Green Bay Packers wide receiver Jake Kumerow gegen San Francisco 49ers defensive back Emmanuel Moseley
AP/Ben Margot
NFL

Neuer Arbeitsvertrag entzweit die Spieler

In Nordamerika liegen so wie in Europa die großen Sportveranstaltungen aufgrund des Coronavirus auf Eis. Die Saison der National Football League (NFL) beginnt erst im September, am vergangenen Wochenende wurden aber mit der Annahme des neuen Arbeitsvertrags entscheidende Weichen für die Zukunft gestellt. Die Vereinbarung bringt den Spielern mehr Geld und weniger Dopingtests, hat aber aus Sicht einiger Akteure einen bedeutenden Haken.

Am Sonntag präsentierte die Liga das Ergebnis der Abstimmung unter den Mitgliedern der NFLPA über das neue Collective Bargaining Agreement (CBA), das die Rahmenbedingungen zwischen Spielern und Teambesitzern für die nächsten zehn Jahre bis einschließlich der Spielzeit 2030/31 regelt. Mit der knappen Mehrheit von 1.019 zu 959 der abgegebenen Stimmen nahm die Gewerkschaft als Vertreter der Profis den 439 Seiten starken Vertragsentwurf an.

„Wir sind glücklich, dass die Spieler dem Vertrag zugestimmt haben und dass wir den Fans noch mehr und noch besseren Football bieten können“, meinte ein erleichterter NFL-Commissioner Roger Goodell. Die 32 Teambesitzer hatten den Vertrag bereits vor einem Monat ratifiziert. Ein Arbeitskampf, wie ihn die Liga bei den letzten CBA-Verhandlungen 2011 erlebte, bleibt der NFL somit für die nächsten zehn Jahre erspart. Damals wurde das ursprünglich noch die kommende Saison gültige Abkommen buchstäblich erst in letzter Sekunde angenommen.

NFL Commissioner Roger Goodell
AP/Gregory Payan
NFL-Boss Goodell darf nach der aus seiner Sicht erfolgreichen Abstimmung der Spieler für die Zukunft planen

Der wichtigste Punkt im neuen Vertrag: Die Teambesitzer erhalten die Option, den Grunddurchgang ab der Saison 2021 um ein Spiel von 16 auf 17 zu erweitern. Dafür soll die Preseason, die Vorbereitungsspiele im August, von vier auf drei Spiele verkürzt werden. Dazu wird die Kadergröße von derzeit 53 auf 55 Plätze erhöht – was bei 32 Teams 64 mehr Jobs auf dem begrenzten Markt NFL bedeutet. Unabhängig vom neuen CBA planen die Teambesitzer auch die Ausweitung des Play-off-Feldes von bisher zwölf auf insgesamt 14 Teams.

Besserer Verdienst, Nachsicht bei Doping

Auf den ersten Blick ist der neue Vertrag auch für die einzelnen Spieler ein Gewinn. Denn im neuen CBA wird das Mindestgehalt für die Profis erhöht. Dazu steigt die bisherige Gewinnbeteiligung der Spieler von 47 Prozent an den Ligaeinnahmen. Dazu wird die „Pension“ für zurückgetretene Spieler aufgebessert. In den Trainingscamps wird die Anzahl der Einheiten in voller Montur und im Vollkontakt deutlich reduziert. Statt wie bisher 28 wird es nur noch 16 „padded practices“ geben. Die Dauer einer Einheit wird von drei auf maximal 2,5 Stunden herabgesetzt.

Eine weitere Änderung zugunsten der Spieler sticht besonders ins Auge: Die Strafen für Drogenmissbrauch, speziell für den Gebrauch von Marihuana, werden dramatisch reduziert. So wird es künftig etwa keine Suspendierung mehr nur auf der Basis von positiven Tests geben. Auch das zeitliche Fenster, in dem die Dopingkontrolleure vor Beginn der Trainingscamps im Sommer anklopfen dürfen, wird deutlich von zwei Monaten auf zwei Wochen verkürzt. Die Höchstgrenze für verbotene Substanzen wird hingegen nach oben gesetzt.

