Eishockey-WM

„Ruhepol“ Luggin als Schlüssel zur A-Gruppe

Die Torhüterposition ist bei den österreichischen Männern im Hinblick auf die Mission Klassenerhalt bei der A-WM das große Fragezeichen. Bei den Frauen könnte sie hingegen in der Mission Aufstieg bei der am Sonntag in Klagenfurt gegen Norwegen (ab 18.25 Uhr, live in ORF Sport +) beginnenden WM der Division IA dank Selma Luggin zum großen Trumpf werden.

Die 21-Jährige möchte als Ruhepol einen großen Teil dazu beitragen, dass „wir einmal für unsere harte Arbeit belohnt werden“. Bei der Generalprobe für das Heimspiel in der Heidi-Horten-Arena in Klagenfurt war der Anteil Luggins am 1:0-Sieg über Frankreich, am 24. April dritter Gegner der Österreicherinnen im WM-Turnier, bereits groß.

40 Minuten lang hielt die Torfrau ihren Kasten sauber, ehe sie an ihre – ebenfalls makellose 18-jährige Schwester Magdalena – übergab. „Wir haben gegen den Absteiger 1:0 gewonnen, der eigentlich als Favorit im Turnier gilt. Daher kann man schon stolz auf die Leistung sein“, sagte Luggin im ORF-Interview zum Prestigeerfolg.

Zusammenhalt als große Stärke

Am Sonntag startet gegen Norwegen der Ernstfall WM, der idealerweise in einem Platz unter den Top Zwei und dem damit verbundenen erstmaligen Aufstieg ins Oberhaus gipfeln soll. Luggin ist zuversichtlich, dass die Übung diesmal gelingt, nachdem man in der Vergangenheit mehrmals knapp gescheitert war. „Wenn man es vergleicht mit China oder dem Jahr davor in Frankreich, denke ich, haben wir stärkere Spielerinnen dabei.“ Allen voran Anna Meixner und Theresa Schafzahl, die in Schweden bzw. der Professional Women’s Hockey League (PWHL) in Nordamerika geigen.

Selma Luggin (Linkoping), 2023
IMAGO/ZUMA Wire/Johan Dali
Luggin blickt zuversichtlich auf die kommende Heim-WM in der Klagenfurter Heidi-Horten-Arena

Die Chemie im Team sei zudem einzigartig: „Wir haben kein Drama, wir verstehen uns alle super und halten, egal was passiert, zusammen. Das ist unsere größte Stärke.“ Der Zusammenhalt schließt auch Teamchef Alexander Bröms ein. „Es dauert mit einem neuen Trainer, bis man reinfindet, bis man Vertrauen findet und das System sitzt“, so Luggin. Das sei mittlerweile der Fall, und ein Rädchen greife ins andere: „Es ist jetzt eine echt gute Zusammenarbeit geworden.“

„In der Ruhe liegt die Kraft“

Das wichtigste Ass im Aufstiegspoker ist aber Luggin selbst. Für Torjägerin Meixner ist die Wienerin bereits „eine der besten Torfrauen“, auch Schafzahl strich die „super Leistungen“ der 21-Jährigen bei vergangenen Einsätzen im Nationalteam und bei ihren Clubs in Schweden und zuletzt Deutschland hervor. Luggin ist sich ihrer Schlüsselrolle auch bewusst. Schlechte Träume hat sie deswegen aber nicht. „Ich sehe das ganz gelassen“, so Luggin. Ein Lebensjahr mehr und damit weitere Erfahrung stimme sie optimistisch, dass sie „noch besser spielen werde als letztes Jahr“.

Selma Luggin mit Nationalteam in Aktion, 2021
GEPA/Daniel Schoenherr
Luggin, hier bei der Olympiaquali 2022, lässt sich auch von Erwartungsdruck nicht aus der Ruhe bringen

Gelassenheit und Ruhe seien auch ihre größten Stärken, so die Torfrau: „Mein Grundsatz, nach dem ich lebe, ist: In der Ruhe liegt die Kraft. Ich versuche immer, das Spiel zu beruhigen, und das spürt die ganze Halle, nicht nur mein Team. Ich habe sehr viel Vertrauen in mich selbst.“ Dabei sieht sich Luggin aber nur als ein Teil einer gut geölten Defensivmaschinerie. Ein „Luxus“, bei dem die Wienerin ins Schwärmen gerät: „Wir arbeiten echt gut zusammen, das macht meinen Job einfach. Ich habe vollstes Vertrauen in sie (die Verteidigerinnen, Anm.), sie haben vollstes Vertrauen in mich, und das spüre ich.“

