Zum Vergleich: Umgerechnet entspricht das etwas mehr als 21 km/h oder fast 422 Sprints über 100 Meter in jeweils etwa 17 Sekunden, für den Halbmarathon ist es eine Laufzeit unter einer Stunde. Nachdem Kipchoge auf der Formel-1-Strecke in Monza 2017 in einem ähnlichen Projekt die angepeilte Marke um 26 Sekunden verpasst hatte, lief bei idealen Bedingungen in Wien nun alles nach Plan.
„Ich fühle mich sehr gut. 65 Jahre nach Roger Bannister (erster Läufer, der die Meile unter vier Minuten gelaufen ist, Anm.) hat wieder ein Mensch Sportgeschichte geschrieben“, sagte Kipchoge nach seinem Lauf in eine neue Dimension im Ziel. „Ich wollte die Menschen inspirieren. Ich habe gezeigt, dass kein Mensch ein Limit hat.“
Eliud Kipchoge schreibt Geschichte
Der Kenianer Eliud Kipchoge hat sein Ziel erreicht: Er ist im Wiener Prater als erster Mensch einen Marathon unter zwei Stunden gelaufen.
Ein Rekordlauf wie aus dem Drehbuch
Der neue Rekordmann und seine jeweils sechs Pacemaker – insgesamt wurde er von 41 Tempomachern unterstützt – legten gleich nach dem Start auf der Reichsbrücke einige schnelle Kilometer hin, um sich auf die angestrebte Rekordmarke einen „Polster“ zu schaffen.
Auf der Prater Hauptallee klappte dann vor zahlreichen Zuschauern, die schon früh an die Strecke gekommen waren, alles exakt nach Drehbuch. Die angepeilten 2:50 Minuten pro Kilometer wurden fast durchgehend eingehalten. Bei der Hälfte der Strecke lag Kipchoge elf Sekunden unter der angestrebten 1:59:59-Stunden-Marke.
„Das Rennen brauchte Hingabe“
Kipchoge ist der Marathon-Olympiasieger von Rio 2016 und regierender Weltrekordler, seine offizielle Bestmarke steht seit dem Berlin-Marathon 2018 bei 2:01:39 Stunden. Das Rennen in Wien wird nicht als Weltrekord gewertet, der Eintrag in die Geschichtsbücher ist Kipchoge mit diesem Meilenstein der Leichtathletikgeschichte aber sicher. „Ich laufe, um Geschichte zu schreiben“, hatte Kipchoge vor dem Rekordversuch gesagt. Den Erfolg in Wien verglich er mit den ersten Schritten auf dem Mond.
„Die schlimmste Zeit war vor dem Rennen, als ich in der Früh aufgewacht bin, und vor dem Start. Das Rennen brauchte Hingabe. Ich bedanke mich bei meinen Tempomachern. Das sind die Besten der Welt und echte Champions. Ich begrüße es sehr, dass sie ihren Job akzeptiert haben. Wir haben das gemeinsam geschafft. Ich bedanke mich auch bei meiner Frau, dass sie gekommen ist. Das hat mir noch mehr Unterstützung gegeben“, sagte Kipchoge.
Ideale Bedingungen im Prater
Dass Wien als Austragungsort gewählt wurde, lag unter anderem an dem geringen Zeitunterschied von nur einer Stunde zu Kenia. So musste Kipchoge seine alltäglichen Gewohnheiten nicht groß umstellen. Zudem war die Wahrscheinlichkeit für niedrige Temperaturen und niedrige Luftfeuchtigkeit in der Früh groß. Kipchoge startete letztlich um 8.15 Uhr bei neun Grad Außentemperatur und leichtem Nebel.

Die Strecke im Prater war zudem dank Asphaltierungsarbeiten in bestem Zustand, die vielen Bäume auf der Hauptallee boten Kipchoge und seinen Tempomachern zudem Schutz. Blätter und andere „Hindernisse“ wurden während des ganzen Rennens aus der Strecke gekehrt. Beim Wendepunkt beim Lusthaus wurde sogar eine kleine Steilkurve angelegt. Dadurch seien etwa 13 Sekunden einzusparen, hieß es vor dem Lauf. Kipchoge und die Tempomacher wurden auf der gesamten Strecke zudem von einem Auto begleitet, von dem aus per Laser eine Orientierungshilfe für die nötige Geschwindigkeit auf die Straße projiziert wurde.
„Ritterschlag“ für Wiener Organisatoren
Wolfgang Konrad, Chef des Vienna City Marathon (VCM), war nach dem Rekord zu Tränen gerührt. „Die letzten Augenblicke waren sehr emotional. Wir sind organisatorisch in den letzten drei Monaten an die Grenzen gegangen. Wenn es dann so aufgeht, dann ist das schon ein Ritterschlag für den Laufsport und Wien als Laufstadt“, sagte Konrad.
Das sah auch Gerhard Wehr von der VCM-Organisationsleitung so: „Wer da heute dabei war, der war Zeitzeuge, wie Wien als Marathon-Stadt in den Olymp unseres Sports aufgestiegen ist. Ich habe schon vieles erlebt, aber das steht auf meiner Marathon-Liste ganz oben. Eliud war fokussiert wie nie zuvor. Die Bedingungen wurden optimal gestaltet. Es war ein Projekt von vielen Nationen. Das wird lange, lange nachwirken.“
Ausgelassene Feier im Ziel
Um 10.14 Uhr und ein paar Sekunden ist Kipchoge in die Geschichtsbücher des Marathons gelaufen. Entsprechend ausgelassen war die Feier im Ziel.
Geldgeber Ratcliffe von Zeit überwältigt
Ineos-Chef und Geldgeber Jim Ratcliffe war von Kipchoges Leistung ebenfalls überwältigt. „Eliud hat auf den letzten Kilometern sogar noch beschleunigt. Das war fast übermenschlich. Ich kann nicht fassen, dass er es geschafft hat“, jubelte der 66-Jährige. Kipchoges Langzeittrainer Patrick Sang war ebenfalls voll des Lobes für seinen Schützling. „Ich bin glücklich für ihn und mit dem, was er erreicht hat. Er hat uns allen gezeigt, dass wir mehr erreichen können, als wir denken“, sagte Sang.
Der private Ineos-Konzern macht mit Betrieben in 16 Ländern jährlich mehr als 40 Milliarden Euro Umsatz, sein Mehrheitseigentümer Ratcliffe verfügt über ein kolportiertes Vermögen von umgerechnet rund 23 Milliarden Euro. Im Sport engagiert sich Ineos seit Kurzem im Radsport (Team um Chris Froome/früher Sky) und im Fußball (OGC Nizza) sowie mit einem Segelteam (Britannia) im America’s Cup.