Hermann Maier nach dem WM-Riesentorlauf bei der Ski-WM von Aare im Jahr 2007
AP/Luca Bruno
Ski-WM

Maiers Waterloo im hohen Norden

Wenn er Aare hört, wird Hermann Maier hellhörig. 2007 erlebte Österreichs einstiger Skiheld hier sein persönliches Waterloo. Während sich die Schwedin Anja Pärson mit drei Gold- und zwei Silbermedaillen zur Nationalheldin aufschwang, blieb Maier erstmals in seiner so erstaunlichen Karriere bei einer Weltmeisterschaft ohne Edelmetall.

Dabei kam Maiers Nullnummer vor zwölf Jahren nicht überraschend, war er doch ohne Weltcup-Saisonsieg nach Aare gekommen. Doch wer Maier kannte und schätzte, der wusste, dass sich ein „Herminator“ so schnell nicht geschlagen geben würde. Die Fans hofften. Die große Show blieb aus. Maiers WM-Medaillensatz von bis dahin dreimal Gold, zweimal Silber und einmal Bronze wurde in Aare nicht größer – auch zwei Jahre später bei seiner letzten WM in Val d’Isere nicht mehr.

Der der Niederlage folgende Kritikhagel in Aare traf Maier besonders. Im Super-G war er als Siebenter um vier Hundertstelsekunden an Bronze vorbeigefahren, in Abfahrt (13.) und Riesentorlauf (als 21. bester Österreicher) weit hinter den Erwartungen geblieben. Demütigende Kritik von Franz Klammer (u. a. „Er fährt runter, als ob er gar nicht mehr dazugehört“) kam hinzu. Selbst ORF-Experte Armin Assinger fand kritische Worte, die medial damals zu einem Skandal geschürt wurden.

„Dieser Berg sieht mich nicht mehr“

Letztlich stand für Maier fest: „Dieser Berg und dieses Starthaus sehen mich nicht mehr.“ Kritikern war er anfänglich noch gelassen begegnet: „Fest jammern, das entspricht unserer Mentalität. Und vielleicht hilf es ja.“ Maier half es in Aare nicht mehr. Nach dem ÖSV-Debakel im Riesentorlauf bilanzierte er: „Historisches zu leisten geht halt nicht immer. Dieses Gefühl, eine WM ohne Medaille zu erleben, gehört zu einer Karriere dazu.“

Hermann Maier im WM-RTL von Aare im Jahr 2007
APA/AFP/Fabrice Coffrini
Rang 21 im Riesentorlauf war für den als Titelverteidiger angereisten Maier der Tiefpunkt der WM 2007

Doch die Situation eskalierte nach dem Riesentorlauf, der Frust der Skination wurde medial vor allem auf Maier abgeladen. Daran änderte das abschließende Gold der ÖSV-Herren durch Mario Matt im Slalom kaum etwas. ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel formulierte es damals treffend: „Ich hätte mir erwartet, dass man in Österreich, wenn es einmal schlechter geht, Patriotismus zeigt und hilft. Das ist nicht geschehen. Wir leben nicht im Krieg. Sport soll Sport bleiben. Es gab viele untergriffige Aktionen, das ist unschön.“

Kritik kostet Maier viel Substanz

Maier kostete diese WM Substanz. Auch das Verbalduell mit Assinger – der Maier indirekt vorgeworfen hatte, die Schuld nicht bei sich selbst zu suchen, sich aber falsch interpretiert fühlte – zog nicht spurlos an ihm vorüber. Maier antwortete damals via Website, die erstmals seit seinem Motorradunfall 2001 zusammenbrechen sollte. „Zum Abschluss erlaube ich mir, selbst eine Frage zu stellen: Wie viele Weltcup-Siege von Armin Assinger gehen auf eine Kuhhaut – 4, 28, 41 oder 53?“, fragte er süffisant.

53 hatte bis dahin Maier gewonnen, Assinger in seiner Karriere vier. Die „Kuhhaut“ war eine Anspielung auf die Worte Assingers davor. „Wie lange der Hermann (das Material, Anm.) schon abstimmt, das passt meines Erachtens auf keine Kuhhaut mehr. Tatsache ist auf jeden Fall, dass der Hermann nicht mehr diese Aggressivität an den Tag legt, mit der er vor einigen Jahren noch Medaillen eingefahren hat. Das ist ein Faktum“, hatte Assinger gesagt und war einer Majestätsbeleidigung damit nahe gekommen.

Emotionaler Anfang vom Ende

Zwölf Jahre später ist das für Maier wohl Schnee von gestern – auch für Assinger. Er könne sich gar nicht richtig an diese WM erinnern, schon gar nicht an das Scharmützel mit Maier, sagte er auf ORF.at-Nachfrage. „Ich weiß nur mehr, dass es nicht gut für uns gelaufen ist, weil es wahnsinnige Probleme mit dem Set-up gab. Das war ein großes Problem auch für den Hermann. Und was die Sache mit ihm betrifft, das war ja kein Disput, das war nichts, das ist ja nur von außen hineingetragen worden. Außerdem habe ich das schon wieder vergessen.“

Genau wisse er also nicht mehr, wie das in Aare damals gewesen sei. „Aggressiver Schnee ja, und für uns eine zache Partie. In Aare ist es von den Verhältnissen her schwierig, vor allem in der Abfahrt, weil selten oder erst einmal in all den Jahren von ganz oben gefahren werden konnte.“ Das war 1986, als Assinger in der Doppelabfahrt mit hoher Startnummer als 21-Jähriger die Ränge sieben und drei belegt hatte. „Deshalb habe ich gute Erinnerungen“, so Assinger.

Maier dagegen hatte in Aare 2001 sogar zwei Weltcup-Siege in Riesentorlauf und Abfahrt gefeiert. Dass ihm Aare im Gegensatz zu Assinger trotzdem ungut in Erinnerung blieb, war der WM 2007 geschuldet, die emotional wohl zum Anfang vom Ende seiner Karriere geworden war. In der darauffolgenden Saison gewann er mit dem Super-G von Lake Louise letztmals ein Weltcup-Rennen. Im Oktober 2009 trat Maier unmittelbar vor Beginn der Olympiasaison im Alter von 36 Jahren zurück.