Yeferson Soteldo (Venezuela) beim Training
APA/AFP/Carl de Souza
Copa America

Venezuela träumt vom großen Coup

Politisch steckt Venezuela tief in der Krise, sportlich träumt das gebeutelte Land allerdings vom großen Coup. Mit einem Sieg am Freitag (21.00 Uhr) im Viertelfinale der Copa America über den haushohen Favoriten Argentinien könnten die Einwohner ihre Sorgen zumindest vorübergehend vergessen. Lionel Messi und Co. sind vor dem Underdog jedenfalls gewarnt.

Mit einem Sieg und zwei Remis zog Venezuela als Gruppenzweiter hinter Gastgeber Brasilien (sieben Punkte) und vor Peru (vier Punkte) und Bolivien (null Punkte) ins Viertelfinale ein. Argentinien quälte sich unterdessen durch die Gruppenphase und schaffte nach einem 0:2 zum Auftakt gegen Kolumbien und einem 1:1 gegen Paraguay erst mit einem 2:0 über Katar zum Abschluss auf den letzten Drücker noch den Sprung in die K.-o.-Phase.

Messi will den unglücklichen Start jedoch hinter sich lassen und im Viertelfinale neu durchstarten. „Jetzt beginnt eine andere Copa“, sagte der Kapitän, der noch immer auf seinen ersten großen Titel mit der Nationalmannschaft wartet. Leicht wird es der zweifache Weltmeister (1978, 1986) allerdings nicht haben, steht ihnen mit Venezuela doch ein hochmotivierter Gegner gegenüber, der vor allem den Fans in der Heimat eine Freude bereiten will.

Erfolge bei Copa als Ablenkung

Die Lage in dem Land ist nämlich äußerst prekär. In den Supermärkten gibt es kaum etwas zu kaufen, den Krankenhäusern gehen die Medikamente aus, zahlreiche Oppositionelle sitzen in Haft. Einzig die „Vinotinto“ (Dt.: „die Weinrote“) ist bei der Copa America auf der Erfolgsspur. „Die Lage im Land ist für unsere Spieler ein Impuls, denn wir wollen den Fans eine Freude bereiten“, sagte der venezolanische Teamchef Rafael Dudamel. „Wir wollen, dass im Land Ruhe und Frieden herrscht. Wenn die Auswahl spielt, ist das ein schöner Moment, um die Venezolaner dazu einzuladen, sich zu einen.“

Tatsächlich verlaufen tiefe Gräben durch Venezuela. Seit Jänner liefern sich der linke Staatschef Nicolas Maduro und der selbst ernannte Interimspräsident Juan Guaido einen erbitterten Machtkampf. Radikale Regierungsanhänger und überzeugte Oppositionelle stehen einander unversöhnlich gegenüber. „Wir spielen eine wichtige Rolle für unser Land“, sagte zuletzt der Verteidiger Mikel Villanueva. „Unsere Leute haben ein bisschen Freude verdient.“

Schwerer Stand gegen Baseball und Basketball

In Venezuela hat Fußball neben Baseball und Basketball einen schweren Stand, die Nationalmannschaft ist das einzige Team aus dem südamerikanischen Fußballverband CONMEBOL, das sich noch nie für eine WM qualifiziert hat. Von den Spielern des aktuellen Copa-Kaders stehen nur zwei in der heimischen Liga unter Vertrag. Die meisten spielen bei mittelklassigen Clubs in Südamerika, Europa und den USA.

Lionel Messi während des Trainings der argentinischen Nationalteam
Reuters/Ricardo Moraes
Nach dem verpatzten Start in das Turnier müssen sich Messi und Co. gegen Venezuela deutlich steigern

Trainer Dudamel stützt sich neben wenigen erfahrenen Spielern wie Tomas Rincon und Salomon Rondon vor allen auf junge Talente aus den recht erfolgreichen Jugendteams, in denen er zuletzt viel Aufbauarbeit leistete. Die venezolanische U20-Auswahl wurde 2017 sogar Vizeweltmeister. Jetzt treffen die Underdogs von der Karibikküste auf die Fußballgroßmacht Argentinien.

„Werden uns erst am 7. Juli verabschieden“

Zwar liegt der letzte internationale Titel für die „Albiceleste“ auch schon einige Jahre zurück, mit zwei Weltmeistertiteln und 14 Siegen bei der Copa America ist die Mannschaft von Trainer Lionel Scaloni trotzdem noch immer eines der erfolgreichsten Teams der Welt. An Selbstbewusstsein mangelt es den Venezolanern dennoch nicht. „Wir sind gekommen, um Hauptdarsteller in der Copa zu werden und uns erst am 7. Juli zu verabschieden“, sagte Nationaltrainer Dudamel.

Der Blick auf das Finale dürfte zwar etwas vermessen sein, doch auch die Argentinier wollen den Außenseiter nicht auf die leichte Schulter nehmen. „Venezuela ist ein komplizierter Gegner, der sehr gut im Konter ist“, sagte Stürmer Sergio Agüero vom englischen Meister Manchester City. Tatsächlich konnte Argentinien in den vergangenen drei Begegnungen mit Venezuela nicht gewinnen. Zweimal gelang den Argentiniern nur ein Unentschieden, bei einem Freundschaftsspiel im März mussten sie sich den Venezolanern sogar geschlagen geben.