Grand Prix von Monte Carlo (Monaco)
Reuters/Benoit Tessier
Formel 1

Monaco als Hetzjagd in Häuserschluchten

Wie alle Sportarten wird auch die Formel 1 in diesem Jahr von der Coronavirus-Pandemie ausgebremst, der geplante Saisonauftakt laufend nach hinten verschoben. Acht WM-Läufe wurden bisher verschoben oder abgesagt. Betroffen ist auch der Klassiker in Monte Carlo, wo heuer erstmals seit 66 Jahren kein Grand Prix stattfinden wird.

Ursprünglich sollte der Grand Prix, der sich durch die engen Gassen Monte Carlos schlängelt und dessen Streckenprofil sich seit dem ersten Rennen 1929 kaum verändert hat, am 24. Mai gefahren werden. Dann sah sich der Internationale Automobilverband (FIA) nach der Absage des WM-Auftaktrennens in Australien und den Verschiebungen der im März und April geplanten Rennen in Bahrain, Vietnam und China dazu gezwungen, auch die Mai-Rennen zu verlegen. Neben Monte Carlo waren das auch die WM-Läufe in den Niederlanden und Spanien.

Während die Organisatoren in Zandvoort und Barcelona aber hoffen, dass die Rennen in der abgesagten Sommerpause nachgeholt werden können, zog der Automobilclub des Fürstentums, der das Rennen in Monte Carlo seit jeher veranstaltet hat, die Reißleine. Wegen des großen Aufwands sei eine Verschiebung auf einen späteren Zeitpunkt des Jahres „unter keinen Umständen möglich“. Erst im nächsten Jahr wird die Königsklasse damit wieder in Monaco gastieren.

Aufwand für Rennen enorm

Der Aufwand für das Rennen, das 1950 Teil der ersten Formel-1-Saison war und seit 1955 als eines der Überbleibsel aus den Anfängen der Königsklasse permanent im F1-Rennkalender aufscheint, ist enorm. Es gibt nur zwei Anlässe, bei denen die Straßen abgesperrt und von sämtlichen Verkehrsschildern sowie Bänken, Blumentrögen und Mistkübeln befreit werden: Das Formel-1-Wochenende und der „Grand Prix de Monaco Historique“, der alle zwei Jahre jeweils zwei Wochen vor dem GP stattfindet. Mit den Straßensperren und dem Säubern der 3,337 Kilometer langen Rennstrecke ist es aber bei Weitem nicht getan.

Die Veranstalter müssen außerdem eine temporäre Boxengasse aufbauen, insgesamt 33 Kilometer Leitplanken verlegen, 5.000 Reifen in Reifenstapeln verarbeiten, mobile Curbs sowie Absperrzäune mit einer Gesamtfläche von 20.000 Quadratmetern errichten. Eine Besonderheit an der 3,337 Kilometer langen Rennstrecke sind die mobilen Tribünen, die den Zuschauern einen ungewöhnlich nahen Blick auf die Boliden gewähren. Ein alter Spruch besagt, dass die Autos in Monaco zwar langsamer als sonst irgendwo fahren, diese dafür aber am schnellsten aussehen.

Keine Chance für Tempobolzer

Das Gaspedal wird auch nur selten durchgedrückt, nur 30 Sekunden fahren die Piloten Vollgas. Die Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt 160 km/h, an der schnellsten Stelle unmittelbar nach dem Tunnel sind die Piloten mit 290 km/h unterwegs. Von den 19 Kurven werden nur zwei (Beau Rivage und Tunnel) mit über 250 km/h genommen, vor gleich neun müssen sich die Fahrer auf unter 100 km/h einbremsen. Und obwohl in Monaco mit 78 die meisten Runden der Saison gedreht werden, liegt die Renndistanz mit 260 zurückgelegten Kilometern rund 50 km unter dem Durchschnittswert der anderen Rennen.

