Ski alpin

Spaßfaktor treibt Hirschers Comeback an

Seit Mittwoch steht es fest, dass eine der größten Attraktionen der jüngeren Vergangenheit in den alpinen Skizirkus zurückkehrt. Marcel Hirscher gibt mit 35 Jahren – allerdings als Athlet der Nederlandse Ski Vereniging (NSV) – sein Comeback. Während ihm aktuelle und ehemalige Konkurrenten die erfolgreiche Rückkehr zutrauen, will Hirscher vor allem eines: Spaß haben. „Die große Leidenschaft und Liebe für den Skisport ist nie weggegangen.“

In einem Videocall am Mittwochmorgen bestätigte der Österreichische Skiverband (ÖSV) Ski Austria das am Vorabend aufgekommene Gerücht, Hirscher würde nach fünf Jahren Pause sein Comeback geben. Allerdings nicht als Teil des ÖSV, sondern für das Heimatland seiner Mutter, die Niederlande. „Ich hätte gerne die Möglichkeit, ab und zu Rennen zu fahren. Einfach, weil es mir Spaß macht“, so Hirscher. Spaß hätte der Salzburger auch bei seinem Rücktritt 2019 noch gehabt, damals war die Bereitschaft, sich im Training zu quälen, aber nicht mehr da gewesen.

Eine „Summe von Momenten“ habe letztlich den Ausschlag gegeben, den Plan in die Tat umzusetzen, so Hirscher im ORF-Interview. Die Entscheidung sei aber trotzdem recht kurzfristig gefallen: „Bei meinem Geburtstag im März habe ich noch nicht gewusst, dass dieses Projekt umgesetzt würde.“ Der letzte Anstoß, der bei Hirscher den Stein ins Rollen brachte, sei das Comeback von Lucas Braathen gewesen. „Das hat mir extrem gefallen, weil es eine Bereicherung ist, wenn Lucas Ski fährt“, so der Salzburger.

„Niemandem im Weg stehen“

Auch der Wechsel ins Lager des niederländischen Verbandes sei einfach nachzuvollziehen. „Ich möchte keinem jungen Athleten in Österreich etwas wegnehmen. Das geht hin zu Trainern, Ressourcen, Startmöglichkeiten, da möchte ich niemandem im Weg stehen“, sagte Hirscher. Mit 35 Jahren würde er nicht mehr „zum großen Helden werden“, so Hirscher: „Die Zukunft gehört anderen.“ Daher sei sein neues Projekt „in Holland einfacher umzusetzen“. Dazu dürfte auch die weitere Ausweitung des Bekanntheitsgrades seiner eigenen Skimarke Van Deer, die bisher die norwegischen Topläufer Henrik Kristoffersen und Timon Haugan als Aushängeschilder im Weltcup hatte, gehören.

Jubel von Marcel Hirscher nach dem WM-Slalomsieg im Februar 2019
GEPA/Wolfgang Grebien
Der WM-Titel im Slalom bei den Titelkämpfen in Aare 2019 war Hirschers bis dato letzter Sieg in einem Skirennen

Mit Hirscher kehrt einer der erfolgreichsten Skifahrer der Geschichte zurück auf die Pisten. 67 Weltcup-Siege und insgesamt 138 Podestplätze hat Hirscher bisher in seiner Vita stehen. Er ist mit sieben WM-Titeln und vier Silbermedaillen der erfolgreichste WM-Teilnehmer der Geschichte. Zudem holte er je sechsmal die kleine Kristallkugel im Slalom und Riesentorlauf. Den Gesamtweltcup gewann er achtmal in Serie und damit so oft wie kein anderer. Sein bisher letztes Rennen bestritt Hirscher am 17. März 2019 mit dem Slalom in Soldeu in Andorra, seinen bis dato letzten Sieg feierte der 35-Jährige genau einen Monat davor beim WM-Slalom im schwedischen Aare.

Weltcup-Einsätze „schon sehr weit weg“

Daher hätte man sich auch bei Ski Austria eine Rückkehr des Titelsammlers gewünscht, nachdem die Ausbeute nach dem ersten Abschied des Salzburgers deutlich geringer geworden war. Dem Wunsch nach einem Nationenwechsel komme man auch „als Wertschätzung für seine Verdienste“ für den ÖSV nach und respektiere die Entscheidung, wie ÖSV-Generalsekretär Christian Scherer am Mittwoch bei der offiziellen Bekanntgabe des Comebacks vonseiten des österreichischen Verbandes klarstellte.

Der ÖSV habe bereits den erforderlichen Brief mit der Zusage über die Freigabe des Athleten verfasst, der Vorstand des Internationalen Skiverbands (FIS) werde in seiner nächsten Sitzung über die Änderung der Lizenzregistrierung entscheiden. Wenn alles seinen geplanten Lauf nimmt, soll Hirscher dann bald bei FIS-Rennen im Riesentorlauf und Slalom an den Start gehen, verriet Van-Deer-Rennchef Anton Giger. Weltcup-Einsätze seien aufgrund einer zu hohen Startnummer „schon sehr weit weg“.

