Rapid-Trainer Dietmar Kühbauer im Alllianz Stadion
ORF.at/Dominique Hammer
Fußball

„Mich gibt es nur mit 100 Prozent“

Er ist Teil des Jahrhundertteams von Rapid, im Clubmuseum ist ihm eine eigene Vitrine gewidmet, seit Oktober ist er Trainer seines Lieblingsvereins: Dietmar Kühbauer steht am Mittwoch im Finale des Uniqa-ÖFB-Cups gegen Red Bull Salzburg (16.30 Uhr, live in ORF1 und im Livestream) vor seiner bisher größten Partie als Coach. Im Interview mit ORF.at fordert der 48-Jährige von seinen Spielern, wofür er selbst steht: volle Überzeugung.

Kühbauer, 55-facher österreichischer Nationalspieler, avancierte als Spieler in den Jahren 1992 bis 1997 zu einem grün-weißen Publikumsliebling, holte mit den Hütteldorfern 1995 den bisher letzten Cuptitel und 1996 die Meisterschaft. Nach Stationen als Trainer bei der Admira und dem WAC sowie einer zweieinhalbjährigen Pause heuerte er via St. Pölten im Herbst bei seinem Herzensclub an.

Im Interview erklärt Kühbauer, warum der Cupsieg 1995 keine Rolle mehr spielt, schildert den Unterschied zwischen Rapid einst und jetzt, blickt in die Zukunft und erläutert, wie er sich als Trainer verändert hat und in welcher Hinsicht Finalgegner Salzburg für ihn ein Vorbild ist.

ORF.at: Etwas mehr als 200 Tage üben Sie nun Ihren erklärten Traumberuf als Rapid-Cheftrainer aus. Sind die Flitterwochen vorbei?

Dietmar Kühbauer: Nein, ich fühle nach wie vor so. Es ist einfach schön, weil ich mein Leben lang Rapidler bin. Aber ich muss hier die Arbeit genauso erledigen wie bei einem kleineren Club. Hier habe ich eben bessere Möglichkeiten, die Arbeit wird aber immer dieselbe bleiben. Egal, wo ich war, ich habe immer das investiert, was notwendig ist. Mich gibt es nur mit 100 Prozent.

ORF.at: Was hat sich gegenüber Ihrem Engagement als Spieler bei Rapid seither verändert?

Kühbauer: Das Hanappi-Stadion war fantastisch, schon zu meiner Zeit, aber das neue Stadion ist in seiner Gesamtheit einfach ein besserer Service an die Fans. Es ist noch kompakter geworden, es ist größer geworden, die Zuschauer sind mehr geworden. Rapid interessiert noch mehr Leute als zu meiner Zeit. Auch wenn man die Angestellten sieht: Wir hatten bestenfalls 30, jetzt sind es um die 150. An den Zahlen merkt man schon, dass sich etwas bewegt und Rapid wirklich die Leute mobilisiert.

Rapid-Trainer Dietmar Kühbauer im Alllianz Stadion
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Dietmar Kühbauer: „Das neue Stadion ist in seiner Gesamtheit ein besserer Service an die Fans“

ORF.at: Apropos Vergangenheit und Gegenwart: Sie waren beim bisher letzten Cupsieg Rapids 1995 als Spieler dabei. Ist das an Tagen wie diesen besonders präsent?

Kühbauer: Ich lebe nicht in der Vergangenheit, mir ist die Gegenwart und Zukunft weit wichtiger. Aber es war schön. Dass Peter (Guggi, Anm.) uns zum Sieg schießt, hätte ich mir nicht gedacht (grinst). Aber es geht nicht um das, was war. Das ist ja auch so eine Krankheit. Wir leben im Jetzt, und für unsere Spieler und mich selbst ist es enorm wichtig, was wir vor uns haben. Generell sollte ein Trainer nie von seinen früheren Dingen erzählen, das hat keinen Wert für einen Spieler. Ein paar waren ja auch noch gar nicht auf der Welt, als wir damals den Titel geholt haben.

