Szene aus dem Match Österreich gegen Kroatien
Reuters/Lisi Niesner
Handball-EM

Starke Kroaten stoppen Österreichs Höhenflug

Im vierten Spiel der Heim-EM 2020 haben Österreichs Handballer am Donnerstag die erste Niederlage hinnehmen müssen. Gegen den zweifachen Olympiasieger und EM-Titelkandidaten Kroatien musste sich die ÖHB-Auswahl in Wien mit 23:27 geschlagen geben. Vor 8.000 Fans in der Stadthalle, darunter viele Kroaten, setzte sich der Favorit verdient durch.

Vor allem die starke Abwehr der stargespickten Mannschaft von Trainerlegende Lino Cervar bereitete den Österreichern Probleme. Den vorentscheidenden Abstand erarbeiteten sich die auch in der Offensive souverän agierenden Kroaten bereits bis zur Pause (13:8). Danach gestaltete das von Headcoach Ales Pajovic erneut gut eingestellte ÖHB-Team das hochkarätige Duell ausgeglichen.

Am Ende fiel die Niederlage ehrenhaft aus. Beste Österreicher waren Torhüter Thomas Eichberger mit zehn Paraden und Flügel Robert Weber mit sechs Toren. „Die Niederlage mit minus vier geht in Ordnung. Kroatien war Favorit. Wir haben gesehen, wie gut die spielen“, sagte Pajovic im ORF-Interview. „Wir haben in der ersten Halbzeit zu viel Respekt gehabt. In der zweiten Hälfte hatten wir bei 20:24 zwei große Chancen, die wir nicht genutzt haben. Im nächsten Spiel ist aber wieder alles möglich.“

Erste EM-Niederlage für Österreich gegen Kroatien

Österreich musste sich bei der aktuell laufenden Handball-Europameisterschaft erstmals geschlagen geben. Das Team unterlag Kroatien mit 23:27.

Nächster Gegner ist Spanien

Für die Österreicher geht es am Samstag (18.15 Uhr) mit dem nicht minder schwierigen Match gegen Spanien weiter. Am Montagabend (20.30 Uhr) wartet dann der große Schlager gegen Deutschland, ehe man zum Abschluss am Mittwoch (18.15 Uhr) auf Weißrussland trifft. Alle Spiele des ÖHB-Teams werden live in ORF1 übertragen.

Goalie-Shootingstar Eichberger sofort hellwach

Zum Beginn der Hauptrunde hielt in der altehrwürdigen Halle am Wiener Vogelweidplatz der große Handballzirkus Einzug. Die Titelkandidaten Spanien, Kroatien und Deutschland kamen mit einer großen Schar Journalisten und Fans in die österreichische Hauptstadt. Im Laufe des ersten Spiels zwischen Spanien und Tschechien hatten sich die Ränge am Nachmittag langsam gefüllt.

Beim Anwurf der Österreich-Partie war die EM-Arena gut besetzt. Und es wurde schnell hitzig, zumal etwa die Hälfte des Publikums im Lager der Kroaten stand. Pajovic begann wieder mit Shootingstar Eichberger im Tor – keine schlechte Entscheidung. Denn der HSG-Graz-Goalie war sofort auf Betriebstemperatur. Vier spektakuläre Paraden von Eichberger in den ersten zehn Minuten und drei Treffer von Robert Weber – davon ein Siebenmeter – sorgten für einen guten Start.

Thomas Eichberger
GEPA/David Bitzan
Thomas Eichberger durfte sich für großartige Abwehraktionen feiern lassen

Obwohl sich die ÖHB-Männer im Positionsangriff gegen die mächtige 5-1-Abwehr der Kroaten sehr schwertaten, hielten sie dank schneller Gegenstöße und Kreiseinläufe bis zum 4:4 (12. Minute) mit. Dann setzte sich der Favorit auf 8:4 (18.) ab, weil auch der gegnerische Keeper Marin Sego stark hielt und den Österreichern einige Fehler unterliefen. Dazu kam eine gehörige Portion Pech: Sebastian Frimmel, Gerald Zeiner, Weber und Janko Bozovic trafen jeweils die Stange oder Latte.

Bilyk gegen Superdeckung abgemeldet

Eichberger war weiterhin der Fels in der Brandung, erlaubte bis zur 25. Minute nur zehn Gegentore. Das große Problem aber war, dass die ÖHB-Auswahl bis dahin nur fünf Tore erzielte – vier davon Weber. Aus dem Rückraum war von Nikola Bilyk und Bozovic noch nichts gekommen, was auch der konsequenten Deckung Kroatiens und Schlussmann Sego geschuldet war. Bilyk ließ es zum 6:10 (26.) erstmals im kroatischen Tor einschlagen. Der Kiel-Legionär machte auch das 7:11.

