Jubel der Judokin Michaela Polleres
APA/Georg Hochmuth
Rückblick

Lichtgestalten prägen österreichische Bilanz

Auch wenn viele im Vorfeld eine Absage der Olympischen Spiele von Tokio befürwortet hatten, aus österreichischer Sicht hätte diese Maßnahme die heimischen Sportfans um erfolgreiche 16 Tage gebracht. Mit insgesamt sieben Medaillen brachte das österreichische Team aus der japanischen Hauptstadt so viele wie zuletzt 2004 aus Athen mit nach Hause. Anders als 2012 in London und vier Jahre danach in Rio de Janeiro gab es deutlich weniger sportlichen Schatten, was vor allem an den sieben heimischen Lichtgestalten lag.

In der Geschichte olympischer Sommerspiele war die Ausbeute von sieben Medaillen der Gesamtzahl nach die zweitbeste nach den Spielen 1936 in Berlin, als Österreich 13-mal Edelmetall gewann. Gemessen an der Anzahl der Bewerbe ist die Ausbeute mit einem Prozentsatz von 2,1 die dritthöchste nach den Spielen 1968 in Mexiko und jenen vor 17 Jahren in Athen. Vor allem nach dem „Salto Nullo“ von London und einer Bronzemedaille in Rio war die Bilanz von einer Goldenen, einer Silbermedaille und fünfmal Bronze diesmal Balsam auf die geschundene österreichische Sommersportseele.

„Zwei Spiele haben wir mangels sportlicher Erfolge eine Medaillenfeier ausgelassen. Jetzt darf endlich wieder gefeiert werden – unter Einhaltung aller Covid-19-Maßnahmen, das versteht sich von selbst. Wir sind richtig stolz auf unser Olympiateam“, sagte der Präsident des Österreichischen Olympischen Comites (ÖOC), Karl Stoss, und spielte auf den Olympiaempfang in der Hofburg bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Dienstag (18.20 Uhr, live ORF1) an. Der Oberbefehlshaber des Bundesheeres darf dabei insgesamt sechs erfolgreiche Heeressportler begrüßen. Denn außer Radolympiasiegerin Anna Kiesenhofer sind alle Medaillengewinnerinnen und -gewinner Teil der Heeresportzentren.

Sieben Medaillen für Österreich

Sieben Medaillen hat Österreich bisher gewonnen, eine Gold-, eine Silber- und fünf Bronzemedaillen.

Im Medaillenspiegel belegte Österreich am Ende Platz 53. 2004 in Athen wog die Ausbeute mengenmäßig gleich, strahlte aber inhaltlich im Vergleich zu 1/1/5 mit 2/4/1 mehr. Gemessen nach der Anzahl an Gold, Silber und Bronze waren es die achterfolgreichsten Sommerspiele der Geschichte, voran liegt unangefochten Berlin 1936 mit 4/6/3. Erweitert wurde die Liste jener Sportarten, in denen Österreich erfolgreich war, um Karate und Klettern mit jeweils Bronze. Man hält bei insgesamt 21-mal Gold, 35-mal Silber und 41-mal Bronze, sprich gesamt bei 97. Der „Hunderter“ ist in drei Jahren in Paris das erklärte Ziel.

Kiesenhofer überstrahlt alles

Die 91. Medaille der österreichischen Geschichte war jene, die hierzulande und auch international am meisten für Furore sorgte. Anna Kiesenhofers Husarenritt im Radstraßenrennen zu einem Start-Ziel-Sieg löste vorzeitig den Knopf beim österreichischen Team und machte die studierte Mathematikerin, die von den Favoritinnen keine auf der Rechnung hatte, mit einem Schlag weltberühmt. Kiesenhofer führte eine starke weibliche Abordnung, die mit 39:36 im Team erstmals in der Überzahl war, an: Vier der sieben Medaillen gingen auf das Konto heimischer Sportlerinnen.

Die 30-jährige Niederösterreicherin sorgte zudem für das erste Radsportolympiagold seit Adolf Schmal bei den ersten Spielen der Neuzeit 1896 in Athen und bescherte Österreich damit auch einen Auftakt nach Maß und nahm nach den durchwachsenen Spielen von London und Rio vorzeitig viel Druck von der Mannschaft. In Zeiten, wo mit dem Ferry-Dusika-Stadion in Wien ausgerechnet die einzige Radbahn Österreichs der Abrissbirne zum Opfer fällt, sprach nicht nur Kiesenhofer von einer „irrsinnigen Genugtuung“, dass ausgerechnet eine Radfahrerin für das erste österreichische olympische Gold seit Athen 2004 gesorgt hatte.