ORF.at: Findet am 1. Mai gegen Salzburg bereits das Spiel des Jahres für Rapid statt?

Kühbauer: Es ist ein sehr wichtiges Spiel. Du kannst einen langersehnten Titel holen sowie dich direkt für die Europa-League-Gruppenphase qualifizieren. Das muss alleine schon Ansporn genug sein. Aber dann fahren auch noch so viele Rapidler nach Klagenfurt, du hast also die Möglichkeit, mit den Fans einen Titel feiern zu können. So etwas kann dir als Spieler keiner mehr nehmen.

ORF.at: Rapid hat Salzburg heuer bereits geschlagen. Hilft das auch für das Cupfinale?

Kühbauer: Das war ein Topspiel von beiden Mannschaften. Sie haben national erst zwei Spiele verloren, umso schöner, dass wir sie auch schlagen konnten. Es zeigt aber auch, wie stark sie sind. Sie haben eine hohe individuelle Qualität, auch was die Spielanlage betrifft. Ich will sie aber auch nicht zu stark reden. Es ist eine gute Mannschaft, doch in einem Fußballspiel kann vieles passieren. Jeder muss davon überzeugt sein, dass es machbar ist, und dann kann man es auch schaffen. Wir wollen diesen Pokal, und es wäre echt schön, wenn dieser wieder zurück nach Hütteldorf kommt.

Rapid-Trainer Dietmar Kühbauer im Interview
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Kühbauer könnte am Mittwoch als Trainer den Cuptitel mit Rapid holen, 1995 gelang ihm das als Spieler

ORF.at: Wie haben Sie sich als Trainer gegenüber den Engagements vor Ihrer Pause verändert? Sie haben gesagt, die zweieinhalb Jahre vor dem Job in St. Pölten waren sehr wichtig für Sie.

Kühbauer: Ich bin noch immer derselbe authentische Mensch. Wenn ich etwas sage, dann ist es keine Show für die Medien oder Populismus. Ich habe auch immer mit wenig Geld gearbeitet, aber gute Arbeit abgeliefert. Ich habe in erster Linie auf den Club geschaut, das wird gerne vergessen, es wurden stets Spieler verkauft. Aber ich habe nur gehört: Ich bin ein Fahrstuhltrainer, der lustig war. Da wird man auch in eine Schublade hineingedrängt, als jemand, der hyperventiliert.

Aber das war sicher ein Thema, bei dem ich wusste, dass ich mich verbessern muss. Da hatte ich in der Zeit, in der ich nicht Trainer war, auch das Glück, für den ORF zu arbeiten, um die andere Seite zu sehen. Sportlich wusste ich, dass ich gut bin. Ich habe ein Auge für Spieler, weiß, was ich mit einem Team machen kann. Aber es gehört halt mehr dazu. Zum Beispiel der Umgang mit Medien, der enorm wichtig ist.

ORF.at: Vor allem bei Rapid.

Kühbauer: Bei Rapid musst du sehr vorsichtig sein mit deinen Worten. Du kannst es so auslegen (zeigt nach links) oder so (zeigt nach rechts) – hast es aber so gemeint (zeigt geradeaus). Da ist der riesige Unterschied. Ich wusste, ich muss mich in der Kommunikation mit Medien verbessern, ohne mich zu verstellen. Ich glaube, das ist mir ganz gut gelungen. Ich fühle mich jetzt auch viel wohler.

ORF.at: Defensivtrainer, Offensivtrainer, „Bauchtrainer“ – welcher Trainertyp sind Sie eigentlich?

Kühbauer: Einmal war ich ein Defensivtrainer, einmal ein Offensivtrainer. Ich habe immer das gemacht – und das ist mir enorm wichtig –, was die Mannschaft hergibt. Bei der Admira habe ich eine Topmannschaft gehabt, da habe ich offensiv gespielt. Da habe ich gewusst, da haben wir in der Offensive brutale Stärken. Beim WAC habe ich einen Mix gehabt. Als wir Michael Liendl verloren haben, wusste ich, wir können nicht mehr diese Rolle spielen.

