Radfahrer
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Tour de France

Die Schlupflöcher zu mehr Leistung

Bei der 106. Ausgabe der Tour de France stehen in den kommenden Tagen mit Pyrenäen und Alpen jene großen Herausforderungen auf dem Programm, die die Fahrer an ihre Belastungsgrenzen bringen. Der Aufwand der Teams, um sich im Kampf gegen Konkurrenz und Berg einen kleinen Vorteil zu verschaffen, ist enorm. Aktuell sind Ketonpräparate bei den Schlupflöchern zu mehr Leistung der letzte Schrei.

Ketone werden gewöhnlich im Körper selbst produziert, wenn die Glukosevorräte aufgebraucht sind. Sie dienen quasi als Reserveenergie. In einer Studie der Universität der belgischen Stadt Leuven sollen Wissenschaftler herausgefunden haben, dass Ketonpräparate den Ausdauersportlern bis zu 15 Prozent mehr Leistung bringen.

Das Team Jumbo-Visma, das heuer bereits vier von elf Etappen, darunter auch das Mannschaftszeitfahren, gewinnen konnte, ist einer der Rennställe, die offen mit dem Gebrauch von Ketonepräparaten umgehen. „Ketone sind Nahrungsergänzungsmittel. Die Substanz steht nicht auf der verbotenen Liste. Es ist bekannt, dass mehrere Teams sie verwenden“, sagte Teamchef Richard Plugge der niederländischen Zeitung „De Telegraaf“. Eine gewisse Wirkung der Ketone lässt sich nicht abstreiten. Jumbo-Visma konnte heuer bereits 39 Siege einfahren.

„Formel 1 des Radsports“

Bei anderen Teams, etwa beim Rennstall Bora-hansgrohe, wo mit Patrick Konrad, Gregor Mühlberger und Lukas Pöstlberger drei Österreicher im Tour-Kader stehen, hält man sich lieber bedeckt. Teamchef Ralph Denk spricht von einem „Betriebsgeheimnis“, wo es schließlich nicht um banale Dinge wie den Reifendruck ginge. „Wir wären aber fehl am Platz, wenn wir uns dazu noch keine Gedanken gemacht hätten“, sagte der Teamchef.

Dylan Groenewegen
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Dylan Groenewegen sorgte für einen der bisher vier Etappensiege des Jumbo-Teams

Aber auch Denk stellte klar, dass es sich bei Ketonpräparaten um legale Hilfsmittel handelt, um die enormen Belastungen der „Großen Schleife“ durch Frankreich zu meistern: „Das ist kein Doping. Es hat auch bei uns schon Tests gegeben.“ Ob Ketonpräparate bei Bora zum Einsatz kommen, ließ er aber offen. Andere Teams wie Sunweb geben an, aufgrund der nicht restlos geklärten (Neben-)Effekte auf den Einsatz von Ketonen zu verzichten.

Doch nicht nur bei Nahrungsergänzungsmitteln versuchen die Rennställe die Grenzen des Erlaubten bis zum Äußersten auszureizen. Im Kampf um die „Marginal Gains“, die minimalen Vorteile, wird auf allen Gebieten eifrig getüftelt. „Es schrauben fünf Mechaniker Tag und Nacht an den Rädern, wir haben zwei Köche, Ernährungsberater und Trainer vor Ort“, so Bora-Teamchef Denk, der die Tour de France daher als „Formel 1 des Radsports“ bezeichnete.

Umstrittener Vorreiter Ineos

Perfektioniert hat das Ringen um den noch so kleinsten Vorteil in den vergangenen Jahren unter großem finanziellem Aufwand das Ineos-Team von Dave Brailsford. Unter dem Namen Sky holte der britische Rennstall bei den vergangenen sieben Ausgaben der Tour mit Bradley Wiggins, Christopher Froome und im vergangenen Jahr Geraint Thomas den Gesamtsieg.

Geraint Thomas
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Thomas, hier vor dem aktuellen Spitzenreiter Julian Alaphilippe, hofft auf die erfolgreiche Titelverteidigung

Der Rennstall setzt seit Jahren in allen Bereichen Maßstäbe. Jedes noch so kleine Detail wurde unter Brailsford verwissenschaftlicht. Ob komfortablere Rennsättel, Massagegels zur besseren Regeneration, Luftpolster in Rennanzügen oder eigene Matratzen für die Fahrer und Spezialernährung. 2019 kommen spezielle Ketten mit einer besonderen Beschichtung, mit denen sich die Fahrer zehn Watt Leistung sparen, dazu. Die Kosten dafür belaufen sich auf 6.700 Euro. Ein Klacks bei einem Budget von mehr als 40 Mio. Euro.

Dass das Team in der Vergangenheit die Grenzen des Erlaubten wie etwa durch medizinische Ausnahmegenehmigungen bei Wiggins und einen mit großem juristischem Aufwand ausgeräumten erhöhten Asthmamittelbefund von Froome aus- und auch überreizt hat, steht auf einem anderen Blatt. Einzig mit eigenen Motorhomes als Schlafplätze für die Fahrer blitzte Teamchef Brailsford beim Weltverband UCI ab. Übrigens: Medizinische Ausnahmegenehmigungen kommen bei Ineos laut Brailsford bei der Tour 2019 übrigens nicht zum Einsatz.