Dominic Zwerger
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Eishockey-WM

Die wahre Müdigkeit ist im Kopf

Sein Land bei einer Eishockey-WM zu vertreten, bedeutet für die Spieler nicht nur Ehre, sondern auch Stress. Österreichs Nationalmannschaft hat bei der WM in der Slowakei sieben Spiele in nur zehn Tagen zu bestreiten – die kommenden vier davon innerhalb von fünf. Vor allem die Müdigkeit im Kopf wird dabei schnell zum härtesten Gegner.

Das Duell gegen Titelverteidiger Schweden am Donnerstag (16.15 Uhr, live in ORF Sport +) in der Ondrej Nepela Arena von Bratislava ist der Auftakt zur entscheidenden Phase für die Österreicher. Mit Norwegen am Freitag und zum Abschluss Italien am Montag stehen jene Partien auf dem Programm, in denen sich die Frage nach dem Absteiger beantwortet. Dazwischen wartet mit Tschechien am Sonntag noch ein weiterer kräfteraubender Brocken auf die Mannschaft von Roger Bader.

„Wir haben einen eigenartigen Rhythmus dieses Jahr“, sagte Kapitän Thomas Raffl. Dem Doppel am ersten Wochenende mit Spielen gegen Lettland und Russland innerhalb von nur 18 Stunden folgte ein Tag Pause. Am Dienstag mussten die Österreicher schließlich gegen die Schweiz ans Werk, ehe man am Mittwoch wieder pausieren durfte. Nun folgt ausgerechnet in der für Österreich entscheidenden Phase ein „Stundenplan“, der die Spieler an ihre Grenzen bringt.

Raphael Wolf
GEPA/Andreas Pranter
Auf WM-Debütanten Raphael Wolf (M.) und seine Kollegen warten fünf Tage am Limit

„Das ist eine irrsinnige Belastung. Genügend Schlaf und gutes Essen sind die Grundvoraussetzungen für eine gute Erholung bei sieben Spielen in zehn Tagen“, so Teamchef Bader, der das Programm aber nicht als Ausrede gelten lässt. „Grundsätzlich muss man aber sagen, dass alle Mannschaften die gleichen Bedingungen vorfinden“, sagte der 54-Jährige. Daran nicht zu zerbrechen, würde ebenfalls zum A-Niveau gehören. Alle verspüren bei so einem WM-Turnier im Körper und im Kopf eine Müdigkeit. „Das sind Situationen, mit denen man lernen muss, umzugehen“, so Bader.

Regeneration rund um die Uhr

Um die Grenzen des Belastbaren nach einer langen Saison noch einmal auszudehnen, wird auch dem medizinischen Betreuerstab in Bratislava nicht fad. Ein Teamarzt und zwei Physiotherapeuten sorgen dafür, dass sich die Körper zwischen den Strapazen etwas erholen. Mittels Kältebädern, Kompressionen, therapeutischen Behandlungen und Massagen soll eine schnellere Regeneration ermöglicht werden, erklärt Physiotherapeut Stefan Podar die Prozeduren: „Auch aktive Erholungsmaßnahmen wie Radfahren, Spazierengehen und Dehnen verhelfen zu einer schnelleren Regeneration des Körpers.“

Eishockey: Österreich trotz Niederlage gegen die Schweiz zuversichtlich

Trotz eines 0:4 gegen die Schweiz und drei Niederlagen in drei Spielen bei der WM blickt Österreichs Eishockey-Team positiv nach vorn.

Dazu werden die Energiereserven so schnell wie möglich aufgeladen. „Nach jedem Spiel ist es besonders wichtig, die Kohlenhydrat- und Eiweißspeicher des Körpers schnell wieder aufzuladen. Da gehören spezielle Shakes, gutes Essen und viel trinken dazu“, sagte Podar auf Nachfrage von ORF.at. Um den Spielern genügend Zeit zum Schlafen und richtig essen zu geben, gibt es während der WM Training nur auf Sparflamme. Nach den ersten beiden Spielen gab es nur eine kurze optionale Übungseinheit. Der Tag nach dem Schweiz-Spiel war überhaupt als frei im Wochenplan vermerkt.

Klassenerhalt als Kopfsache

Am wichtigsten ist Erholung aber nicht für die Muskeln, sondern für einen anderen Körperteil, so Teamchef, Teamarzt und Physios unisono: „Die Spieler sollen, speziell an einem komplett freien Tag, Dinge tun, die für den Kopf gut sind“, sagte Bader. Auch aus medizinischer Sicht, so Teamarzt Gerhard Oberthaler: „Wenn man kurze Zeit einmal nicht an Eishockey denkt, setzt dies vor allem im Kopf neue Energien frei.“ Die mentale Entspannung ist auch das Einzige, was man von Trainerseite den Spielern selbst überlässt, so Bader: „Da hat jeder seine Vorlieben, das passiert rein individuell.“

David Kickert, Markus Schlacher und Alexander Pallestrang
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Nach 60 Minuten gemeinsam auf dem Eis haben die Spieler in Sachen Entspannung ihre eigenen Wege

Diese Vorlieben sind recht unterschiedlich. „Jeder taucht in eine andere Welt ab“, so Doktor Oberthaler. Während für den einen ein gemeinsames Essen und Gespräche, in denen das Wort Eishockey nicht vorkommt, für die ideale Entspannung sorgen, lassen andere bei Spaziergängen die Seele baumeln. Musikhören steht auf der Liste der beliebten Aktivitäten ebenfalls ganz oben. Manche Spieler musizieren selbst. Alexander Cijan etwa hat neben Eishockey-Equipment auch eine Gitarre im Gepäck. Auch Videospiele sind ein Erholungs-Evergreen.

Harter Lernprozess zur A-Reife

Das beste Mittel, um den Spielern die Müdigkeit aus Köpfen und Beinen zu treiben, sind bei einer WM aber Punkte und Siege. Beides war den Österreichern bisher noch nicht vergönnt. Das zehrt an den Kräften, auch wenn man gegen Gegner wie Russland und die Schweiz mit Abfuhren rechnen musste. „Eine Niederlage nagt immer, auch wenn es erwartet ist. Das Selbstvertrauen steigt sicher nicht“, sagte Bader, „bei einer A-WM, wo es mehr Niederlagen als Siege gibt, sind das Dinge, mit denen wir umgehen müssen.“

Laut Kapitän Thomas Raffl sind die bisherigen Spiele auch kein Thema mehr. „Wir müssen als Team realistisch bleiben. In Österreich tendiert man dazu, die Kirche nicht im Dorf zu lassen, wir als Team wollen das aber tun. Wenn man sich das Ranking anschaut, sind wir jetzt genau da, wo wir hingehören“, sagte der 32-Jährige, „mit Norwegen und Italien kommen die Gegner, die wir schlagen können. Wenn uns das gelingt, ist alles gut.“ Gut, weil dann die Köpfe frei für den Urlaub und nächstjährige A-WM in der Schweiz sind.