Und trotzdem war mein Ziel immer, einen Fußball zu spielen, der nicht auf Zerstören aus ist. Ein langer Ball ist bei mir nur dann ein Thema, wenn ein Spieler direkten Druck hat. Meine oberste Devise war immer, den Ball flach zu halten. Man wird aber in eine Schublade gesteckt. Weil wir in St. Pölten mit einer Fünferkette gespielt haben, waren wir defensiv, seltsamerweise haben wir aber sehr viele Tore geschossen. Ich habe mich dann irgendwann nicht mehr darüber aufgeregt.

Rapid-Trainer Dietmar Kühbauer im Interview
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Kühbauer: „Ein langer Ball ist bei mir nur dann ein Thema, wenn ein Spieler direkten Druck hat“

ORF.at: Was gab Rapid zu Beginn Ihrer Amtszeit her, und welche Lehren haben Sie gezogen?

Kühbauer: Ich habe bei Rapid gewusst, dass die Probleme in der Arbeit nach hinten liegen. Sie haben nach vorne sehr gut gespielt, für mich war es aber zu viel Ballbesitz. Nämlich in Zonen, wo er wertlos ist. Speziell in der Umschaltphase in die eigene Defensive haben wir ein riesiges Problem gehabt – das hat jeder Gegner ausgenutzt. Da sind wir nun viel stabiler. Im Frühjahr haben wir zudem, glaube ich, die meisten Tore geschossen. Bevor wir auch in der Qualifikationsgruppe waren, haben wir viele Tore geschossen. Aber dann hinten die Positionen einnehmen, das gehört auch dazu. Es muss das getan werden, was notwendig ist. Wir haben einen Spielplan. Wenn der Spielplan nicht aufgeht, muss man die anderen Dinge machen, damit man wieder in diesen Plan zurückkommt.

ORF.at: Salzburg verfolgt erfolgreich einen Plan. Wie kann Rapid die große Lücke verkleinern?

Kühbauer: Man muss bei Salzburg auch ein bisschen abschauen. Es wäre schlimm, wenn ich sage, das ist mein Stil, der ist der beste. Ich bin ein Trainer, der auch auf andere Clubs schaut. Überall kann man etwas mitnehmen. Aber die Frage ist: Kann ich das dann auch spielen? Red Bull hat schon andere Möglichkeiten. Die Spieler, die sie alleine bei Liefering haben, die kommen nicht zum Nulltarif, das können wir nicht bezahlen. Wenn dann ein paar von denen einschlagen, wird das groß gemacht. Vielleicht wird durch unser neues Trainingszentrum (geplante Eröffnung 2021, Anm.) einmal die Möglichkeit bestehen, dass man Spieler holt und sagt: Ihr wohnt im Internat, dann ist es einfacher. Salzburg ist weit voraus, setzt die Philosophie beinhart um, hat aber auch das Geld dazu.

ORF.at: Inwieweit kann der LASK in puncto Kontinuität als Vorbild für Rapid dienen?

Kühbauer: Oliver Glasner ist damals beim LASK mit der klar besten Mannschaft in der zweiten Liga angetreten und nicht Meister geworden, St. Pölten ist aufgestiegen. Das hätte jeden Trainer den Job gekostet. Er ist geblieben, weil er einen Vierjahresvertrag hatte und weil Jürgen Werner sein Manager war, der an ihn geglaubt hat. Das finde ich gut, denn normal bist du weg. Im zweiten Jahr folgte der Aufstieg, im dritten Jahr, da war ich schon beim ORF, habe ich gesagt: Das ist keine typische Aufstiegsmannschaft, weil er schon sehr viel Qualität drinnen hat.

Jetzt ist es so, dass sie gewachsen sind. Er hat das weiterverfolgt. Sie sind eine absolute Systemmannschaft. Alle wissen, was sie tun müssen. Ich weiß nicht, ob das bei den unteren Mannschaften so geht. Aber man sieht: Wenn Mannschaften defensiv gut spielen, wird es auch schwierig für sie. Sie haben es aber sehr gut gemacht. Wir spielen fast immer gegen Mannschaften, die defensiv spielen. Auch Sturm hat im Herbst gegen uns defensiv gespielt. Wir versuchen immer, offensiv zu spielen.

