Der leitende Ermittler der Polizei, Dieter Csefan
GEPA/Daniel Goetzhaber
Doping

Dreistigkeit erstaunt Ermittler

Der leitende Ermittler des Bundeskriminalamtes (BK), Dieter Csefan, erwartet sich in der aktuellen Blutdopingaffäre noch weitere Beschuldigte. Erstaunt zeigte er sich über die Dreistigkeit der mutmaßlichen Drahtzieher und unter Verdacht stehenden Sportler.

„Das läuft schon seit Jahren, da gab es kein Unrechtsbewusstsein“, sagte der Kriminalbeamte der APA in einem am Dienstag veröffentlichten Interview. Wie man aus den Vernehmungen wisse, bestehe der Kontakt des bei der nordischen Ski-WM in Seefeld auf frischer Tat beim Blutdoping ertappten Langläufers Max Hauke und seines Teamkollegen Dominik Baldauf zu dem Arzt schon seit Jahren.

Die Verwicklung weiterer WM-Teilnehmer schließt Csefan zum jetzigen Zeitpunkt aus. „Wir können ausschließen, dass es weitere Athleten in Seefeld gegeben hat, die von dieser Organisation bedient worden sind.“ Das gelte nach derzeitigem Ermittlungsstand auch für österreichische Betreuer: „Nach unseren Beobachtungen waren keine Betreuer oder Funktionäre betroffen.“

Untersuchungen stehen erst am Anfang

Csefan geht davon aus, dass sich die Wogen noch lange nicht glätten werden. Schließlich stehe man bei der Auswertung der Spuren, der Zeugen- und Beschuldigtenaussagen erst am Anfang. „Ich bin überzeugt davon, dass es noch weitere Beschuldigte geben wird“, sagte er. Sein Team wertet derzeit unter anderem DNA-Spuren von mehreren in Seefeld beschlagnahmten Blutbeuteln aus. Diese seien beim Zugriff während der WM sichergestellt worden.

Max Hauke (AUT)
GEPA/Christopher Kelemen
Hauke war in Seefeld auf frischer Tat ertappt worden

Einer stammt von Hauke. Weitere seien für Athleten aus dem Ausland gedacht gewesen, die laut einem vereinbarten Behandlungsplan vor und nach Hauke dran gewesen wären. „Eigentlich hatten die Festgenommenen noch Termine mit anderen Sportlern ausgemacht, die Blutbeutel hatten sie schon mit“, so der mit sechs Kollegen an dem Fall arbeitende Csefan.

„Nicht für eine Handvoll Athleten“

Michael Cepic, der Geschäftsführer der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA), nahm gegenüber dem ORF zur aktuellen Dopingcausa Stellung. Von deren Ausmaß sei er nicht überrascht: „Wenn man die Berichterstattung betrachtet, dann muss klar sein, dass ein so organisierter Ablauf sicher nicht für eine Handvoll Athleten der Fall ist. Da muss mehr dahinterstecken“, sagte Cepic.

NADA rechnet mit weiteren Dopingfällen

Die neuen Dopingfälle kommen für die NADA nicht überraschend – dort stellt man sich vielmehr darauf ein, dass noch mehr kommt.

Folglich rechnet der Funktionär mit zusätzlichen Fällen – in Österreich und vor allem darüber hinaus: „Ich glaube, dass auch national noch Fälle auftreten werden, aber in weiterer Folge in weitaus größerem Ausmaß auf internationaler Ebene.“

Arzt als Tourist getarnt in Seefeld

Csefan sagte, man wisse dank umfangreicher Ermittlungsarbeit, dass Hauke in direktem Kontakt mit dem Arzt gestanden sei, um den Termin unmittelbar vor dem WM-Rennen über 15 km am Mittwoch zu koordinieren. Der als mutmaßlicher Haupttäter gleichzeitig in Erfurt festgenommene Sportmediziner sei vor der Razzia als Skitourist getarnt unter falschem Namen auch in Seefeld gewesen, dann aber wieder abgereist, sagte Csefan.

Die Behandlungen während des Zugriffs führte laut dem Ermittler eine mutmaßliche Komplizin des Arztes durch. Es gebe außerdem Zeugenaussagen, dass der Vater des Arztes, ein Rechtsanwalt, ebenfalls Blutdopingbehandlungen an Athleten angewendet haben soll.

Auch Denifls Lebensgefährtin beschuldigt

Sehr wohl involviert sind neben den fünf festgenommenen Langläufern aber Georg Preidler und Stefan Denifl. Die beiden Radprofis und auch Denifls Lebensgefährtin werden vom BK als Beschuldigte geführt. „Wir haben Denifl am Freitag festgenommen und auch seine Lebensgefährtin vorgeführt zur Vernehmung, weil sie telefonisch in Kontakt mit dem Arzt gestanden ist. Sie hat auch Bescheid gewusst“, sagte Csefan.

Denifl legte wie die fünf Langläufer in den Polizeiverhören ein Blutdopinggeständnis ab. Preidler wandte sich am Wochenende mit einer Selbstanzeige an die Behörden. Dass seinem Beispiel weitere Sportler folgen könnten, hält der BK-Ermittler für nicht unwahrscheinlich, denn die zu erwartende Zuordnung von rund 40 in Deutschland beschlagnahmten Blutbeuteln sorge sicher für großen Druck. „Ich schließe nicht aus, dass noch weitere kommen, weil sie mit einer Selbstanzeige verhindern, dass sei eingesperrt werden, die Verdunkelungsgefahr als Haftgrund fällt weg.“

Warten auf Ergebnisse aus Deutschland

Bezüglich der in Deutschland beschlagnahmten Blutdopingzentrifuge samt den zahlreichen Blutbeuteln mit Namenskürzeln sei man gespannt auf die Ermittlungsergebnisse der dortigen Kollegen. „Da müssen wir abwarten, bis wir neue Erkenntnis bekommen.“ Die Vernehmung des Arztes und seiner mutmaßlichen Komplizen soll nächste Woche in München stattfinden. „Dann kriegen wir die Ergebnisse, danach richten sich auch unsere Ermittlungen.“ Bei der Aufklärung arbeite das BK auch mit der NADA und dem Österreichischen Skiverband (ÖSV) zusammen.

Csefan wies die von ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel ins Spiel gebrachte „Verschwörungstheorie“ zurück, wonach die Ermittler gezielt nach gewissen Nationen gefahndet hätten. „Wir wussten vor dem Einsatz nicht, welche Nationen betroffen sind. Wir wussten lediglich, dass der Arzt ein Hotelzimmer und ein Appartement angemietet hat.“