Marcel Hirscher und Clement Noel
AP/Gabriele Facciotti
Ski alpin

Jungstars drängen in vakante Rollen

Mikaela Shiffrin und Marcel Hirscher haben heuer einmal mehr den Rest des Feldes im alpinen Weltcup überstrahlt. Die Saison 2018/19 stand aber nicht nur im Zeichen der Superstars, sondern war auch von einigen prominenten Rücktritten geprägt. Der Generationenwechsel auf den Pisten ist voll im Gange.

Die Skifans müssen sich in der kommenden Saison auf das Fehlen einiger bekannter Namen im Weltcup einstellen. Denn heuer traten gleich mehrere Superstars der Szene von der Bühne ab. Allen voran die 82-fache Weltcup-Siegerin und 20-fache Kristall-Gewinnerin Lindsey Vonn aus den USA und der mehrfache Weltmeister und Olympiasieger Aksel-Lund Svindal aus Norwegen, die sich bei der WM in Aare in die Skipension verabschiedeten.

Das Weltcup-Finale in Soldeu war auch der letzte Auftritt der schwedischen Slalom-Olympiasiegerin Frida Hansdotter und Deutschlands Slalom-Aushängeschild Felix Neureuther. Erstgenannte verabschiedete sich in schwedischer Tracht und mit Zimtschnecken von Trainern und Kolleginnen, der deutsche Weltcup-Rekordsieger Neureuther verzichtete auf eine Show und schwang letztlich als Siebenter des finalen Slaloms ab.

Noel als Aufsteiger der Saison

Die Lücke, die Größen wie Svindal und Neureuther hinterlassen, sollte bei den Männern aber schnell gestopft sein. An der Spitze der aufstrebenden „jungen Wilden“ steht Clement Noel, der auch zum Rising Star der Saison gekürt wurde. Der 21-jährige Franzose, im Vorjahr Junioren-Weltmeister im Slalom, katapultierte sich mit Siegen bei den Klassikern von Wengen und Kitzbühel sowie beim Finale in Soldeu in die Weltspitze.

Clement Noel
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Noel war heuer neben Hirscher der erfolgreichste Slalom-Läufer der Saison

Auch in der Schweiz bekamen zwei Rohdiamanten heuer immer mehr Schliff. Marco Odermatt, Junioren-Weltmeister 2018 in allen Disziplinen außer Slalom, bewies sein Talent gegen Ende der Saison mit den Rängen drei und zwei in den Riesentorläufen von Kranjska Gora und Soldeu. Mit dem 22-jährigen Loic Meillard, Zweiter im RTL und Slalom von Saalbach-Hinterglemm, haben die Schweizer einen weiteren jungen Technikpfeil im Köcher.

Speziell Noel würde weitere Rücktritte nach der Saison, speziell jenen Hirschers, bedauern. „Ich will mich mit Champions messen, mit den Besten, und Marcel ist der Beste. Es ist eine Freude, mit ihm Rennen zu fahren. Das wäre wirklich traurig für den alpinen Skisport, wenn er aufhört“, sagte Noel. „Es will mich ja nur jeder schlagen, das ist die Wahrheit, und sie sehen, dass es einfacher wird in Zukunft“, meinte Hirscher lachend. Die Jungen würden brillant und technisch sauber fahren, das sei eindrucksvoll, so der Salzburger.

Talente von Vorarlberg bis Neuseeland

Auch bei den Damen könnte sich Saisondominatorin Shiffrin in naher Zukunft auf härtere Konkurrenz einstellen müssen. Beim Weltcup-Finale in Soldeu erschien die erst 17-jährige Neuseeländerin Alice Robinson mit einem Paukenschlag in Form von Platz zwei auf der großen Bühne. Die amtierende Junioren-Weltmeisterin verwies dabei immerhin die slowakische Weltmeisterin Petra Vlhova aus der Slowakei in die Schranken. „Das ist verrückt, ich bin überglücklich“, sagte Robinson, die für den ersten neuseeländischen Podestplatz im Weltcup seit Claudia Riegler 2002 im Slalom von Lenzerheide sorgte.

