Nicole Schmiedhofer und Stephanie Venier
ORF.at/Michael Fruhmann
Ski-WM

„Es sollte wieder glitzern um den Hals“

Mit der WM-Abfahrt der Damen steht in Aare am Sonntag ein weiterer Höhepunkt auf dem Programm. Stephanie Venier und Nicole Schmidhofer gelten im ÖSV-Team neben Ramona Siebenhofer als heiße Podestanwärterinnen. Dass der Abfahrtskurs in Aare nicht zu ihren Lieblingsstrecken zählt, soll die beiden an einer weiteren WM-Medaille nicht hindern. ORF.at bat die zwei WM-Mitfavoritinnen vor dem Showdown in Aare zum Gespräch.

Veniers Stern war vor zwei Jahren in St. Moritz aufgegangen, als die nun 25-jährige Tirolerin gleich bei ihrem WM-Debüt die Silbermedaille in der Abfahrt eroberte. Schmidhofers Durststrecke war nicht weniger überraschend mit WM-Gold im Super-G zu Ende gegangen. In der laufenden Saison legte die 29-jährige Steirerin drei Weltcup-Siege nach, zwei davon in der Abfahrt. Venier feierte in Garmisch bei der letzten Abfahrt vor der WM ihren Weltcup-Debütsieg. „Es soll glitzern um den Hals“, so beider Wunsch für die WM-Entscheidung in Aare.

ORF.at: Wie kommt ihr mit den wechselnden Bedingungen in Aare und der Ungewissheit vor der Abfahrt zurecht? Stört das eure Vorbereitung?

Stephanie Venier: Skifahren ist ein Freiluftsport, so ist es nun mal. Wir wussten, dass uns das treffen wird. Egal ob Sonnenschein, Schlechtwetter, Schnee oder sonst was. Wir müssen uns einfach drauf einstellen. Das ist für jede und jeden gleich. Und ein bisschen Glück gehört auch dazu.

Nicole Schmidhofer: Mich beeinflusst das nicht maßgeblich. Wir haben schon verschiedene Sachen probiert, es funktioniert fast alles. Vom Ski her gibt es noch Kleinigkeiten, die ich in der Früh vor dem Rennen von den Bedingungen auf der Piste her erkennen sollte. Aber sonst gibt es kein Problem. Ich nehme es, wie es kommt.

Nicole Schmiedhofer und Stephanie Venier
ORF.at/Michael Fruhmann
Stephanie Venier und Nicole Schmidhofer im Gespräch mit ORF.at-Redakteur Michael Fruhmann

ORF.at: Die Rennpiste wird sich durch den Neuschnee im Vergleich zum Training verändern.

Schmidhofer: Dann wird’s langsamer. Das macht mir nichts aus. Kein Problem.

Venier: Ich hab es schon gern, wenn’s ein bisschen schneller ist. Muss ich mich halt drauf einstellen. Es ist so, wie es ist. Ich kann es nicht ändern, auch wenn ich wollte. Jetzt heißt es, sich drauf einzustellen.

ORF.at: Inwiefern ist die Bestzeit von Ramona Sienebhofer in der Kombi-Abfahrt für euch ein gutes Zeichen?

Schmidhofer: Das zeigt, was wir können und dass wir gut drauf sind. Und dass da jetzt ein Zug ist, an den wir uns dranhängen müssen. Das werden wir am Sonntag machen.

ORF.at: Die Abfahrt in Aare ist recht unbekannt. Was sind nun ihre Eigenheiten? Was macht sie speziell?

Venier: Also lässig wäre einmal, wenn wir von ganz oben fahren könnten und sie nicht verkürzt wird. Ich hoffe, dass uns das nicht wieder bevorsteht. Jedenfalls ist die Abfahrt sehr kurz, selbst bei einem Start von oben.

Schmidhofer: Und nicht allzu steil.

Venier: Oben vielleicht ein bisschen technisch.

Schmidhofer: Mit vielen Schrägfahrten.

Venier: Highspeed gibt’s oben nicht, so richtig schnell ist man nie.

Schmidhofer: Deshalb darf man sich keine Fehler erlauben, weil man das Tempo nicht mehr aufbauen kann.

Venier: Und es gibt keine so weiten Sprünge, von daher ist es angenehm zu fahren. Mehr gibt’s da eigentlich nicht zu sagen.

Schmidhofer: Ja, alles gesagt.

ORF.at: Eine Abfahrt von ganz oben wäre euch also lieber?

Schmidhofer: Der obere Teil ist schon interessant. Dort kann man das Rennen auf jeden Fall vergeigen.

Venier (lacht): Das stimmt.

ORF.at: Warum?

Schmidhofer: Weil die dritte Kurve schon einmal sehr interessant ist. Und die Doppellinkskurve nach dem Super-G-Start wäre mit mehr Tempo auch spannend. Weil wer sie da am besten erwischt, hat eine gute Höhe hin zum „Schweinsbraten“-Sprung. Das sind schon entscheidende Sekunden oben, in denen man das Rennen gewinnen und verlieren kann.

