Khalifa International Stadium in Doha
APA/AFP/Giuseppe Cacace
Leichtathletik-WM

Bilanz von Doha fällt zwiespältig aus

Mit den viel kritisierten Weltmeisterschaften in Doha hat der Leichtathletik-Weltverband neue Wege beschritten. Mit der ab sofort gültigen Namensänderung von IAAF zu World Athletics soll die Zukunft noch glanzvoller werden. Präsident Sebastian Coe verteidigte zum WM-Abschluss nochmals die Vergabe an Katar, die Bilanz ist aus internationaler Sicht dennoch zwiespältig. Österreich darf hingegen das historisch beste Abschneiden bejubeln.

Die Bedingungen im gekühlten Chalifa-Stadion waren gut und ließen Höchstleistungen zu, die Zuschauerzahlen blieben allerdings an den meisten der zehn WM-Tagen weit unter den Erwartungen. Ausverkauft war es mit offiziell 42.800 Besuchern nur beim Hochsprung-Triumph von Lokalmatador Mutaz Essa Barshim am vergangenen Freitag.

Die bei den Weltmeisterschaften sonst so begehrten Sprint-Finaltage lockten die Lokalbevölkerung nicht, 11.342 Fans kamen zum Endlauf über 100 m der Männer, nur 7.266 zu jenem der Frauen. Der WM-Veranstalter hatte nach dem zunächst geringen Zuspruch auch mit freiem Eintritt Besucher ins Stadion gelockt, das auch bei der Fußnall-WM im Spätherbst 2022 in Katar Spielstätte sein wird.

„Haben Herausforderungen gemeistert“

„Wir hatten Herausforderungen, haben sie aber gemeistert. Ich denke, wir haben sie ziemlich gut gemeistert“, sagte Coe. Der Brite hob das Leistungsniveau, das bei Weltmeisterschaften noch nie so hoch gewesen sei, und den starken Auftritt vieler junger Athleten hervor. „Wir leben in einer globalen Gesellschaft. Wir müssen den Sport mit mehr als neun oder zehn Plätzen teilen“, betonte der ehemalige Mittelstreckenläufer über die erste WM im Nahen Osten.

Emir of Qatar Scheich Tamim bin Hamad Al Thani und IAAF Präsident Sebastian Coe
AP/Hassan Ammar
Für Weltverbandspräsident Sebastian Coe war die WM-Vergabe an das Emirat Katar kein Fehler

„Wir sagen nicht, dass wir perfekt sind. Wir haben versucht, unsere Anstrengungen zu maximieren, um die Dinge gut zu machen“, so der Vizepräsident des Organisationskomitees, Dahlan al-Hamad. Katar habe versucht, ein guter Gastgeber zu sein.

Kritik an Hitze und halbleeren Rängen

Dass die perfekt organisierte und von tausenden Helfern umsichtig betreute WM auch Kritik provozierte, lag vor allem an den – allerdings vorher bekannten – klimatischen Bedingungen: Extreme Hitze um 40 Grad Celsius tagsüber, auch nachts noch über 30 Grad und hohe Luftfeuchtigkeit. Mit großem technischen Aufwand steuerten die Veranstalter dagegen. Das Stadion wurde per Klimaanlage auf 25 Grad heruntergekühlt, Marathonläufer und Geher hatten auf dem Rundkurs auf der Strandpromenade Corniche aber mit der Hitze zu kämpfen.

Außer auf diese zielte die Kritik zahlreicher Athleten auf die vor allem anfangs halbleeren Stadionränge. Coe verteidigte die Vergabe der WM an das Emirat und vermied jegliche Kritik. „Man war einhellig der Meinung, dass die Bedingungen hier beinahe perfekt sind“, erklärte der IAAF-Boss in einem ARD-Interview. Zehnkampf-Weltmeister Niklas Kaul sah das aber anders: „Es bleibt die Frage, ob man eine WM in ein Land geben soll, das nicht so sportbegeistert ist“, sagte der 21-jährige Deutsche am Samstag im ZDF-„Sportstudio“. Eine WM gehöre eher in Länder wie England, Frankreich und Deutschland, sagte Kaul.

Shelly-Ann Fraser-Pryce (JAM)
Reuters/Dylan Martinez
Shelly-Ann Fraser-Pryce feierte ihren 100-m-Sieg mit ihrem Sohn auf dem Arm, aber vor fast leeren Tribünen

Insgesamt war die WM aber wohl dennoch besser als ihr Ruf. Das Chalifa-Stadion bot eine gute Wettkampffläche. „Das Leistungsniveau war enorm hoch. Die Bedingungen im Stadion waren gut und haben diese Leistungen ermöglicht“, sagte Sonja Spendelhofer, Präsidentin des Österreichischen Leichtathletik-Verbandes (ÖLV). Ihr gefiel auch der Verzicht auf Vormittagssessions. „Allerdings waren im Zeitplan abends dann größere Lücken, in denen viele Zuschauer leider schon vor den letzten Bewerben das Stadion verließen.“

ÖLV-Erwartungen übertroffen

Für Österreich brachte die WM die erfreuliche Erkenntnis, dass die rot-weiß-rote Leichtathletik wieder auf Weltebene mitmischt. Erst zum dritten Mal in der Geschichte von nun 17 Weltmeisterschaften gelang der Eintrag in den Medaillenspiegel, zum ersten Mal wurde gleich zweimal Edelmetall erobert. „All unsere Erwartungen wurden übertroffen“, sagte dazu ÖLV-Chefin Spendelhofer.

