Das Erfolgsgeheimnis liege unter anderem in den Trainingseinheiten mit ihr. Als Jackson acht Jahre alt war, habe Felicia Jones mit ihrem Sohn im Garten Football gespielt und ihn immer wieder hart zu Boden gebracht. Er lernte, den Tackles der Ex-Basketballerin auszuweichen und davonzulaufen – speziell seit dieser Saison fasziniert er nun mit seiner Beweglichkeit die breiten Massen in der NFL.
Mit Baltimore als bestem Team der regulären Saison (14 Siege, zwei Niederlagen, Anm.) trifft Jackson in den Play-offs in der Nacht auf Sonntag (2.15 Uhr MEZ) auf die Tennessee Titans und peilt den bereits 13. Sieg in Folge an. „Ich denke nicht einmal darüber nach“, sagte Jackson auf die Frage, ob diese Saison ohne Finalteilnahme eine Enttäuschung sei. „Wir haben so ein großartiges Jahr. Wir wollen in die Super Bowl, deshalb habe ich gar nichts anderes im Kopf.“
Jacksons Geschichte hat etwas von einem typisch amerikanischen Sportmärchen. Er ist gerade acht Jahre alt, da sterben sein Vater bei einem Verkehrsunfall und seine Großmutter am selben Tag. Die Mutter zieht ihn groß, erkennt und fördert früh das sportliche Talent ihres Sohns. „Sie hatte eine Vision für meine Football-Karriere, bevor ich überhaupt dran gedacht habe“, schrieb er 2016 in einem offenen Brief.
Bestmarken mit Arm und Beinen
Inzwischen können selbst die besten Verteidiger Jackson nur mit großer Mühe bremsen. Vor seiner zweiten NFL-Saison arbeitete er an seinen Pässen – mit Erfolg: Jackson warf im Grunddurchgang 36 Touchdowns (Liga-Bestwert) und erlaubte sich dabei nur sechs Würfe, die die gegnerische Verteidigung abfing.
Sein besonderes Talent ist aber, dass er auch kaum zu stoppen ist, wenn er den Football selbst trägt. Mit 1.206 erlaufenen Yards erzielte Jackson in dieser Saison einen Quarterback-Rekord für die NFL-Geschichte. Zum Vergleich: Altmeister Tom Brady vom bereits entthronten Titelverteidiger New England Patriots lief – auch aufgrund eines gänzlich anderen Spielstils – in 20 Jahren lediglich 1.037 Yards.
„Nicht schlecht für einen Runningback“
Dieses besondere Talent sorgte aber früh für Zweifel an Jackson als Spielmacher. Er kam als College-Phänomen in die NFL, wurde jedoch von fragenden Stimmen begleitet, ob er aufgrund seiner Schnelligkeit nicht besser als Ballfänger oder Läufer geeignet wäre. Als er das erste Mal fünf Touchdowns geworfen hatte, kommentierte Jackson das deshalb sarkastisch: „Nicht schlecht für einen Runningback.“
Die Nachrichtenagentur AP sah durch die Kritiker ein altbekanntes rassistisches Narrativ im Football in den USA bestätigt: dass schwarze Quarterbacks ihr Erfolg wegen überlegener athletischer Fähigkeiten zugeschrieben werde, während weiße Spielmacher für ihre angebliche mentale Stärke und Arbeitsethik gelobt werden. „Er will unbedingt gewinnen“, charakterisiert Ravens-Quarterback-Coach James Urban seinen Topmann. „Wenn du eine großartige Einstellung hast, du talentiert bist und hart daran arbeitest, siehst du die Ergebnisse.“
„Rassistische Stereotype beenden“
Im NFL-Draft 2018 wurde Jackson hinter vier weißen Quarterbacks am Ende von Runde eins ausgewählt, zeigte es seinen Kritikern und steht auch für einen Trend: Der Spielmacher aus Pompano Beach (Florida) dürfte nach Cam Newton (2015) und Patrick Mahomes (2018) als dritter Quarterback mit afroamerikanischen Wurzeln in den vergangenen fünf Jahren zum wertvollsten Spieler (MVP) gewählt werden.
Neben Jackson sind auch Mahomes (Kansas City Chiefs), Russell Wilson (Seattle Seahawks) und Deshaun Watson (Houston Texans) mit ihren Teams noch im Play-off-Rennen. „Die rassistischen Stereotype hängen an lebenserhaltenden Maßnahmen“, kommentierte AP. „Es ist an der Zeit, sie endgültig zu beenden.“ Zumal mit Christian McCaffrey von den bereits ausgeschiedenen Carolina Panthers ein weißer Runningback die drittmeisten Yards in dieser Saison erlief.
Vor einem Jahr früh ausgeschieden
Neben den Fähigkeiten von Jackson vertrauen die Ravens auch im Team auf das beste Laufspiel der Geschichte, sie verbesserten mit 3.296 Yards eine 41 Jahre alte NFL-Bestmarke. Schon in seiner Rookie-Saison hatte Jackson die Ravens in die Play-offs geführt, war aber vor einem Jahr in der ersten Runde mit 17:23 an den Los Angeles Chargers gescheitert. „Ich habe es wirklich gehasst. Ich will darüber nicht mehr reden. Ich kann es nicht erwarten, diese Woche zu spielen“, sagte Jackson nun. Dann soll es für ihn wieder wie in den jüngsten zwölf NFL-Spielen laufen. Und am 2. Februar soll in Miami, also seinem Heimatbundesstaat, mit dem Super-Bowl-Triumph die Krönung folgen.