Diskussion zwischen Bayern-Torhüter Manuel Neuer und Schiedsrichter Szymon Marciniak
AP/Jose Breton
Champions League

Bayern hadern mit Schiri und „Maulwurf“

Das dramatische Aus von Bayern München in der Champions League am Mittwoch bei Real Madrid hat gleich mehrere Geschichten geschrieben. Jene vom tragischen Helden Manuel Neuer etwa, dazu die vom höchst umstrittenen abrupten Abpfiff Augenblicke vor dem vermeintlichen Ausgleich. Oder jene des Madrider „Jokers“ und Doppeltorschützen Joselu. Der heuer titellose deutsche Rekordmeister haderte jedenfalls mit dem Schiedsrichter und einem „Maulwurf“.

Bis zur 88. Minute waren die Bayern nach dem 2:2 aus dem Hinspiel mit 1:0 in Führung gelegen und mit einem Bein im Finale der Königsklasse gestanden. Dann aber kam die „Magie“ des Rekordtitelträgers ebenso ins Spiel wie Joselu. Der 34-jährige gebürtige Stuttgarter mit spanischem Pass ist Real-Fan seit Kindheitstagen und Real-Spieler seit vergangenem Sommer. Sieben Minuten nach seiner Einwechslung traf Joselu erstmals, weitere drei Minuten später versenkte er die Bayern und sicherte den Spaniern das Finale am 1. Juni im Londoner Wembley-Stadion gegen Borussia Dortmund.

Ein Wandervogel, der nirgends sesshaft wurde, in den letzten zehn Jahren für zehn verschiedene Vereine spielte, sich aber weder in der englischen Premier League noch in der deutschen Bundesliga durchsetzen konnte. Der für TSV Hoffenheim, Eintracht Frankfurt und Hannover 96 auflief und im Sommer vom spanischen Absteiger Espanyol Barcelona nach Madrid ausgeliehen wurde. Am Mittwoch schlug seine große Stunde.

Ärger bei Bayern nach dem Aus

Das dramatische Aus von Bayern München in der Champions League am Mittwoch bei Real Madrid hat gleich mehrere Geschichten geschrieben. Jene vom tragischen Helden Manuel Neuer etwa, dazu die vom höchst umstrittenen abrupten Abpfiff Augenblicke vor dem vermeintlichen Ausgleich.

In der CL absolvierte Joselu nur rund ein Viertel aller möglichen Spielminuten, in La Liga immerhin die Hälfte. „Er ist ein Spieler, der in dieser Saison viel beigetragen hat, obwohl er nicht viel gespielt hat“, lobte Real-Coach Carlo Ancelotti den Matchwinner. „Er ist das perfekte Sinnbild für diese Mannschaft: Spieler, die viel beitragen, ohne ihr Selbstvertrauen zu verlieren (wenn sie nicht spielen), und die Idee, dass sie dem Team etwas bringen können.“

Jubel des Real-Madrid-Torschützen Joselu
APA/AFP/Thomas Coex
Joselu erntete für seinen Doppelpack als „Joker“ Sonderlob von Real-Trainer Carlo Ancelotti

Wende selbst für Ancelotti „magisch“

Dass sein Team nach dem 0:1 durch Alphonso Davies (68.) auf derart dramatische Art und Weise noch die Wende schaffte, konnte sich selbst die italienische Trainerlegende, die ihren fünften CL-Triumph anpeilt, nicht ganz erklären. „Es ist wieder passiert (…) und weil es so oft passiert ist, ist es ein bisschen unerklärbar“, sagte Ancelotti, der dann doch einige Punkte anführte: „Es ist wieder passiert, dank der Fans, die uns pushen, einer fantastischen Atmosphäre im Stadion und dank Spielern, die nie aufhören, daran zu glauben, es schaffen zu können. Es ist etwas Magisches.“

Diese Magie bekam auch Konrad Laimer „am eigenen Leib“ zu spüren. „Ich glaube, es kann nichts Schlimmeres geben für einen Fußballer“, sagte der ÖFB-Teamspieler zum Aus der Bayern. „Man weiß, was Real Madrid kann. Man hat schon oftmals gesehen, dass die am Ende Tore schießen. Dass sie auch große individuelle Qualität haben und immer wollen, hat man gesehen. So etwas kommt nur, wenn man unbedingt gewinnen will. Das kommt nicht von irgendwoher, das ist einfach deren große Stärke.“ Oder in den Worten von Real-Stürmer Vinicius Junior: „Das ist Real Madrid. Wir geben nie auf.“

