Lotto-Teammitglieder fahren mit Trauerflor
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Radsport

„Verlorener Stern“: Trauer um Lambrecht

Der Unfalltod des erst 22-jährigen Bjorg Lambrecht am Montag hat das sportliche Geschehen bei der Polen-Rundfahrt in den Hintergrund gerückt. Beim Start der vierten Etappe der 76. Tour war an Normalität nicht zu denken.

Mit gesenkten Köpfen und Tränen in den Augen standen die sechs Teamkollegen des belgischen Talents an der Startlinie. Hinter der Lotto-Soudal-Mannschaft formierten sich die übrigen 143 Fahrer in Jaworzno. Tags zuvor war Lambrecht auf dem dritten Teilstück des World-Tour-Rennens bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen. Seine Teamkollegen mussten wieder ins Renngeschehen eingreifen.

Bei Rennkilometer 48 war Lambrecht am Montag auf regennassem Belag von der Straße abgekommen und gegen eine Betonkonstruktion geprallt. Er wurde zunächst auf der Straße liegend reanimiert und anschließend im Krankenhaus in Rybnik operiert – erlag dabei aber seinen Verletzungen.

Trauer bei der Polen-Rundfahrt

Nach dem Tod des belgischen Fahrers Bjorg Lambrecht wurde die vierte Etappe der Polen-Rundfahrt neutralisiert und gekürzt.

Teamkollege Wallays: „Wusste, dass es schlimm war“

„Bjorg hatte brutales Pech. Er fuhr einfach im Feld, berührte einen Pflasterstein oder einen Verkehrsreflektor oder irgendwie so etwas, verlor sein Gleichgewicht und fiel hart“, schilderte Lambrechts Landsmann und Teamkollege Jelle Wallays den tragischen Unfall gegenüber der belgischen Tageszeitung „Het Laatste Nieuws“. Nicht mehr als 35 km/h sollen die Radprofis laut Wallays dabei gefahren sein. Noch während der Etappe erfuhren Lambrechts Teamkollegen von der Tragödie. „Die Nachricht über den Unfall von Bjorg kam durch den Kopfhörer. Man hörte, dass Panik ausgebrochen war. Ich wusste sofort, dass es schlimm war“, sagte Wallays.

Auch bei den anderen Teams herrschte Entsetzen darüber, wie es zu dem Unfall kommen konnte. „Die Situation war in keiner Weise irgendwie kritisch, weder vom Wetter noch von der Streckenführung oder der Rennsituation“, sagte Christian Pömer, Sportlicher Leiter vom deutschen Bora-hansgrohe-Rennstall, vor dem Start der vierten Etappe. Der am Vortag nachträglich ausgesprochene Etappensieg des Bora-Fahrers und Gesamtleader Pascal Ackermann geriet zur Bedeutungslosigkeit.

Jelle Wallays trauert um seinen Lotto-Teamkollegen Bjorg Lambrecht
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Lambrechts Teamkollege Wallays über den Unfall: „Bjorg hatte brutales Pech.“

„Ergebnis spielt keine Rolle“

„Das Ergebnis spielt keine Rolle“, sagte der völlig schockierte Deutsche. „Ich kann nicht glauben, wie tragisch unser Sport sein kann. Meine Gedanken sind bei Bjorgs Familie“, twitterte der deutsche Topsprinter Andre Greipel, der 2018 mit Lambrecht zusammen für Lotto Soudal in einer Mannschaft fuhr. Rund 16 Monate nach dem tragischen Tod von Michael Goolaerts verfällt der belgische Radsport erneut in eine Schockstarre. Der 23-jährige Goolaerts war am 8. April 2018 verstorben, als er während des französischen Frühjahrsklassikers Paris-Roubaix einen Herzinfarkt erlitt.

Sechs Wörter genügten der belgischen Presse, um das erneute Unglück und die Fassungslosigkeit auszudrücken. „Der Radsport verliert einen neuen Stern“, schrieb etwa die belgische Tageszeitung „La Libre“. „Belgien verliert eine seiner größten Hoffnungen“, hieß es indes auf der Website der Tageszeitung „Le Soir“. Neben dem erst 19-Jährigen Remco Evenepoel galt Lambrecht als die große Radsporthoffnung der Belgier. „Ruhe in Frieden maatje! Bleib so strahlend, wie du es immer warst“, twitterte Evenepoel, der am Samstag das prestigeträchtige Eintagesrennen Clasica San Sebastian gewonnen hatte.

Um „Bjorg unseren Respekt zu zollen“, entschieden die Veranstalter, die Rennjury und die Radteams gemeinsam, die vierte Etappe zu neutralisieren und auf 133,7 Kilometer zu verkürzen. Lambrechts Kollegen von Lotto Soudal führten das geschlossen fahrende Feld an – alle Teams trugen Trauerflor. Beendet wurde das Teilstück mit einer Schweigeminute. Auf dem Zielbanner stand groß Lambrechts Name und seine Startnummer 143, getaucht in die Farben der belgischen Flagge.