Matthias Mayer
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Ski alpin

In Wengen geht Mayer das Herz auf

Mit der Lauberhorn-Abfahrt am Samstag in Wengen (12.30 Uhr, live in ORF1) und dem Rennen auf der Kitzbüheler Streif in einer Woche stehen für die Speed-Spezialisten die Saisonhighlights auf dem Programm. Matthias Mayer war schon als Kind von den Abfahrtsklassikern fasziniert. Die Strecke in Wengen prägten vor allem zwei Stellen: „Der Hundschopf und das Kernen-S sind mir im Kopf geblieben.“

Nach dem ersten Training am Dienstag, wo Mayer als 13. abschwang, war am Mittwoch in Wengen trotz perfekter Bedingungen Pause, um die Piste zu schonen. Am Donnerstag steht der zweite Zeitlauf auf der längsten Abfahrt im Weltcup-Kalender auf dem Programm, ehe am Freitag mit der Kombination (10.30 Uhr bzw. 14.00 Uhr, live in ORF1) die 90. Lauberhorn-Rennen im Schatten der Bergriesen von Eiger, Mönch und Jungfrau eröffnet werden.

Den freien Tag nutzte Mayer, um in Kindheitserinnerungen zu schwelgen. „Die zwei Rennen in Wengen und Kitzbühel waren schon als Kind das Highlight für mich, darauf habe ich mich immer gefreut, das habe ich mir im Kalender eingetragen“, so der 29-Jährige. Wengen sei für ihn die schönste Abfahrt im Weltcup-Jahr, erklärte Mayer, Kitzbühel die forderndste und spektakulärste. „Sie haben einen völlig unterschiedlichen Charakter.“

Matthias Mayer
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Als Kind war Mayer bereits vom legendären Sprung über den Hundschopf fasziniert

Der Charakter der Strecke auf dem Lauberhorn seien laut Mayer vor allem die „langgezogenen, geschmeidigen“ Kurven. „Wo man mit geschmeidigem Fahren sehr viel Geschwindigkeit mitnehmen kann und das Ganze verwalten muss. In Wengen sind Passagen drinnen, wo du natürlich immer schauen musst, dass du schnell bist, aber trotzdem kannst du dich mal ein bisschen schlendern lassen. Du brauchst nicht so auf Anschlag sein wie in Kitzbühel“, so der zweifache Olmypiasieger. Den Hundschopf und das Kernen-S, das zu Mayers Kindheit noch als Brüggli-S berüchtigt war, sprang und fuhr der kleine Matthias damals schon im Geiste mit: „Da hat man immer spektakuläre Bilder gesehen.“

Eng und tückisch

Speziell im Kernen-S wurde in Wengen schon so manches Rennen gewonnen oder verloren. Auch Mayer machte mit der extrem schmalen Schlüsselstelle, ehe die Athleten unter der Wengener Alpbahn durchzischten, bereits genügend Erfahrungen. So etwa im vergangenen Jahr, als er es laut eigener Aussage mit zu viel Risiko versuchte und letztendlich ausfiel: „Ich bin leicht auf den Schuh gekommen und weggerutscht. Ich brauche nur eineinhalb Meter von meiner Linie verlieren, da geht es sich nicht mehr aus und das Rennen ist vorbei. Das ist sehr bitter.“

Des Kärntners Beschreibung der Schlüsselstelle spricht für sich. „Der Weg ist schmal, dreieinhalb Meter breit, voll vereist, das ganze S ist die eisigste Stelle auf der ganzen Strecke. Die Einfahrtsgeschwindigkeit war gestern 110 km/h. Man fährt gerade auf die Wand hin, man weiß, das ist eine Schikane, die man voll durchbrettern muss. Wenn man sie nicht Vollgas fährt, ist man bei der Ausfahrt nicht schnell und verliert danach sehr viel Zeit“, so der 29-Jährige.

Matthias Mayer
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Die Schlüsselstellen auf dem Lauberhorn müssen Jahr für Jahr genau beobachtet werden

Erfahrungswerte aus der Vergangenheit würden nicht viel helfen, so Mayer, denn das Kernen-S ist nicht jedes Jahr gleich zu fahren. „Letztes Jahr sind es viele ohne Rutscher voll auf Schnitt gefahren. Was nach den heutigen Analysen vom gestrigen Training heuer wahrscheinlich nicht möglich sein wird“, sagte Mayer. Das Kernen-S zu erwischen sei daher eine Kunst: „Man muss einfach abwägen zwischen Risiko und doch ein bisschen Vernunft.“

Mit voller Attacke zum Kindheitstraum

Die Piste präsentiert sich heuer jedenfalls perfekt präpariert. Die 4.270 Meter lange Abfahrt bringt die Athleten an ihre körperlichen Grenzen, nach dem Training am Dienstag waren die Läufer trotz der Länge aber nicht so müde wie beispielsweise in Bormio. „Umso unruhiger, umso anstrengender ist es, weil du mit den Füßen mehr arbeiten musst, weil es dich immer wieder aus der Position raushaut und du dich zurückkämpfen musst“, sagte Mayer. Aber: „Du musst sehr viel attackieren, zum Teil riskieren, damit du wirklich schnell bist.“

Dritter 2018 und Sechster 2014 waren die besten Ergebnisse von Mayer bisher in der Wengen-Abfahrt. Die besten Teilabschnitte zusammengesetzt hätte er sich der perfekten Fahrt schon stark genähert. „Ich habe sicherlich in jedem Abschnitt schon einmal die Bestzeit gehabt, ob das oben weg ist, im S, über die Minschkante oder Langentrejen. Ich weiß, dass ich überall sehr schnell fahren kann. Wenn ich alles zusammensetzen würde, wäre sich schon eine gute Fahrt ausgegangen.“ Am Sonntag hat der Kärntner die nächste Chance, sich den Kindheitstraum vom Wengen-Sieg zu erfüllen.