ORF.at: Der Super-G ist für euch abgehakt. Habt ihr daraus eine Lehre für die Abfahrt gezogen?

Venier: Das Rennen haben wir relativ schnell abgehakt, nachdem es sowieso nicht mehr zu ändern war. Der Blick richtet sich wieder nach vorne, in dem Fall auf die Abfahrt am Sonntag.

Schmidhofer: Die Abfahrt ist eine andere Disziplin. Wir hatten es heuer schon oft, dass wir im Super-G davor gut waren und in der Abfahrt nicht. Jetzt ist es umgekehrt. Das eine hat mit dem anderen genau gar nichts zu tun.

ORF.at: In den Trainings lief es gut, bei der WM-Generalprobe in der vergangenen Saison gab es für euch die Ränge neun und 22. Welche Aussagekraft hat das für Sonntag?

Venier: Ich war Vorletzte (lacht). Aber diesmal finde ich, ist es extrem anders als damals beim Weltcup-Finale. Für mich allgemein.

Schmidhofer: Also mein Allgemeinzustand von damals und heute sind 35 Paar verschiedene Skischuhe. Das lässt sich nicht vergleichen.

Venier: Letztes Jahr hat auch das Rundherum nicht so gepasst. Die Ergebnisse waren nicht da, das Selbstvertrauen fehlte. Jetzt ist alles anders. Und wieder anders als vor drei Tagen. Da hatte es minus 30 Grad und nun fast Plusgrade. Hier oben kann man in zwei Wochen jeden Tag anderes Wetter erleben. Sicher ist nichts.

ORF.at: Hat die Abfahrt in Aare das Potenzial, eine eurer Lieblingsstrecken zu werden?

Schmidhofer: Nein. Für mich sicher nicht.

Venier: Schwer zu sagen. Ich mag es lieber, wenn es ein bisschen schneller ist, wenn es mehr zur Sache geht. Die Abfahrt ist nicht leicht.

Schmidhofer: Schwer ist sie auch nicht, aber es ist schwer, schnell zu sein.

Venier: Es ist schwer, sie richtig einzuschätzen. Ab und zu braucht man Höhe, dann wieder muss man mit Richtung in die Kurve reinfahren, ein anderes Mal gerade aufs Tor drauffahren. Wenn du ein Tor verhaust, stehst du komplett daneben und bist weg. Im Garmisch etwa baut man gleich wieder Tempo auf. Hier geht das nicht, weil es nicht so steil ist wie anderswo.

ORF.at: Aufgrund der bisherigen Saisonergebnisse könnt ihr euch der WM-Mitfavoritenrolle trotzdem nicht entziehen.

Schmidhofer: Das will ich gar nicht. Kann ich auch nicht, weil alle in Österreich wissen, was wir können. Die Favoritenrolle ist ja auch was Cooles.

Venier: In die muss man auch erst einmal reingefahren sein.

Schmidhofer: So ist es. Wenn du als Favorit zur WM kommst, muss die Saison schon gut gewesen sein. Aber die erfolgreiche Saison jetzt kann nicht an einem Rennen festgemacht werden. Das ist ein neues Rennen, so wie jedes andere. Wer es am besten macht, gewinnt. Die Favoritenrolle ändert nichts an der Einstellung. Niemand steht am Start und sagt: Hilfe, ich bin Favorit. Wir wollen wie immer unseren Plan umsetzen. Mehr ist es bei der WM auch nicht.

ORF.at: Seid ihr der Typ von Fahrerinnen, bei denen der Erwartungsdruck Energien freisetzt? Oder hemmt er euch?

Venier: Wenn wir am Start stehen, wollen wir einfach die Schnellsten gegen die Zeit sein. Ich denke aber nicht an die Erwartungen oder daran, dass ich Gas geben muss. Jeder muss volle Attacke fahren.

Schmidhofer: Das tut man so oder so auch.

Venier: In dem Moment gibt jeder sein Bestes. Wenn es dir nicht aufgeht, geht es halt nicht auf. Dann waren die anderen eben besser. Das ist eine Momentaufnahme. Klar, es sind Weltmeisterschaften, die zählen in Österreich extrem viel. Aber meinen Weltcup-Sieg oder unsere drei kann uns in dieser Saison keiner mehr wegnehmen.

ORF.at: Abfahrtssilber beim WM-Debüt, Super-G-Gold nach langer Durststrecke – was unterscheidet für euch die WM in St. Moritz von Aare emotional und in der Art, wie ihr sie erlebt?