Rennradfahrerin Anna Kiesenhofer mit Goldmedaille
GEPA/Markus Oberlaender
Kiesenhofer wurde über Nacht von einer radelnden Mathematikerin zu einer internationalen Berühmtheit

Judoka-Comeback und erfolgreiche Premieren

Auch Österreichs Judoka meldeten sich ausgerechnet in der Wiege ihres Sports wieder als Medaillenlieferanten zurück. 13 Jahre nach Ludwig Paischer in Peking eroberten Michaela Polleres und Shamil Borchashvili Silber bzw. Bronze. Sowohl für die Niederösterreicherin Polleres als auch für den gebürtigen Tschetschenen Borchashvili erwies sich die pandemiebedingte Verschiebung der Spiele um ein Jahr als Glücksfall. Polleres tankte mit Platz drei bei der WM im Juni dieses Jahres das nötige Selbstvertrauen. Und der 26-jährige Borchashvili, der als Kind mit seiner Familie nach Österreich geflüchtet war, hatte ebenfalls ein Jahr mehr Zeit, um seine Kampfkunst zu schärfen.

Apropos Matte: Auf jener des altehrwürdigen Nippon Budokan verewigte sich auch Bettina Plank in den Olympiageschichtsbüchern. Die 29-jährige Vorarlbergerin erkämpfte sich bei der Premiere im Karate gleich die Bronzemedaille – und möglicherweise auch die letzte für Österreich in diesem Sport. Denn bereits 2024 in Paris ist Karate nicht mehr im Programm. Planks Medaille darf daher wohl zu Recht als einzigartig bezeichnet werden. Gekommen, um zu bleiben, sind die Kletterer, und auch hier hat Österreich gleich angeschrieben; Jakob Schubert holte im dramatischen Finale mit einem Sieg im Vorstieg doch noch die ersehnte Medaille.

Hoffnungsträger liefern ab

Neben den Sensationen, Comebacks und Premieren bescherte in Tokio mit Magdalena Lobnig und Lukas Weißhaidinger auch ein Duo Österreich Medaillen, auf dem bereits im Vorfeld die Hoffnungen auf Edelmetall ruhten. Doch sowohl Lobnig im Rudern als auch Weißhaidinger im Diskuswurf behielten die Nerven und hatten teils das Glück auf ihrer Seite – so hatte Weißhaidinger nur fünf Zentimeter Vorsprung auf Rang vier. Die zwei Bronzemedaillen waren zudem historisch, denn Lobnig holte im Einer als erste Österreicherin eine Rudermedaille, und Weißhaidinger war aus heimischer Sicht der erste männliche Leichtathlet auf einem Olympiapodest.

Auch Schwimmer Felix Auböck erfüllte die in ihn gesetzten Erwartungen. Denn der 24-Jährige kraulte in drei Auftritten dreimal ins Finale und verpasste über 400 m Bronze um lediglich 0,13 Sekunden. Mit Topplätzen von Auböck darf daher auch in Paris 2024 gerechnet werden. Auch seine Teamkolleginnen Lena Grabowski und Marlene Kahler nährten mit starken Vorstellungen im Aquatic Center von Tokio die Hoffnung auf eine erfolgreiche Schwimmbilanz bei den kommenden Spielen.

Pferdepech und Segelflaute

Die Liste der Enttäuschungen aus österreichischer Sicht hielt sich dank der Erfolge in der Medaillenbilanz in Tokio in Grenzen. Unter den Erwartungen blieben vor allem die Segler, die 2016 dank Thomas Zajac und Tanja Frank für die einzige Medaille gesorgt hatten. Doch Zajac verpasste mit seiner neuen Partnerin Barbara Matz im Nacra-17 ebenso das Medal Race, wie Frank mit Lorena Abicht im 49er FX. Als einziges Boot des Österreichischen Segelverbands (OeSV) schafften es die 49er Benjamin Bildstein und David Hussl als Zehnte in das Medal Race der Top Ten.

Segler Thomas Zajac und Barbara Matz
GEPA/ Michael Meindl
Zajac/Matz erlitten im olympischen Revier in Sachen Medaillen Schiffbruch

Ein eitriger Backenzahn von Abegglen, dem Pferd von Victoria Max-Theurer warf die komplette heimische Dressur-Equipe aus der Bahn. Die Oberösterreicherin musste nicht nur ihren Start im Einzel absagen, auch als Team konnte Österreich daher nicht antreten. Ebenfalls Pech hatte in der Vielseitigkeit Katrin Khoddam-Hazrati, deren Pferd Cosma beim Aufwärmen ein Hufeisen verlor und nach neuem Beschlagen nicht mehr lahmfrei ging.

Keine Reise wert war Tokio auch für die mit großen Hoffnungen angetretenen heimischen Triathletinnen und Triathleten. Julia Hauser musste noch während des Schwimmens nach einem Schlag auf den Kopf aufgeben, Alois Knabl schied nach einem Sturz mit Raddefekt aus. Und schließlich musste die Mixed-Staffel wegen einer Verletzung von Lisa Perterer absagen. „Das waren katastrophale Spiele für uns“, meinte dann auch der Sportdirektor des Österreichischen Triathlonverbands (ÖTRV), Robert Michlmayr. Rang 26 von Perterer und 34 von Lukas Hollaus in den Einzel-Bewerben war die einzige Ausbeute des Teams in Tokio.