Alice Robinson
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Robinson zeigte beim Weltcup-Finale, dass in naher Zukunft mit ihr zu rechnen sein wird

Im Slalom empfahl sich zur Freude der heimischen Skifans die Vorarlbergerin Katharina Liensberger für eine prominentere Rolle im Kampf um die Kristallkugel. Die 21-Jährige durfte sich heuer in Flachau über ihren ersten Podestplatz freuen und war auch sonst eine der konstantesten ÖSV-Läuferinnen. „Ich habe heuer gute Resultate in die richtige Richtung gezeigt, aber trotzdem sind noch viele Schritte zu tun“, sagte Liensberger gegenüber dem ORF in Soldeu. Mit der Olympiadritten Katharina Gallhuber, die heuer aufgrund einer Knieverletzung die Saison verpasste, kehrt im Herbst zudem eine dann 22-jährige Slalom-Hoffnung in den Weltcup zurück.

Duo dominiert Geschehen

Vorerst führte an Hirscher und Shiffrin aber einmal mehr kein Weg zu den Kristallkugeln vorbei. Hirscher holte sich mit neun Saisonsiegen zum achten Mal in Folge die große Kristallkugel für den Gesamtweltcup und baute seine Sammlung an Weltcup-Trophäen mit den kleinen für Slalom und Riesentorlauf auf 20 aus. Dazu kamen auch noch Gold und Silber bei der WM in Aare in Slalom und Riesentorlauf.

Hirschers Saisonbilanz

Mit Platz 14 im Slalom von Soldeu hat Marcel Hirscher die Weltcup-Saison abgeschlossen. Die Enttäuschung hat sich aber in Grenzen gehalten.

Trotz seiner Erfolge stand Hirscher doch im Schatten von Shiffrin. Die US-Amerikanerin dominierte den Damen-Weltcup noch deutlicher als Hirscher bei den Männern. 17 Saisonsiege in 26 Rennen, die die US-Amerikanerin bestritt, sind einsame Spitze in der Geschichte. Die erst 24-Jährige hält damit bereits bei 60 Erfolgen. Die Super-G- und Slalom-Weltmeisterin von Aare holte zum dritten Mal den Gesamtweltcup, zum sechsten Mal die Slalom-Wertung und zum jeweils ersten Mal Kristall in Riesentorlauf und Super-G.

Preisgeldkönigin nach Traumsaison

Mit ihren Erfolgen stach Shiffrin Hirscher auch in Sachen Preisgeld aus. Die Amerikanerin räumte 886.386 Schweizer Franken (780.270 Euro) an Prämien und damit fast doppelt so viel wie die zweitplatzierte Vlhova (428.195 Franken) ab. Zum Vergleich: Hirscher verdiente heuer 565.111 Franken (497.610 Euro). Die bestverdienende Österreicherin Nicole Schmidhofer nahm auf ihrem Weg zum Gewinn des Abfahrtsweltcups 209.450 Franken (184.430 Euro) an Preisgeldern mit.

Mikaela Shiffrin
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Shiffrin war auch heuer die große Abräumerin bei den Kristallkugeln

„Es war eine sehr spektakuläre Saison – wie ein Traum“, sagte Shiffrin, die im Gegensatz zu so mancher Konkurrentin und so manchem männlichen Kollegen bis zum Schluss top in Form war. „Es war gut, dass ich einige Rennen ausgelassen und stattdessen trainiert habe. Dadurch bin ich noch mit so viel Energie hierher gekommen“, so die 24-Jährige beim Weltcup-Finale. Mit nun insgesamt 60 Weltcup-Siegen hat Shiffrin nur um sieben weniger als der sechs Jahre ältere Hirscher. Setzt Shiffrin ihre Dominanz fort, fällt in naher Zukunft der Rekord von Ingemar Stenmark (86).

Hirscher, der sich kaum Pausen gönnte und sogar bei der WM in Aare trotz starker Erkältung im Vorfeld antrat, spürte hingegen am Ende der Saison die Strapazen. Der 30-Jährige konnte in Soldeu nicht an seine sonstigen Leistungen anschließen. Kein Wunder, dass der Seriensieger erneut Fragen nach einem möglichen Rücktritt auf dem Höhepunkt seines Schaffens gefragt wurde. „Aber da ist die Freude am Rennfahren, ich mache das gern. Aber der ganze Wahnsinn drumherum, den mache ich nicht gern. Und es wird immer mehr“, sagte Hirscher.