Giger bemühte sich generell darum, keinen Anlass für eine hohe Erwartungshaltung zu geben. „Die Rennen, die Marcel bestreiten wird, sind keine Rennen, die im Fernsehen übertragen werden“, sagte der Ex-ÖSV-Trainer. Es sei „ein Einstieg auf FIS-Ebene, nicht mehr und nicht weniger“, der aber gleichzeitig „ein toller Impuls für den Skisport“ sei. „Die Hauptmotivation ist wirklich, dass er einfach Lust hat, Rennen zu fahren und diese Sportart mit Haut und Haaren macht“, sagte Giger. „Die weiteren Sachen werden sich dann sowieso ergeben.“

„Wenn es einer packen kann …“

ÖSV-Männer-Cheftrainer Marko Pfeifer traut Hirscher jedenfalls zu, wieder in der Weltspitze Fuß zu fassen. „Man muss halt schauen, schnellstmöglich mit der Startnummer nach vorne zu kommen, um dann auch im Weltcup konkurrenzfähig zu sein. Das kann sehr schnell gehen“, sagte der Kärntner. Gerade im Slalom gebe es einige Läufer, die auch im höheren Alter noch große Erfolge eingefahren hätten – beispielsweise Mario Matt und Andre Myhrer.

Giger: „Hirscher-Comeback toller Impuls“

Marcel Hirscher wird sein Comeback zunächst auf FIS-Ebene geben. Das erklärte der Rennsportleiter seiner Skimarke Van Deer, Toni Giger, im Rahmen einer Onlinepressekonferenz. ÖSV-Cheftrainer Marko Pfeifer traut dem 35-Jährigen eine Rückkehr an die Weltspitze zu.

Auch Hirschers langjähriger Rivale Felix Neureuther ist davon überzeugt, dass der Neo-Niederländer im Weltcup wieder Fuß fassen kann. „Wenn es einer packen kann, dann ist der Marcel der Einzige, dem man das zutrauen kann“, sagte Neureuther am Mittwoch der dpa, „wenn der Marcel am Start steht, dann will er auch abliefern.“ Neureuther erinnerte daran, dass Hirscher auch nach dessen Rücktritt stets Skitests vorgenommen habe, „deswegen ist er körperlich nach wie vor in einer guten Verfassung“.

Große Freude in den Niederlanden

Groß ist die Freude über Hirschers Comebackansinnen wenig überraschend in den Niederlanden. „Die Tatsache, dass Marcel Hirscher beabsichtigt, für den Niederländischen Skiverband anzutreten, ist eine absolute Ehre und ein Impuls von gesellschaftlichem Wert für unser Land. Marcel ist eine globale Ikone und Inspiration für alle Skifahrer: Interesse, Begeisterung und Stolz in den Niederlanden werden steigen“, teilte NSV-Generalsekretär Frits Avis in einer Aussendung mit.

Der beste Niederländer der Skigeschichte

Erst einmal in der Geschichte des Skiweltcup ist ein niederländischer Mann in die Top Ten gefahren. 2012 belegte Marvin van Heek in der Sprintabfahrt von Gröden bei schlechten Wetterverhältnissen Rang acht.

Sollte es Hirscher tatsächlich auch zurück in den Weltcup schaffen, wäre er der erste für die Niederlande startende Läufer seit Maarten Meiners, der im März 2022 im Riesentorlauf in Kranjska Gora die Entscheidung der besten 30 verpasste. Die bisher beste Platzierung für „Oranje“ fuhr Marvin van Heek 2021 in der Abfahrt von Gröden mit einem achten Rang ein. Bei den Damen war eine niederländische Läuferin mit Platz fünf im Riesentorlauf von Zwiesel 1987 noch erfolgreicher. Die gebürtige Deutsche Christa Kinshofer-Güthlein war aber so wie Hirscher eine Nationenwechslerin.

Apropos Nationenwechsler: Auch der Norweger Braathen, der erst jüngst sein Comeback als Brasilianer angekündigt hatte, reagierte begeistert auf die Nachricht von Hirschers Comeback. „Ich habe in meiner Karriere deine Leistungen analysiert und versucht, etwas davon in meinen Bewegungsablauf zu integrieren. Ich habe immer gesagt, dass es ein großer Wunsch von mir ist, die Chance zu haben, gegen dich zu fahren. Ich kann es nicht erwarten, gegen dich zu fahren. Bis bald.“ Damit nährte Braathen Gerüchte, dass er und Hirscher gemeinsam trainieren könnten. Zum Posting stellte der Norweger ein Foto vom Alta-Badia-Weltcup 2022, das ihn gemeinsam mit Hirscher zeigt.