ORF.at: Wie wollen Sie Rapid weiterentwickeln?

Kühbauer: Wir sind auf einem guten Level, haben gute Laufleistungen und punkto Aggressivität zugelegt, auch was die Pressing-Situationen betrifft. Wir arbeiten besser gegen den Ball als zuvor. Ich will aber auch nicht permanentes Dauerpressing machen, denn das kann eine Mannschaft kaputtmachen. Man muss schon wissen, in welchen Zonen man etwas tun muss. Man muss präsent sein, das haben die Jungs nun verstanden. Es folgen Adaptierungen, etwa auch durch neue Spieler.

Rapid-Trainer Dietmar Kühbauer im Interview
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Kühbauer überlegt, den einen oder anderen neuen Spieler nach Hütteldorf zu lotsen

ORF.at: Wird es womöglich einen Umbruch geben?

Kühbauer: Nein, weil viele Spieler auch einen langfristigen Vertrag haben. Wir werden Spieler holen, aber es ist auch nicht so, dass ich unzufrieden bin. Wir müssen besser werden, das ist klar. Neue Spieler sollen ein Upgrade bedeuten. Ich will Spieler, die wissen: Wenn sie zu Rapid kommen, ist das Ziel nicht erreicht. Früher war für viele, die von einem kleineren Club gekommen sind, bei Rapid der Horizont erreicht. Ich selbst wollte damals als Spieler mit Rapid Meister werden und der beste Spieler hier sein, aber dann ins Ausland wechseln. Diesen Geist will ich bei den Spielern haben, die kommen. Diese Mentalität ist mir enorm wichtig, allein vom Talent zu leben reicht nicht.

ORF.at: Reden Sie vor einer Verpflichtung lange mit einem Spieler?

Kühbauer: Ich versuche allgemein viel von einem Spieler zu erfahren, nicht nur was das Fußballerische betrifft. Mir ist der Spieler sehr wichtig, das bekommt er auch mit. Mir geht es auch um den Menschen, wie er tickt, was er in der Freizeit macht. Ohne dass ich mit ihm abhänge. Das ist für einen heutigen Trainer wichtig. Nähe zu haben, aber andererseits nicht zu nahe zu sein.

ORF.at: Das könnte ein Satz von Adi Hütter sein, bei dem Sie damals in Bern hospitiert haben.

Kühbauer: Das habe ich eigentlich schon immer so gemacht. Seit ich Trainer bin, habe ich auch noch jedem Spieler die Wahrheit gesagt. Adi ist ein sehr guter Freund von mir, und wir haben uns eigentlich immer gematcht, als er noch bei Altach war. Wir haben auch dieselbe Idee vom Fußball. Ich habe wie von überall auch aus Bern etwas mitgenommen. Er hat das super gemacht, auch nun in Frankfurt. Eine Mannschaft kann nur funktionieren, wenn alles eins ist. Das habe ich oftmals geschafft, aber bei kleineren Clubs ist es dann so: Wenn du unten dabei bist, dann wirst du irgendwann gehen müssen. Das ist mir einmal passiert, daraus habe ich gelernt.

ORF.at: Der Posten des Sportdirektors ist ab Sommer vakant. Würden Sie mit Zoran Barisic, der ein Kandidat sein soll, auf Funktionärsebene gerne zusammenarbeiten?

Kühbauer: Wir haben zusammen gespielt und sind gute Freunde, aber ich habe mit ihm nicht darüber gesprochen. Egal, wer kommt, er wird mit uns sehr gut zusammenarbeiten. Wir ziehen alle an einem Strang und werden versuchen, nächste Saison nicht diese Probleme zu haben. Rapid muss oben dabei sein, das wird auch passieren. Der neue Sportdirektor wird mit dem neuen Trainerteam eine Freude haben, aber es werden sicher auch Diskussionen entstehen. Doch nur aus solchen Situationen kann man auch schöpfen.