Die französischen Referees griffen den Kroaten zudem mit einigen fragwürdigen Zeitstrafen und Siebenmeterpfiffen gegen Österreich unter die Arme. Mit 8:13 ging die Pajovic-Truppe schließlich in die Halbzeit. An der aggressiven 6-0-Deckung der Österreicher lag das weniger, am erneut herausragenden Eichberger (sechs „Saves“ gegen freie Würfe) schon gar nicht. Vielmehr musste Bilyk und Co. nach der Pause offensiv mehr einfallen, um die sehr abgebrüht agierenden Kroaten noch zu gefährden. Diese demonstrierten in Wien ihre Weltklasse.

Trainer Ales Pajovic
Reuters/Lisi Niesner
Teamchef Ales Pajovic versuchte aus der Coachingzone alles, doch Kroatien war ein zu starker Gegner

Zweite Hälfte verläuft ausgeglichen

Topstar Domagoj Duvnjak war die Speerspitze in der kroatischen Abwehr, die Bilyk so gut wie aus dem Spiel nahm. Vorne erzielte Luka Cindric in der ersten Hälfte vier Tore. Nach dem Seitenwechsel hielten Bozovic von Halbrechts und Posch vom Kreis mit Treffern dagegen. Weber blieb vom rechten Flügel absolut treffsicher, spielte wie schon gegen Nordmazedonien eine grandiose Partie. Auch Zeiner nutzte seine Räume effektiv – das 12:16 war bereits sein drittes Tor in diesem Spiel.

Nach 40 Minuten stand es 15:19 aus der Sicht der aufopferungsvoll kämpfenden Österreicher. Man hielt den Viertorerückstand, weil Bilyk, Bozovic und erneut Zeiner aus dem Rückraum scorten. In der Abwehr wechselte Pajovic regelmäßig zwei bis drei Bankspieler ein, um den Aufbauleuten Pausen zu verschaffen. Auch im Angriff erhielten frische Kräfte wie Jakob Jochmann in der Mitte und Boris Zivkovic am rechten Rückraum Spielzeit. Webers sechstes Tor aus einem Siebener bedeutete das 17:22 (45.), doch immer wieder schlugen die Kroaten eiskalt zu.

Diesmal kein Happy End für EM-Gastgeber

Was den Einsatz betraf, konnte man der ÖHB-Auswahl beim besten Willen nichts vorwerfen. Sie lieferten den exzellenten Kroaten einen leidenschaftlichen Kampf. Zehn Minuten vor Schluss hatte das EM-Gastgeberteam bei 19:24 noch lange nicht aufgegeben – schon gar nicht Eichberger, der in dieser Phase auch einen Siebenmeter parierte. Der von der Bank statt Weber gekommene Richard Wöss traf vom rechten Flügel zum 20:24.

Bitter aus heimischer Perspektive, dass Kroatiens Keeper Sego bis zum Schluss in Hochform agierte. Als sich der Favorit noch einmal auf 26:20 absetzte, war die Entscheidung gefallen. Die Österreicher ließen sich nicht hängen, hielten bis zur Schlusssirene tapfer dagegen. Doch näher als 23:27 kam man dem Gegner nicht mehr. Kroatiens Spieler und ihre zahlreichen Fans bejubelten einen verdienten Erfolg.

Handball-EM 2020, Hauptgruppe I

Donnerstag:

Österreich – Kroatien 23:27 (8:13)

Wiener Stadthalle, 8.000 Zuschauer

Tore Österreich: Weber 6, Zeiner 4, Bilyk 3, Bozovic, Posch je 2, Wöss, Dicker, Zivkovic, Wagner, Jochmann, Santos.

Beste Werfer Kroatien: Horvat 6, Duvnjak, Cindric je 5

Gruppe I in Wien

Tabelle:
1. Spanien 5 4 1 0 153:127 9
2. Kroatien 5 4 1 0 127:113 9
3. Deutschland 5 3 0 2 141:125 6
4. Österreich 5 1 1 3 139:156 3
5. Weißrussland 5 1 1 3 138:160 3
6. Tschechien 5 0 0 5 122:139 0
Spielplan:
16.01. Spanien Tschechien 31:25
Kroatien Österreich 27:23
Deutschland Weißrussland 31:23
18.01. Weißrussland Tschechien 28:25
Spanien Österreich 30:26
Kroatien Deutschland 25:24
20.01. Kroatien Tschechien 22:21
Spanien Weißrussland 37:28
Deutschland Österreich 34:22
22.01. Kroatien Spanien 22:22
Österreich Weißrussland 36:36
Deutschland Tschechien 26:22