. „Ralf ist einer, der immer Vertrauen in mich hatte. Der auch sehr viel mit mir gesprochen hat, wo ich noch gar nicht Angestellter bei den Clubs war, wo er war.“ Rangnick sei ein Mensch, der junge Spieler fordere und fördere. „Dasselbe hat er mit mir gemacht als Trainer. Ich habe ihm viel zu verdanken.“

Mit Rangnick eine ihn etwa, „dass wir manchmal nen Tick zu ehrlich sind in der Analyse“. Er freue sich, so Nagelsmann, dass Rangnick nun wieder einen sehr interessanten Trainerjob habe. „Er hat schon viele Funktionen im Fußball gehabt, ich glaube, innerlich ist das Trainersein das, was ihm am meisten gefällt und das meiste in ihm auslöst.“