Clement Noel (FRA) umarmt Marcel Hirscher (AUT)
Reuters/Leonhard Foeger
Ski alpin

Hirscher zieht vor Noel den Hut

Erstmals seit Henrik Kristoffersen im Jahr 2016 konnte ein Läufer hintereinander die Slalom-Klassiker in Wengen und Kitzbühel gewinnen. Nicht den Topstars Marcel Hirscher oder dem Norweger gelang dieses Kunststück, sondern dem Franzosen Clement Noel. Noel verwies am Samstag auf dem Ganslernhang einen im zweiten Durchgang furios fahrenden Hirscher um 0,29 Sekunden auf Platz zwei.

Der Shootingstar bekam für seine Leistung entsprechend viel Lob zu hören. „Er ist technisch brillant. Er setzt die Ski ganz nahe zur Stange und fährt eine kürzere Linie als jeder andere im Moment“, zog Hirscher den Hut vor dem 21-jährigen Franzosen. „Da heißt es anhalten, weil der weitere Weg ist immer Zeitverlust“, erklärte der 29-jährige ÖSV-Star. Noel und andere junge Talente „fahren im Endeffekt einige Meter weniger auf die ganze Renndistanz. Die fahren eine recht coole Linie“.

Manuel Feller, in der Vorwoche Zweiter hinter Noel, hatte in Wengen gemutmaßt, der Franzose fahre wahrscheinlich den schnellsten Schwung derzeit. Mit seinem Triumph in Kitzbühel wurde Noel auch der erste Franzose seit Jean-Baptiste Grange in der Saison 2010/11, der mehr als einen Slalom in einem Weltcup-Winter gewann. „Er ist definitiv die Zukunft dieser Disziplin“, sagte Noels Landsmann Alexis Pinturault, der in Kitzbühel auf dem dritten Platz landete.

Clement Noel (FRA) im Kitzbühel-Slalom
GEPA/Harald Steiner
Clement Noel gibt mit seiner Technik auf den Slalom-Pisten derzeit den Ton an

Bescheiden und nervenstark

In der Stunde des Erfolgs blieb Noel bescheiden. „Das ist schön, wenn man das von arrivierten Läufern hört. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll“, sagte der Junioren-Weltmeister von 2018, der vor allem mit seiner Nervenstärke beeindruckt. „In Wengen habe ich zum ersten Mal nach dem ersten Durchgang geführt. Das war ich noch nicht gewohnt. Heute war ich überhaupt nicht nervös. Am Start versuche ich immer, ruhig zu sein. Denn wenn ich ruhig bin, bin ich schnell.“

Hirscher Kitz-Zweiter hinter Noel

Eine beeindruckende Aufholjagd zeigte Marcel Hirscher beim Slalom in Kitzbühel. Der Salzburger schob sich im zweiten Lauf vom neunten auf den zweiten Platz hinter dem Franzosen Clement Noel vor.

Noel wisse seit Längerem, dass er prinzipiell schnell sein kann. „Ich weiß, dass ich einer der besten in einem Rennen sein kann, aber ich muss konstanter werden und das regulär in jedem Rennen machen. Ich will meinen Lauf fortsetzen, aber das ist eben nicht leicht“, so der Franzose, der nun auch am Dienstag im Nightrace in Schladming (17.45/20.45 Uhr, live in ORF eins) ein heißer Siegesanwärter ist.

Hirscher für Noel die Nummer eins

Beim nächsten Klassiker hat Noel allerdings Hirscher wieder auf der Rechnung, denn der Salzburger ist für ihn noch immer die Nummer eins im Slalom. „Er ist der konstanteste über alle Rennen“, meinte der Franzose. „Wenn er eine nicht so gute Performance in einem Lauf hat, wird er im nächsten Lauf oder am nächsten Tag der Schnellste sein, weil er sich nicht damit abfinden kann, Fünfter oder Sechster zu sein.“

1. Clement Noel (FRA)
2. Marcel Hirscher (AUT)
3. Alexis Pinturault (FRA)

In Sachen Fahrstil ist der ÖSV-Star aber kein Vorbild. „Ich habe keinen bestimmten Namen. Ich schaue bei allen, was sie schnell machen oder nicht schnell machen, und versuche, mich davon inspirieren zu lassen“, sagte der 1,91-Meter-Mann. „Ich kann nicht fahren wie Marcel, er ist kleiner und wirklich kräftig. Er ist beeindruckend, weil seine Füße so schnell von einer Seite auf die andere gehen. Das kann ich nicht machen. Ich muss mit meinen Qualitäten schnell sein“, sagte Noel.

Hirscher mit Platz zwei „superhappy“

Auch Hirscher glaubt nicht, dass Größe im Slalom ein Vorteil ist. „Es heißt, mit dem, was du zur Verfügung hast, umzugehen. Wenn es nach dem geht, hätte ich in meiner Jugend oder Kindheit gleich die Ski ins Eck stellen sollen. Zu wenig Zentimeter, zu wenig Masse und Gewicht zu Zeiten, wo Maier, Eberharter, Schifferer den Weltcup dominiert haben. Jeder muss mit dem, was er hat, umgehen. Es gibt immer Vor- und Nachteile“, sagte der siebenfache Gesamtweltcup-Sieger.

Mit Rang zwei hinter Noel war Hirscher jedenfalls zufrieden. „Es war mehr, als ich erwarten durfte. Ich habe das Maximum rausgeholt. Von neun auf zwei ist wirklich okay, damit bin ich superhappy. Es ist im Moment nicht leicht, aber achtzig Punkte sind perfekt“, sagte der Salzburger, der aufgrund der Programmänderung in Kitzbühel in der Vorbereitung auf Schladming einen Erholungstag einlegen wird.