Schmidhofer: Es ist jetzt schon anders, weil die mediale Aufmerksamkeit größer ist. Von der Anspannung her ist es gleich. Auch in St. Moritz habe ich schon gewusst, was ich kann und war total fokussiert. Jetzt ist es genau so. Ich bin brutal gut drauf. Und mit noch mehr Selbstvertrauen als vor zwei Jahren. Da war mein Sieg im Super-G noch eine Überraschung. Von der Emotion und vom Gefühl her gehe ich mit einem besseren Gefühl in diese WM. Das taugt mir einfach. Wenn es aufgeht, passt es. Das Gefühl am Start ist für mich jetzt angenehmer. In St. Moritz hatte ich den Druck, meinen Startplatz in der Abfahrt zu rechtfertigen. In Aare habe ich ihn mir verdient. Jetzt muss ich nur mehr gut Ski fahren und am Sonntag mein Potenzial abrufen.

Venier: Ich kam in St. Moritz als totaler Underdog daher, in der Abfahrt war Platz sieben mein bestes Ergebnis. Dass ich Vizeweltmeisterin wurde, war für mich damals unglaublich. Das war für mich und alle anderen völlig überraschend. Hier ist es anders, jetzt will ich mir das wieder erarbeiten, weil ich weiß, wie schön und lässig dieses Gefühl war. Wäre cool, wenn ich das noch einmal erleben könnte.

Stephanie Venier und Nicole Schmidhofer 2017
GEPA/Harald Steiner
Vor zwei Jahren holte Schmidhofer zunächst Gold im Super-G, Venier später Silber in der Abfahrt

ORF.at: Bei einer WM oder Olympia heißt es, zählen nur die Medaillen. Zählt für euch insgeheim in der Abfahrt nur mehr Gold?

Schmidhofer: Nach dem Super-G bin ich Bett gelegen und habe festgestellt, dass es leichter ist, mit nichts zu einer WM zu kommen. Noch nie was gewonnen zu haben und Weltmeisterin zu werden ist einfacher, als schon gewonnen zu haben und eine Medaille zu holen. Vom Kopf her ist es offenbar schon was anderes. Ich bin nur froh, dass ich Gold schon zu Hause habe. Das nimmt mir niemand mehr weg. Das gibt’s bis in alle Ewigkeit. Das bleibt mir auch, falls es mit Gold hier nicht klappt.

Venier: Ich finde trotzdem alle drei schön. Medaille ist Medaille.

Schmidhofer: So ist es. Egal welche Farbe.

Venier: Zu einer WM fahre ich aber sicher nicht, weil ich mir vornehme, unter die besten sieben zu fahren. Oft wird uns sogar vorgeworfen, dass wir nur über Medaillen reden. Aber es zählt eben nur eins, zwei, drei. Platz vier bei der WM bringt mir gar nichts.

Schmidhofer: Wenn wir nach Aare kommen und sagen, wir sind happy, wenn wie unter die Top Fünf fahren, fragen uns alle, ob wir deppert sind. Wie man es auch sagt, es ist verkehrt. Wir für uns wissen aber, dass alles außer Medaillen für die Statistik ist.

Venier: Wer Vierter wurde, weißt du in zwei, drei Wochen nicht mehr. An unsere Medaillen vor zwei Jahren können sich die meisten noch erinnern.

Schmidhofer: Was man hat, hat man. Das macht es in dieser Situation jetzt für mich einfacher. Und als Favorit zu einer WM zu kommen, ist mir wirklich lieber.

ORF.at: Wie wirkt sich die in Aare überschaubare Anzahl von Zuschauern für euch als Fahrerinnen aus? Wie denkt ihr darüber?

Venier: Wir leben von den Fans. Es wäre voll traurig, wenn gar niemand mehr zuschauen kommen würde. Natürlich fahren wir für uns, aber wir wollen auch den Fans was bieten und geben. Dass in Aare nicht so viele sind, liegt vielleicht daran, dass hier oben Langlaufen und Biathlon an oberster Stelle stehen. Die Einheimischen sind wahrscheinlich als Volunteers eingespannt (lacht). Und der Rest muss hier erst einmal herfinden.

Schmidhofer: Für mich selbst ändert sich beim Rennen nichts. Ob da 1.000 oder 7.000 Leute stehen, Ski fahren muss trotzdem ich. Meine Einstellung im Rennen ist mit oder ohne Zuschauer gleich. Die Emotion im Ziel ist natürlich anders, wenn du was gewinnst. Wie bei mir in Lake Louise vor ein paar hundert Leuten. In dem Moment fühlst du dich wie die Siegerin eines Europacup-Rennens. Da gehen die Emotionen flöten. Das ist wie im Fußball: Sicher sehe ich im Fernsehen mehr, aber ins Stadion gehe ich wegen der Atmosphäre.

ORF.at: Gibt es einen besonderen Wunsch für Sonntag?

Schmidhofer: Es sollte wieder glitzern um den Hals. Und schwer sein.

Venier: Glitzern ist immer gut. Sonst hätte nicht so viele Schuhe und Sachen daheim, die glitzern (lacht). Mein Ziel ist einfach, abzubremsen, und mir nicht vorwerfen zu müssen, dass ich irgendwas hätte besser machen können. Was dabei rauskommt, werden wir sehen.