Enttäuschung Julian Baumgartlinger
APA/Robert Jäger
EM-Qualifikation

Debakel als Weckruf für das Team

„Österreichs Teamspieler haben letzte Saison 20.000 Minuten in den Top-Fünf-Ligen Europas gespielt. Unsere 870.“ Das rechnete Israels Sportdirektor Willi Ruttensteiner am Sonntag im Sammy-Ofer-Stadion von Haifa nach dem 2:4-Debakel Österreichs in der EM-Qualifikation gegen Israel vor. „Da sieht man, was im Fußball Teamspirit und Einsatz ausmachen können.“

Es war eine mögliche Erklärung des einstigen Technischen Direktors des Österreichischen Fußballbundes (ÖFB) für die Abfuhr der Österreicher, die ihrerseits fassungslos über die eigene Leistung waren. „Unerklärlich“, „zu wenig Leidenschaft“, „zu passiv“ und „geschenkter Sieg“ waren nur einige der Wortmeldungen der Teamkicker nach der erst zweiten Niederlage im zehnten Duell mit Israel.

Eine weitere Erklärung für die zweite Niederlage in Gruppe G nach dem 0:1 gegen Polen letzten Donnerstag und die ernüchternde Bilanz von null Punkten, 2:5-Torverhältnis und dem daraus resultierenden vorletzten Tabellenplatz knapp vor Schlusslicht Lettland, ist, dass sich die ÖFB-Elf nach der raschen 1:0-Führung durch Marko Arnautovic in der achten Minuten ihrer Sache zu sicher war.

Unerklärliche Passivität

Qualität muss eben auch auf den Platz gebracht werden. Der Gegner wurde zu Beginn kontrolliert. Der Weltranglisten-92. Israel hatte mit dem Tempo der Österreicher, in der Weltrangliste noch auf Platz 23, mit ihrer Ballsicherheit und ihrem Einsatz schwere Probleme. Doch wie schon gegen Polen dauerte Österreichs Herrlichkeit lediglich 30 Minuten an, bis der Zerfall begann.

Debakel für ÖFB-Team in Israel

Österreich schlitterte in Israel in ein 2:4-Debakel. Die Elf von Franco Foda ging zwar früh in Führung, gab dann das Spiel aber aus der Hand.

Schließlich versetzten Eran Sahavi mit drei Toren (34., 45. und 55. Minute) sowie Salzburg-Torjäger Munas Dabbur (66.) Israels Fans in Ekstase. Das 2:4 von Arnautovic in der 75. Minute war nur eine Resultatsverschönerung. Auch die nicht genutzten Topchancen kurz vor der Pause konnten für Österreich nichts am eklatanten Leistungsabfall verändern.

ÖFB-Kapitän Julian Baumgartlinger wollte so wie der Rest der Mannschaft nach dem enttäuschenden Auftritt nichts beschönigen: „Das haben wir uns eindeutig selbst zuzuschreiben. Ein Stück weit ist es unerklärlich, dass wir so passiv werden und das Spiel so verlieren. So haben wir uns das nicht vorgestellt.“

Fehlende Mentalität?

Tormann Heinz Lindner war ebenso ratlos: „Ich weiß nicht, warum wir aufgehört haben, so dominant aufzutreten. Nach den zwei Toren sind die Israelis aufgewacht. Wir sind nicht so aufgetreten, wie wir uns das vorgenommen haben und wie es notwendig ist, um hier drei Punkte zu holen.“

„Vielleicht hat die Mentalität gefehlt, die letzten Meter zu verteidigen. Das ist etwas, was uns aber die letzten Jahre ausgezeichnet hat. Wir haben es dem Gegner immer schwergemacht, gegen uns Tore zu erzielen. Es war heute von uns in der Defensive zu wenig. Es war ein absoluter Weckruf, dass wir mit dieser Mentalität so nicht weiter auftreten dürfen“, sagte der Schlussmann der Grasshoppers Zürich.

