Eliud Kipchoge
Reuters/Andrew Boyers
Marathon

Wiener Rekordlauf rückt ins Blickfeld

Die Sportwelt blickt am Wochenende gespannt nach Wien. Weltrekordhalter Eliud Kipchoge will Samstagfrüh auf einem völlig flachen Pendelkurs im Prater Historisches schaffen und die „Schallmauer“ von zwei Stunden im Marathon knacken. Unterstützt von einer Armada an hochkarätigen Tempomachern will der 34-jährige Kenianer quasi unter Laborbedingungen den 2017 in Monza noch um 26 Sekunden verpassten Coup nachholen.

Dafür muss der Olympiasieger von 2016 die 42,195 km mit einem Tempo von 2:51 Minuten pro Kilometer bzw. über 21 km/h bewältigen. Dass er in ähnlichen Sphären laufen kann, hat Kipchoge zuletzt im April beim London-Marathon mit dem Streckenrekord von 2:02:37 Stunden bewiesen. Seinen Weltrekord von 2:01:39 stellte er im September 2018 in Berlin auf. Wie schon beim ersten Sub-2-Projekt vor zweieinhalb Jahren auf dem Formel-1-Kurs von Monza (2:00:25) würde eine neue Bestmarke aber nicht als offizieller Weltrekord gelten, weil sich Kipchoges rund 40 Pacemaker regelwidrig abwechseln werden.

Der Weltrekord war bei der „Ineos 1:59 Challenge“ aber ohnehin nie ein Thema, es geht Kipchoge gemäß dem Motto „No human is limited“ vielmehr um das Ausloten des Menschenmöglichen unter idealen Bedingungen. „Er wird es schaffen, davon bin ich überzeugt. Das wäre wirklich ein Meilenstein der Sportgeschichte“, meinte Peter Herzog, der unlängst in Berlin mit 2:10:57 nahe an den österreichischen Rekord von Lemawork Ketema (2:10:44) herangekommen war. Kipchoges Zeiten seien für ihn aber „ungreifbar, der Unterschied sind Welten.“

Umfangreiche Vorbereitungen

Auch die anderen Teilnehmer an einer Pressekonferenz am Montag im Wiener Rathaus sparten nicht mit Superlativen. „Sporthistorisch, Weltereignis und Schallmauer“, fielen Wolfgang Konrad, Veranstalter des Vienna City Marathons (VCM), und Sportstadtrat Peter Hacker ein. Das VCM-Team um Organisationschef Gerhard Wehr hat in dreieinhalbmonatiger Vorbereitung versucht, ideale Verhältnisse herzustellen. „Wir haben viele Dinge umgesetzt, die es normalerweise bei Marathons in dieser Dimension nicht gibt. Es ging um das Schaffen von Laborbedingungen, dass wir die Rahmenbedingungen so perfekt wie möglich gestalten“, erklärte Wehr.

Dafür wurde beispielsweise in Teilen der Prater Hauptallee bereits vor Wochen neuer Asphalt aufgelegt. Beim Wendepunkt der Strecke am Lusthaus wurde zudem eine Art Steilkurve aufgebaut, mit der man wertvolle Sekunden gewinnen will. Am anderen Ende des Pendelkurses am Verkehrsknotenpunkt Praterstern gibt es ohnehin eine weitläufige Wendemöglichkeit. Gestartet wird auf der Reichsbrücke, von dort aus geht es rund einen Kilometer bis zum Prater, wo die schnurgerade 9,6-km-Hauptstrecke wartet.

Grafik zeigt Laufstrecke
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Rekordversuch gleich am ersten möglichen Tag

Die Rahmenbedingungen stimmen also, jetzt muss nur noch das Wetter mitspielen und Kipchoge auch „liefern“. Sein Rekordversuch ist am Mittwoch aufgrund der Wetterprognosen für Samstagfrüh fixiert worden. Ausweichtermine bei ungünstiger Witterung wie zu viel Wind oder Regen wären Sonntag und Montag gewesen, nötigenfalls hätte man sogar bis 20. Oktober verschieben können.

Der Rekordversuch ist nicht nur wegen des flexiblen Zeitrahmens kein normaler Marathon. Das vom britischen Chemiekonzern Ineos unterstützte Projekt mit einer Vielzahl an Experten und Mitarbeitern hat in monatelanger Planung jedes noch so kleine Detail optimiert und nichts dem Zufall überlassen. So wurde viel Geld und Hirnschmalz in Streckenwahl- und Beschaffenheit, Wetterkunde mit fünf Messstationen an der Strecke, minutiöse Ablaufplanung und die Trainingsgestaltung investiert.

Auf Wien als Austragungsort fiel die Wahl nach der Absage von London wegen der idealen Strecke im Prater und der üblicherweise idealen Wetterbedingungen Mitte Oktober. Und schließlich fand man in den VCM-Veranstaltern einen kompetenten Partner.

Stadt Wien soll profitieren

Das weltweite Aufsehen um den Rekordversuch, 30 TV-Stationen – darunter der ORF – berichten live, soll auch der Stadt etwas bringen. „Unter zwei Stunden, das ist eine Schallmauer, die gebrochen wird. Das wird auch für Wien als Laufstadt ein riesiger Impuls sein“, betonte Konrad, der Vergleiche mit der Mount-Everest-Erstbesteigung und dem Wiener Neujahrskonzert zog. „Wenn das für Wien keinen Vorteil bringt, dann weiß ich nicht. Wir sind stolz, was uns da gelungen ist. Das ist ein Ritterschlag, eine tolle Geschichte.“ Stadtrat Hacker sprach von einem „Weltereignis“ und hofft auf positive Tourismuseffekte.

Autofahrer, die während des Laufes in der Nähe des Pratersterns unterwegs sind, müssen mit Behinderungen rechnen. Kurzfristig ist die Maßnahme nur im Startbereich. Dabei wird die Strecke von der Reichsbrücke stadteinwärts bis zum Prater nicht passierbar sein. Am Praterstern gibt es Einschränkungen während der gesamten Veranstaltung. Für die Autofahrer verringern sich dort die Fahrstreifen von drei auf einen. Es wird empfohlen, großräumig auszuweichen.