Referee entschuldigt sich für zu schnellen Pfiff

Die Bayern nahmen vor allem Wut, Frust und Leere aus dem Estadio Santiago Bernabeu mit. „Wir sind einfach sauer, wir haben alles da draußen gelassen“, klagte der nach einer titellosen Saison scheidende Trainer Thomas Tuchel mit feuchten Augen. Vor allem bei seiner Wutrede gegenüber dem Schiedsrichtergespann rang der 50-Jährige um Fassung. Der polnische Referee Szymon Marciniak hatte in der 104. Minute zu früh abgepfiffen, als der Ball in Reals Strafraum flog und der Assistent an der Seitenlinie die Fahne hochriss. So konnte nach Matthijs de Ligts Schuss ins Tor die Szene nicht mehr per Videobeweis überprüft werden. Marciniak entschuldigte sich nach dem Schlusspfiff bei den Bayern, wie de Ligt aufgebracht berichtete.

Bayern-Spieler diskutieren mit dem Schiedsrichter
AP/Manu Fernandez
Die Entschuldigung von Schiedsrichter Szymon Marciniak nach Spielende war für die Bayern kein Trost

„Natürlich nehmen wir die Entschuldigung als Sportsmänner an“, sagte Tuchel: „Aber es ist ein Halbfinale. Es ist nicht der Moment für Entschuldigungen, ehrlich nicht.“ Dann redete sich der um ein Bayern-Happy-End gebrachte Coach in Rage. „Alle müssen ans Limit. Alle müssen leiden. Alle müssen fehlerfrei spielen. Da müssen halt die Schiedsrichter auf diesem Niveau das auch tun“, sagte er mit sich fast überschlagender Stimme.

Experten wie der frühere Schweizer Spitzenschiedsrichter Urs Meier gaben ihm recht. „Eine Szene kann wieder alles kaputt machen – aber das Schiedsrichterteam hat das nicht gut gemacht. Das ist sicher nicht die Linie, die die UEFA oder die FIFA will. Bei den knappen Dingen soll man laufen lassen. Und dann kann man das immer noch anschauen, wenn es auf die andere Seite gekippt ist“, sagt Meier dem Schweizer Streamingdienst blue sport.

Fehler macht Neuer zum tragischen Helden

Der große Verlierer des Abends war aber Neuer mit seinem Fehler vor dem 0:1. Den Schuss von Vinicius Junior schätzte er falsch ein und ließ ihn nach vorn auf Torschützen Joselu abprallen. „Von 10.000 Mal hält Manu den Ball 10.000-mal. Das ist das 10.001. Mal“, meinte Tuchel.

Tuchel über Neuers Fehler

Bayern München ist durch eine 1:2-Niederlage bei Real Madrid im Halbfinale der Champions League ausgeschieden. Tormann Manuel Neuer konnte dabei vor dem ersten Gegentor einen Ball nicht festhalten. Trainer Thomas Tuchel meinte, Neuer sei „der Unglücklichste von allen“.

Er fühlte mit dem 38-jährigen Teamgoalie des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), der sich nach seinem Beinbruch bei einem Skiunfall nach der WM 2022 nach einer monatelangen Reha ins Tor zurückgekämpft hatte. Er war bis zum 1:1 Reals Alptraum an diesem Abend. „Das ist ausgeschlossen, dass Manu einen Fehler macht. Und er macht ihn ausgerechnet heute nach dem Weltklassespiel. Das ist so was von bitter“, sagte Tuchel.

„Nicht mit Maulwurf gerechnet“

Neuer selbst gestand seinen Fehler ein. „Ich muss sagen, dass ich den Ball anders erwartet habe, eher Richtung Brustkorb. Der ist dann einen Tick höher gegangen, und damit habe ich nicht gerechnet, dass da ein minimaler Maulwurf drin war in dem Platz“, sagte Neuer.

Der Ball geht an Bayern-Tormann Manuel Neuer vorbei ins Tor
AP/Manu Fernandez
Nach seinem Patzer war Manuel Neuer gegen den Abstauber von Joselu zum 1:1 machtlos

Die Bayern übten sich danach in Kampfansagen. „Wir haben nächstes Jahr das Champions-League-Finale zu Hause. Das ist jetzt unser großes Ziel. Das ist letzten Endes das, was wir als unseren ‚Mia san mia‘-Reflex bezeichnen. Das sollte uns leiten“, sagte Vorstandschef Jan-Christian Dreesen. Vorher müssen die Bayern-Bosse um Sportvorstand Max Eberl und Sportdirektor Christoph Freund nach etlichen Absagen aber zunächst einen Nachfolger für Tuchel präsentieren.