Weißhaidinger und Preiner in „Sport am Sonntag“

Die österreichischen WM-Medaillengewinner Lukas Weißhaidinger und Verena Preiner waren in der ORF-Sendung „Sport am Sonntag“ zu Gast.

Diskuswerfer Lukas Weißhaidinger und Siebenkämpferin Verena Preiner sicherten sich jeweils Bronze. Auch Ivona Dadic zählte zu den Medaillenanwärterinnen, schied aber mit einer Oberschenkelzerrung bereits in der Siebenkampf-Auftaktdisziplin aus. Hürdensprinterin Beate Schott erreichte zum dritten Mal in ihrer Karriere ein WM-Halbfinale und belegte den 22. Gesamtrang. Marathonläufer Lemawork Ketema kämpfte sich mit vom Ischiasnerv verursachten Schmerzen als 41. ins Ziel und Speerwerferin Victoria Hudson ist um Erfahrung reicher, auch wenn es nur der 31. und letzte Platz in der Qualifikation wurde.

Lukas Weisshaidinger (AUT)
AP/David J. Phillip
Lukas Weißhaidinger musste auf seinen nicht zugelassenen Lieblingsdiskus verzichten und holte trotzdem Bronze

„Zwei Medaillen in einer Sommersportart, die weltweit von über 200 Nationen ernsthaft betreiben wird, ist wirklich großartig“, merkte Spendelhofer an, die im November 2016 an die Verbandsspitze gewählt worden war. „Einzig die Verletzung von Ivona ist sehr schmerzhaft. Aber sie ist eine Kämpferin und wird im nächsten Jahr bei den Olympischen Spielen umso stärker sein.“

Tokio 2020 als nächstes Ziel

Die Sommerspiele 2020 in Tokio werden die nächste große Aufgabe. Und auch für Japan hat der ÖLV wieder Erfolgsprämien ausgesetzt. Erhielten Weißhaidinger und Preiner in Doha jeweils 25.000 Euro für Bronze, so ist Gold in Tokio 205.000 Euro wert. Symbolisch ist das ein Tausender für jede geschlagene Nation.

Bei Weltmeisterschaften hält Österreich nun bei insgesamt vier Medaillen, zuvor hatte es 1993 in Stuttgart Hochsprung-Bronze durch Sigrid Kirchmann und 2001 in Edmonton 800-m-Silber durch Stephanie Graf gegeben. Die Kärntnerin war es auch, die 2000 in Sydney mit Silber die bisher letzte Olympiamedaille in der Leichtathletik für Österreich errang. Die Bilanz steht bei einmal Gold (Herma Bauma 1948 im Speerwurf), zweimal Silber und viermal Bronze.

Professionalisierung zahlt sich aus

ÖLV-Sportdirektor Gregor Högler sieht die stabilen Leistungen, die auf EM-Ebene bei den zwei jüngsten Titelkämpfen bereits zu Medaillen geführt haben – 2016 Bronze durch Dadic, 2018 Bronze durch Weißhaidinger und das Marathon-Team – als Ergebnis von gezielter Projektförderung (nach dem Ende des „Gießkannensystems“) und Ausschöpfung der Sportwissenschaft.

Die Professionalisierung im Verband miterlebt hat die 31-jährige Schrott, die seit 13 Jahren auf der internationalen Bühne läuft. „Da bist du richtig stolz, da hat sich massiv was geändert“, so die Niederösterreicherin, deren EM-Bronze 2012 über 100 m Hürden die erste Medaille nach 14 Jahren Flaute für Österreich war.

Weißhaidinger hat in der Südstadt sein High Performance Center und eine Trainingsbasis für die Zukunft. Preiner trainiert im Olympiazentrum Sportland OÖ/Linz und hofft, auch weiterhin eine gute Outdoor-Anlage zu haben. Denn Fußballvizemeister LASK zieht ins Stadion auf der Gugl ein, Laufbahn und wettkampftaugliche Freiluftanlage müssen weichen. „Die Medaille von Verena wird hoffentlich helfen, dass es eine bestmögliche Lösung für alle Beteiligten gibt. Es geht in Richtung eines Leichtathletikzentrums“, sieht Trainer Wolfgang Adler eine Lösung.