Ausschreitungen in Argentinien
Reuters
Fußball

Argentinien hilflos gegenüber Hooligans

Der Skandal um die Fanrandale von Buenos Aires und die Farce um die Verschiebung des Endspiels um die Copa Libertadores haben am Wochenende zum wiederholten Mal das größte Problem des argentinischen Fußballs offenbart. Besonders offensichtlich wurde einmal mehr das Versagen von Verbänden, Sicherheitskräften und auch der Politik.

Am Dienstag entschied Südamerikas Dachorganisation CONMEBOL, dass das Finalrückspiel (Hinspiel: 2:2) zwischen den tief verfeindeten Rivalen River Plate und Boca Juniors am 8. oder 9. Dezember außerhalb Argentiniens nachgeholt wird. 2.000 Sicherheitsleute hatten am Samstag offenbar nicht gereicht, um die unversehrte Ankunft des gastierenden Boca-Teams zur Partie zu gewährleisten.

Steine und andere Gegenstände prasselten auf den Mannschaftsbus, einige Insassen erlitten Schnittwunden. Zwei Spieler, darunter Kapitän Pablo Perez, wurden mit Schnittwunden und Problemen mit den Augen in ein Krankenhaus gebracht. Auch Stürmerstar Carlos Tevez erreichte das Stadion in Buenos Aires mit Atembeschwerden, wie der TV-Nachrichtensender TN zeigte. Im Nebel von Pfefferspray und Tränengas fiel der Boca-Fahrer in Ohnmacht, ein Funktionär steuerte den Bus die letzten 200 Meter bis zum Stadion.

Partie sollte dennoch stattfinden

Es folgten heftige Debatten zwischen den Clubs und den an TV-Verträge gebundenen Organisatoren über die Austragung des Spiels. Erst nach Stunden folgte am Samstag die Verlegung auf Sonntag. Am Tag darauf begannen die Diskussionen aufs Neue, ehe die CONMEBOL dem Antrag von Boca auf eine weitere Verschiebung nachgab. Geht es nach der Boca-Spitze, hätte River Plate für die Krawalle am grünen Tisch bestraft und Boca nach dem 2:2 im Hinspiel kampflos zum Copa-Sieger erklärt werden sollen.

Nun wird das Rückspiel Anfang Dezember auf neutralem Boden nachgeholt. Die bestürzenden Geschehnisse vom Wochenende weckten Zweifel, wie das politische Großereignis sicher über die Bühne gehen soll, wenn der Polizei schon der Schutz eines Fußballspiels entgleitet.

„Unbeholfenheit der Sicherheitskräfte“

Der ehemalige Sicherheitssekretär Sergio Berni kritisierte bereits „die operative Unbeholfenheit unserer Sicherheitskräfte“. Dabei hatte die jetzige Sicherheitsministerin Patricia Bullrich noch vor wenigen Wochen erklärt, der Schutz für das Copa-Finale sei eine leicht erfüllbare Kleinigkeit im Vergleich zum G-20-Gipfel, der am 30. November und 1. Dezember in Buenos Aires stattfindet.

Bullrich hatte aber offenbar die Toleranz von Argentiniens Politik gegenüber der Fangewalt nicht bedacht. Vor einigen Jahren sollten britische Experten mit ihren Erfahrungen im erfolgreichen Kampf gegen Hooligans auf der Insel dabei helfen, einen ähnlichen Plan für Argentinien zu entwerfen. Sie zogen bald frustriert ab. Die „Barrasbravas“, die lokalen Hooligans, sind zu sehr mit der Politik und anderen Mächtigen vernetzt und Politikern auch bei Wahlkampagnen behilflich.

Auch Schwarzmarkt blüht

Bei einer Veranstaltung in Buenos Aires des venezolanischen Staatschefs Nicolas Maduro, zu Zeiten der Regierung von Cristina Fernandez de Kirchner, füllten zum Beispiel Fans des Zweitligisten All Boys die leeren Sitzreihen aus, um die Popularität beider Präsidenten zu bezeugen. Privat betreiben sie den Weiterverkauf von Tickets zu den Spielen, aber auch den Drogenvertrieb um und im Stadion.

Bei einer Hausdurchsuchung am Freitag beschlagnahmte die Justiz 300 Eintrittskarten für das Copa-Finale. Der Eigentümer der Wohnung ist einer der Führer der River-Ultras, der normalerweise rund 300 „Barrabravas“ ins Stadion einschleust. Er wurde nicht festgenommen. Seinen Leuten fehlten aber die Tickets. Zahlreiche River-Anhänger wurden am Samstag vor dem Stadion ihrer Tickets beraubt.

Enge Verflechtung mit Politik

„Niemand kann so naiv sein, dies (die Beschlagnahme der Tickets am Freitag, Anm.) mit dem Vorfall am Samstag nicht in Verbindung zu setzen“, sagte der Bürgermeister von Buenos Aires, Horacio Rodriguez Larreta. Unklar blieb, weshalb die Sicherheitskräfte so handelten, dass der Angriff auf den Mannschaftsbus möglich war.

Auch die Clubspitzen von Boca Juniors und River Plate sind eng mit der Politik vernetzt. Staatschef Mauricio Macri führte einst selbst zehn Jahre lang die Boca Juniors und nutzte das als Sprungbrett für seine politische Karriere. Als Auswärtsfan durfte Macri nicht zum Finalrückspiel ins River-Stadion. Gästeanhängern ist wegen der Zustände in Argentiniens Fußball seit 2013 der Zutritt zu den Arenen verboten.