Vom Feld ins Tor

Luggins Weg zum Eishockey gleicht dem vieler ihrer Teamkolleginnen. Der ältere Bruder weckte auch bei ihr das Interesse am Kufensport. Weil ihr bester Freund den Wechsel vom Feldspieler zum Tormann vollzog, wechselte auch die junge Selma das „Metier“. Schnell fand sie auch Gefallen an dem grundsätzlich „undankbaren und harten Job“, in dem die Grenze zwischen Hero und Zero verschwindend gering ist: „Aber was es für mich einzigartig macht, ist dieses mentale Spiel. Es ist so viel, was man im Tor macht, mental, und man kann immer an sich arbeiten. Man muss dazu auch nicht am Eis stehen.“

Außerdem sei nicht nur der richtige Einsatz von Fanghandschuh und Schienbeinblocker für ein Team essenziell. „Man hat eine extrem gute Übersicht und Perspektive auf das Spiel. Dadurch kann man eine extrem gute Zusammenarbeit im Team schaffen“, so Luggin, die als frischgebackene deutsche Meisterin zur WM angereist ist. Nachdem sie bei Djurgarden und Linköping in Schweden nicht die erhofften Einsatzzeiten bekam, wechselte die Wienerin im guten Einvernehmen zu den Memmingen Tigers in die deutsche Liga und trug dort einen wichtigen Teil zum Titelgewinn bei. Dadurch sei auch „das Selbstvertrauen wiedergekommen“.

Luggin fehlt in Österreich Respekt

Doch nicht nur Meistertitel und Selbstvertrauen nahm Luggin aus Deutschland mit, auch die Erkenntnis, dass man in Österreich den Nachbarn in Sachen Frauen und Eishockey noch ordentlich hinterherhinkt. Das fange mit dem Respekt gegenüber den Eishockey-Spielerinnen an. Denn zwar würden sie und ihre Kolleginnen in Klagenfurt eine B-WM bestreiten, in Wahrheit gehöre man aber so wie die Männer zu den besten 16 Nationen der Welt: „Bei uns Frauen sind nur zehn Teams in der Topdivision und sechs Teams bei der B-WM. Also wenn man es so nimmt, sind wir auch top. Da erwarte ich mir etwas mehr Unterstützung.“ Dazu werde auch bei den heimischen Clubs oft mehr „gegeneinander“ gearbeitet als zusammen.

Selma Luggin (Memmingen Indians) in Aktion
IMAGO/Nordphoto/Gmbh / Hafner
Bei ihrem Club in Deutschland haben Eishockey spielende Frauen laut Luggin ein deutlich höheres Standing

Was man sich in Österreich von Deutschland abschauen sollte, ist laut Luggin die Aufnahme der Eishockey-Spielerinnen als Heeressportlerinnen. „In Deutschland gibt es die Bundeswehr, und es ist ein Riesenvorteil für Sportlerinnen, wenn sie da bezahlt werden“, so die Wienerin. „Das und auch mehr Unterstützung durch die Sporthilfe, dass Spielerinnen vielleicht nur 30 Stunden arbeiten müssen. Das macht einen Riesenunterschied, denn diese zehn Stunden (mehr Zeit, Anm.) kannst du in Regeneration oder Training aufwenden. Mit 40 Stunden und Eishockey und womöglich Familie ist das sehr schwer.“

Ein Aufstieg in die A-Gruppe wäre laut Luggin daher ein enormer Push für die österreichischen Spielerinnen. Neben größerer finanzieller Unterstützung, mehr medialer Präsenz und der Möglichkeit, sich mit den Besten zu messen, würde vor allem auch das Standing steigen: „Ich glaube auch, dass dann der Knopf aufgeht und wir als Eishockey-Spielerinnen anerkannt werden.“ Denn neben dem sportlichen Erfolg und dem Aufstieg zum Vollprofi in naher Zukunft hat Luggin vor allem eines im Sinn: „Dass ich Eishockey in Österreich weiterbringe und Mädels zum Eishockey motiviere.“ So wie ihre Schwester Magdalena, die heuer mit den SKN Sabres St. Pölten Meisterin wurde.

Spielplan:
21.04. Frankreich Niederlande 5:1
Ungarn Südkorea 2:0
Norwegen Österreich 3:2
22.04. Ungarn Niederlande 2:0
Norwegen Frankreich 4:3 n. P.
Österreich Südkorea 6:0
24.04. Norwegen Ungarn 2:1 n. P.
Niederlande Südkorea 3:1
Frankreich Österreich 5:3
26.04. Frankreich Südkorea 5:0
Norwegen Niederlande 1:0 n. P.
Österreich Ungarn 3:2 n. P.
27.04. Norwegen Südkorea 8:0
Ungarn Frankreich 2:1
Österreich Niederlande 6:5 n.V.