„Haben Israel das Spiel geschenkt“

Auch Verteidiger Aleksandar Dragovic nahm sich von der allgemeinen Kritik an der Leistung der ÖFB-Auswahl nicht aus: „Wir dürfen so nicht auftreten, wir haben Israel das Spiel geschenkt. Wir haben heute zu wenig Leidenschaft gezeigt. Wenn wir so weiterspielen, haben wir keine Chance in der Quali. Jetzt sind wir in der Realität angekommen.“

Für Valentino Lazaro stand fest: „Das war ein schlechter Auftritt von uns. Nach dem 1:0 haben die letzten Prozent gefehlt. Wir haben uns den Spaß nehmen lassen.“ Allerdings gab sich der Hertha-BSC-Legionär auch kämpferisch: „Wir wollen wieder in die Spur finden, nicht aufgeben. Ich glaube, niemand wird uns die Qualität dafür absprechen. Die müssen wir jedoch auf den Platz bringen.“

Eine Einstellung, die vor den Duellen am 7. Juni in Klagenfurt gegen Slowenien und am 10. Juni auswärts gegen Nordmazedonien mehr denn je gefragt ist. Die EM-Qualifikation ist nach zwei Niederlagen zu Beginn noch nicht verloren, doch viel Spielraum besteht nicht mehr. Die Konkurrenz enteilt sonst im Kampf um die beiden für die direkte Qualifikation notwendigen Topplätze. „Wir müssen jetzt beweisen, dass wir so gut sind, wie wir glauben“, meinte Lazaro.

„Komisches Gefühl“ für Herzog

Dabei hat sogar Israels Trainer Andreas Herzog, mit 103 Spielen gleichzeitig auch ÖFB-Rekordinternationaler, lange nicht an den eigenen Erfolg geglaubt, weil er eben über die Möglichkeiten der Österreich Bescheid wusste. „Es ist schon ein komisches Gefühl, gegen sein Heimatland zu gewinnen, aber natürlich bin ich sehr stolz auf meine Mannschaft.“

„Wir hatten zu Beginn Probleme, sind mit etwas Glück vor der Pause 2:1 in Führung gegangen. Die zweite Halbzeit war dann eine Wahnsinnsleistung mit dem Publikum im Rücken. Da waren wir wirklich sehr gut. Dass wir 4:1 führen, damit habe ich nicht gerechnet. Die Israelis meinen, dass das vielleicht das beste Spiel eines israelischen Nationalteams seit 20, 25 Jahren war.“

Teamchef Franco Foda, Israels Teamchef Andreas Herzog und Mentalcoach Markus Rogan
APA/Robert Jäger
Teamchef Herzog (l.) und Mentaltrainer Rogan (r.) stimmten Israel perfekt für das Duell mit Österreich ein

Ein Erfolg für die „Verdammten“

Einem pikanten, aber angesichts des 2:4 wohl nicht unwesentlichen Detail am Rande konnte man sich als Beobachter nicht entziehen. Am Ende siegten der vom ÖFB entlassene Ruttensteiner, der mehrmals als ÖFB-Teamchef verschmähte Herzog sowie der ehemalige Weltklasseschwimmer Markus Rogan, der in Österreichs Sport auch keine Rolle mehr spielt und von Israel erst vor wenigen Tagen als Mentalcoach engagiert wurde.

„Wie er die Mannschaft heute Vormittag motiviert hat, war stark. Er hat den Nerv der Mannschaft mit den ersten vier, fünf Sätzen getroffen. Zwei, drei Minuten haben gereicht, um sie zu pushen“, sagte Herzog. Und so gehört das Schlusswort Israels Mentalcoach Rogan, der zum Erfolg meinte: „Das Schöne am Sport ist, im entscheidenden Moment die notwendige Leistung zu bringen.“ Wie wahr.