Nicole Schmidhofer im Speed-Rennanzug
Jan Farrell Media
Speedski

Schmidhofer kratzt an 200-km/h-Marke

Speed-Ass Nicole Schmidhofer hat sich einer neuen Herausforderung gestellt. Die Siegerin des alpinen Abfahrtsweltcups schaltete noch einen Gang höher und bewies bei der Speedski-WM im französischen Vars schon am ersten Tag ihren Mut. Ziel der Steirerin ist die 200-km/h-Marke. In der Qualifikation am Freitag riss sie als kleinen Vorgeschmack den österreichischen Frauenrekord an sich.

Schmidhofer hatte in der Quali gleich im ersten Lauf auf 188,679 km/h beschleunigt und damit für eine österreichische Bestmarke gesorgt . Im zweiten verfehlte sie mit sogar 199,778 km/h die magische 200er-Marke haarscharf. Als insgesamt Fünfte schaffte sie dafür souverän die Qualifikation für das Halbfinale der besten acht am Samstag. Die besten fünf bestreiten das Finale. Bisher schnellste Österreicherin war Cornelia Seebacher gewesen, die es vor fünf Jahren auf 179,600 km/h gebracht hatte.

„Es war total lässig, und ich hatte bereits großen Spaß bei meinen Fahrten. Es lässt sich absolut nicht mit dem Abfahrtssport vergleichen, das ist eine andere Welt“, sagte Schmidhofer, die in der Quali durchaus arrivierte Speedski-Athletinnen hinter sich gelassen hatte. „Es wäre echt toll, wenn ich mich am Samstag noch fürs Finale qualifizieren könnte und somit die Möglichkeit für einen weiteren Lauf bekomme.“ Locker ins Halbfinale zogen weiters Klaus Schrottshammer als Zweiter (208,454 km/h) und Manuel Kramer als Vierter (207,493 km/h) ein.

Keine Verschnaufpause

Auch für Schmidhofer sind die 200 km/h in greifbare Nähe gerückt. Die Strapazen am Ende der langen Weltcup-Saison zahlten sich aus. Nach der kleinen Kristallkugel in der Abfahrt, die sie als erste Österreicherin seit ihrer steirischen Landsfrau Renate Götschl vor zwölf Jahren gewann, gab es keine Verschnaufpause. In Soldeu in Andorra, am Ort des alpinen Weltcup-Finales, hatte sie zu Beginn der Woche erstmals auch die ungleich längeren Speedski zu Test- und Trainingswecken angeschnallt.

Schmidhofer tastet sich an die 200 km/h heran

Bereits in der Qualifikation fuhr Nicole Schmidhofer zu einer Bestmarke. Am Samstag will die Steirerin die 200 km/h übertreffen.

Schon die ersten Eindrücke waren für Schmidhofer vielversprechend gewesen. „Das Training war auf alle Fälle interessant, es war zwar sehr unruhig, aber die ersten Fahrten waren bereits sehr lässig. Ich habe mich herangetastet, das hat sich schon einmal ganz gut angefühlt“, sagte Schmidhofer, die sich trotz erprobter Abfahrtsqualitäten an die Geschwindigkeit erst hatte gewöhnen müssen.

Immerhin bis zu 160 km/h schnell war die Super-G-Weltmeisterin von 2017 bei ihrem Premierentraining am Montag, das zweite am Dienstag war wegen Schlechtwetters und unzumutbarer Pistenbedingungen abgesagt worden. Also reiste die seit einer Woche 30-Jährige vorzeitig nach Frankreich, wo bis zum Beginn der WM-Qualifaktion trainiert und getestet wurde.

Grenzgang für Schmidhofer

Die Chabriere-Piste in Vars im Skigebiet La Foret Blanche gilt als die schnellste der Welt. Nicht zufällig hatte hier 2016 der Italiener Ivan Origone mit 254,958 km/h den aktuellen Speed-Weltrekord aufgestellt, Landsfrau Valentina Greggio war Origone als Rekordhalterin und also schnellster Skifahrerin der Welt mit 247,083 km/h bemerkenswert nahe gekommen. Die österreichische Bestmarke (248,447 km/h) stellte der zweifache Speed-Weltcup-Gesamtsieger Schrottshammer 2016 wie drei Jahre davor Seebacher ebenfalls in Vars auf.

98 Prozent weist das Gefälle zu Beginn des 1.220 Meter langen Hanges in Vars auf, auf schnurgerader Strecke werden bei einem Start von ganz oben 495 Höhenmeter absolviert. Mit dem anfänglichen Gefälle ist Vars im internationalen Vergleich vorne dabei. Die Mausefalle in Kitzbühel bringt es auf bescheidene 85 Prozent, Spitzenreiter ist allerdings der Freie Fall in St. Moritz, der seinem Namen zur Gänze entspricht: 100 Prozent steil geht es am Start der dortigen Herren-Abfahrt zur Sache.

Österreichs Speedski-Team
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Schmidhofer mit ihren ÖSV-Teamkollegen Klaus Schrottshammer (l.) und Manuel Kramer in Vars

Die Steilheit der Pisten gepaart mit höchstem Tempo machen erst den Reiz in Vars und beim Speedskiing allgemein aus. Schmidhofer gab sich motiviert und bereit, ihre Grenzen auf Ski neu zu definieren. Technik sei dabei nicht wichtig, diesmal zähle die Geschwindigkeit allein. „Mich dabei an die Grenzen zu bewegen, macht bei diesem Vorhaben den Reiz für mich aus“, so Schmidhofer, die per se nicht an Medaillen denkt. Mehr zählt die 200-km/h-Grenze, die sie überschreiten will.

Tipps vom Vizeweltmeister

Hilfreiche Tipps bekam Schmidhofer übrigens von Kramer, dem Super-G-Weltmeister der Junioren von 2009, der vor vier Jahren auf Speedski umsattelte und mit Schrottshammer das ÖSV-WM-Team komplettiert. 2017 in Idre (SWE) hatte er sich zum Vizeweltmeister aufgeschwungen, erneut gilt der Salzburger wie Schrottshammer („Für Spannung ist gesorgt“) als heißer Anwärter auf eine Medaille. „Grundsätzlich sollte es ganz gut passen, abgerechnet wird dann nach dem letzten Lauf“, sagte Kramer, der Rookie Schmidhofer in der WM-Vorbereitung zur Seite gestellt worden war.

Zum Selbstläufer wurde die Tempojagd für Schmidhofer trotzdem nicht. Die Materialumstellungen (Ski, Helm, Anzug) stellten sie vor eine große Herausforderung, wie Christoph Prüller, ÖSV-Referatsleiter und Delegationschef in Vars, erklärte. „Das größte Problem sind definitiv die fehlenden Fahrten. Schmidhofer hatte nicht die Möglichkeit, die gleiche Position mehrmals zu testen. Auch die Geschwindigkeiten kann sie schwer abschätzen“, sagte Prüller. „Aber sie setzt die Anweisungen und Tipps sofort um und macht riesengroße Fortschritte. Wenn sie den Sprung ins Finale schafft, wäre das eine tolle Zugabe.“