Rafael Nadal mit Pokal
Reuters/Susan Mullane
French Open

Nadals Sinnkrise endet mit Rekordsieg

Roland Garros bleibt weiter fest in der Hand von Rafael Nadal. Der 33-jährige Spanier schrieb am Sonntag mit seinem Finalsieg über Dominic Thiem und dem damit verbundenen zwölften Titel bei den French Open wieder ein Stück Tennisgeschichte. Dabei hatte Nadal in dieser Saison bereits an sich selbst gezweifelt – und schuld daran war ausgerechnet Thiem.

Österreichs Nummer eins besiegte den Sandplatzkönig heuer in Barcelona auf dem Weg zum Titel im Halbfinale und stürzte Nadal damit in eine Sinnkrise. „Ich hatte ihn noch nie so gesehen“, sagte sein Coach Carlos Moya über das Turnier Ende April. „Sein Kopf war unten, er war nicht motiviert. Er hatte die Leidenschaft und sein Verlangen verloren. Aber wir haben ihn ermutigt weiterzukämpfen.“

Die Niederlage gegen Thiem in Katalonien war für Nadal bitter, aber vielleicht auch der Wendepunkt. „Ich war da zu besorgt um meine Gesundheit, und um ehrlich zu sein, war ich zu negativ. Schon nach der ersten Runde in Barcelona war ich ein paar Stunden alleine und habe darüber nachgedacht, was los ist, was ich machen soll. Ich hätte für eine Weile pausieren, meinem Körper eine Erholung bieten können. Die Alternative war, meine Einstellung und Mentalität drastisch zu ändern“, sagte Nadal.

Dominic Thiem und Rafael Nadal
AP/Manu Fernandez
Anders als in Paris musste in Barcelona Nadal (r.) Thiem zum Sieg gratulieren

Dass der Spanier tatsächlich fast den Glauben an sich verloren zu haben schien, zeigt ein Statement nach dem 6:3 5:7 6:1 6:1-Sieg im Paris-Endspiel: „Es ist unglaublich. Es ist ein Traum. Ich hätte nie gedacht, dass ich hier 2019 noch so spielen könnte.“ Der Titel Mitte Mai in Rom, sein erster seit August, kam offenbar zur rechten Zeit. Spätestens nach der Ankunft in Paris dürfte sich der Schalter bei Nadal endgültig umgelegt haben. Wenn er fit bleibt, wird er wohl 2020 wieder in Paris Favorit sein und auf seinen 13. Titel losgehen.

Zwei Major-Siege hinter Rekord

Selbst seiner Bestmarke von zwölf Paris-Titeln kommt nur Nadal selbst am nächsten. In Monte Carlo wie in Barcelona hat er elfmal den Siegespokal geholt, kein anderer Spieler ist in dieser Statistik zweistellig. Roger Federer brachte es bisher sowohl in Halle als auch in Basel auf neun Finalsiege, die hat auch Nadal in Rom. Aber den Mythos des seit einer Woche 33-Jährigen macht Roland Garros aus. Zwei Drittel seiner 18 Major-Titel hat er in der französischen Hauptstadt geholt.

Und auf dieser Ebene macht Nadal weiter Jagd nach Rekordsieger Federer. Vor einem Jahr verkürzte der Spanier den Abstand auf den Schweizer auf drei Major-Triumphe, nun fehlen ihm nur noch zwei Titel auf die Allzeitbestmarke des 37-jährigen Federer. Dass der Zahn der Zeit über kurz oder lang auch an Nadal nagen wird, ist logisch. Aktuell ist das Alter aber noch kein Hindernis. Nadals Triumph war der bereits elfte Grand-Slam-Titel eines über 30-Jährigen en suite.

Rafael Nadal
APA/AFP/Philippe Lopez
Auf dem Weg zu seinem zwölften Titel zeigte Nadal wieder Sandplatztennis vom Feinsten

Während Federer Rekorde liebt, versicherte Nadal in den Pariser Siegesinterview, dass ihn das Erreichen dessen Bestmarke nicht antreibe. „Man kann nicht nur frustriert sein, weil der Nachbar ein größeres Haus, einen größeren Fernseher oder einen größeren Garten hat“, zog Nadal einen Vergleich. „Das ist nicht die Art, wie ich das Leben sehe.“ Wäre er nicht oft verletzt gewesen, hätte er Federer vielleicht schon geschnappt: „Ich habe durch Verletzungen vielleicht 15 Grand Slams verloren.“

Gratulationen aus allen Ecken

Die Tenniswelt verneigt sich aber auch so vor Nadal – nicht nur die Fans, sondern auch diverse andere Tennisgrößen. „Ich sehe es, aber ich kann es nicht glauben, dass jemand 12 Roland-Garros-Einzel-Titel gewinnen kann“, twitterte etwa der Australier Lleyton Hewitt, selbst einst Weltranglistenerster. Ähnlich sein Landsmann Rod Laver, der Nadal am Sonntag den Pokal überreichte: „Einfach großartig! Einen Grand Slam zu gewinnen ist nicht einfach. Zwölfmal die French Open zu gewinnen ist unglaublich. Gratulation, ‚Sandkönig‘.“

Nadal schlägt Thiem erneut im Finale

Dominic Thiem muss sich am Sonntag auch in seinem zweiten Finalauftritt bei den French Open in Paris Rafael Nadal geschlagen geben.

Auch die nationale und internationale Presse zog vor dem Spanier den Hut. „Nadal ist ein Außerirdischer“, titelte die spanische „As“. Für „Marca“ wird es „nie wieder jemanden wie Rafa geben“. Die „Neue Zürcher Zeitung“ sah ebenfalls keinen Grund, ein Ende der Paris-Dominanz des 33-Jährigen herbeizuschreiben: „Nadal bleibt Nadal – und ihn auf Sand über drei Gewinnsätze zu schlagen bleibt eine der größten Herausforderungen über alle Sportarten hinweg.“

Nadal selbst gönnt sich jedenfalls vorerst eine Pause. Bis zum Auftakt von Wimbledon am 1. Juli wird der Spanier keine Turniere bestreiten. „In den letzten Jahren habe ich mich auch wettbewerbsfähig gefühlt, warum sollte ich das ändern? Es ist wichtiger für mich, gesund und fit zu sein“, sagte Nadal, „jeder weiß, dass ich gerne auf Gras spiele. Und jeder weiß, dass ich nicht so viele Wochen am Stück spielen kann wie noch vor zehn Jahren, vor acht Jahren. Ich muss gut planen.“