Kritik am ausgeweiteten Spielplan

Trotz der vermeintlich günstigen Bestimmungen für die Spieler herrscht unter den Aktiven alles andere als Euphorie. Schon vor der Abstimmung hatten sich viele Routiniers und ehemalige Super-Bowl-Sieger wie Aaron Rodgers von den Green Bay Packes oder Russell Wilson von den Seattle Seahawks gegen die Annahme des Deals ausgesprochen. Die Mehrheit von nur 60 Stimmen zeigt ebenfalls, wie unterschiedlich die Meinungen zu dem Vertrag sind. Hauptargument für die meisten Spieler war die Aussicht auf mehr Gehalt. Unmittelbar nach der Bekanntgabe der Abstimmung machte die NFL die Anhebung der Gehaltsobergrenze pro Team auf fast 200 Mio. Dollar publik.

San Francisco 49ers cornerback Richard Sherman gegen Kansas City Chiefs wide receiver Tyreek Hill
AP/Steve Luciano
Spieler wie Starverteidiger Richard Sherman (r.) müssen sich künftig einmal mehr pro Saison voll ins Zeug legen

Hauptkritikpunkt der bereits mit hoch dotierten Verträgen ausgestatteten Stars der Liga ist das angedachte zusätzliche Saisonspiel ab der Saison 2021/22. Schon bei 16 Partien war es eine Kunst, den eigenen Körper halbwegs heil durch die Saison zu bringen. „Es scheint, als hätte Sicherheit für Spieler ein Preisschild“, spielte auch Richard Sherman, Verteidiger von Vizemeister San Francisco 49ers, auf die Aussicht auf mehr Geld auf Kosten eines zusätzlichen Spiels im Grunddurchgang an.

Dass dafür ein Vorbereitungsspiel gestrichen wird, macht aus Sicht der auch ohne Gehaltserhöhungen gut verdienenden Stars der Szene das Kraut nicht fett. Die Leistungsträger kommen in der Preseason aus Angst vor Verletzungen kaum zum Einsatz. „Ich kann es nicht glauben, dass wir da zugestimmt haben, lol“, twitterte Eric Ebron, Tightend der Indianapolis Colts. Ein Play-off-Teilnehmer mehr und damit die Aussicht auf ein lukratives Spiel in der Postseason erhöht aus Sicht der Spieler den Druck auf den eigenen Körper zusätzlich.

Uneinigkeit in Gewerkschaft

Vonseiten der Gewerkschaftsspitze respektierte man die Abstimmung, an der rund 500 wahlberechtigte Spieler gar nicht teilgenommen hatten. „Unsere Mitglieder haben gesprochen und der Vertrag wird ratifiziert“, sagte NFLPA-Präsident JC Tretter, im Hauptberuf Center der Cleveland Browns. Der 29-Jährige rief seine Kollegen aber zu Einheit auf: „Kein Deal ist perfekt und wir nehmen die Dinge, die wir wollten, aber nicht erreicht haben, nicht so leichtfertig hin. Aber unsere Arbeit hört nie auf.“

Wie uneins die Gewerkschaft bereits vor der endgültigen Abstimmung war, zeigen zwei weitere Ergebnisse. Das elfköpfige Exekutivkomitee der NFLPA lehnte den Entwurf mit 6:5 Stimmen ab. Das aus 32 Mitgliedern bestehende „Board of Representatives“ entschied mit 17:14 Stimmen bei einer Enthaltung jedoch dafür, den Vertrag ohne Änderungen zur allgemeinen Abstimmung zu bringen. Seit Sonntag ist der neue Deal nun rechtzeitig zu Beginn des neuen NFL-Jahres abgeschlossen. Das startet am Mittwoch mit der Free Agency. Der Saisonstart ist für 10. September angesetzt.