Formel-1-Strecke von Monaco
ORF.at

Gerade deshalb ist der GP von Monaco aber auch so faszinierend. Die Piloten lieben oder hassen ihn, nirgendwo sonst ist die Ausfallquote so hoch. Ein Fehler wird bei der Hetzjagd durch die Häuserschluchten sofort bestraft, ein Dreher in der Loews-Kurve bringt das Fahrerfeld immer wieder komplett zum Stillstand. Beim Chaosrennen 1996, das Olivier Panis in seinem Ligier von Startplatz 14 aus – und damit von so weit hinten wie kein anderer vor oder nach ihm – gewinnen konnte, kamen bei strömendem Regen nur drei Autos ins Ziel. Nelson Piquet, der Stadtkurse im Gegensatz zu seinem Landsmann Ayrton Senna verabscheute, sprach nicht umsonst vom „Hubschrauberfliegen im Wohnzimmer“.

Sennas Runde für die Ewigkeit

Während dem dreifachen Weltmeister Piquet ein Sieg in Monaco verwehrt blieb, setzte sich Senna in Monaco gleich sechsmal und damit so oft wie bisher kein anderer Fahrer in Monte Carlo die Krone auf. Ewig in Erinnerung bleiben wird seinen Fans neben seinen Siegen aber besonders seine Fabelrunde im Qualifying von 1988, die er später selbst als „meine intensivste Erfahrung in der Formel 1“ bezeichnete, „das Maximum“, das er aus einem Wagen herausholen könne und „ein Gefühl, wie ich es nie wieder erleben durfte“.

Der dreifache Weltmeister, der 1994 beim GP von San Marino in Imola tödlich verunglückte, fuhr wie in Trance. „Ich hatte bereits die Pole, um eine halbe Sekunde, aber ich fuhr immer schneller, eine Sekunde vor meinen Gegnern, dann fast eineinhalb Sekunden. Ich fuhr nur noch nach Instinkt, ich war in einer anderen Dimension, wie in einem Tunnel, jenseits von bewusstem Verständnis.“ Am Ende lag Senna unfassbare 1,427 Sekunden vor seinem Teamkollegen Alain Prost. Den Rennsieg kostete ihn dann ein Fahrfehler, worauf er nicht an die Box zurückging, sondern sich wütend in sein Apartment zurückzog.

Ascari landete im Hafenbecken

Nur eines von vielen Beispielen, wie nah Sieg und Niederlage, Triumph und Tragödie in Monaco zusammenliegen. Eine der spektakulärsten Geschichten schrieb das Rennen 1955: Der Italiener Alberto Ascari verlor in der Hafenpassage die Kontrolle über seinen Lancia und flog damit im hohen Bogen ins Hafenbecken, kam aber mit einem Bruch des Nasenbeins und ein paar Prellungen davon. Ein Matrose des Reeders Aristoteles Onassis konnte ihn aus dem Wasser bergen. Nur vier Tage später verunglückte Ascari bei Testfahrten in Monza.

Zum Drama kam es 1967, als Lorenzo Bandini wahrscheinlich aufgrund von Erschöpfung gegen einen von Strohballen gesicherten Sperrpfosten prallte, woraufhin sein Ferrari in Flammen aufging. Bandini erlitt schwerste Verbrennungen und verstarb drei Tage später in einem Krankenhaus. Nach diesem Unfall wurde die Renndistanz in Monaco von 100 auf 80 Runden verkürzt. Es sollte der bis dato einzige tödliche Unfall in Monte Carlo bleiben. Karl Wendlinger lag nach einem Crash 1994 19 Tage im Koma, kam aber ohne bleibende Schäden davon.

Schumachers Parkmanöver in der Rascasse

Kurios endete das Rennen 1970, als Jack Brabham als Führender in der letzten Kurve wegrutschte und den Sieg dem zweitplatzierten Jochen Rindt im Lotus auf dem Silbertablett servierte. Gleich mehrmals im Mittelpunkt stand auch der siebenfache Rekordweltmeister Michael Schumacher, der 2001 im Ferrari seinen fünften und letzten Sieg im Fürstentum geholt hatte. 2004 krachte dem Deutschen, der souverän in Führung lag, während einer Safety-Car-Phase Juan Pablo Montoya im Tunnel in das Heck. Schumacher schied aus, Jarno Trulli gewann das Rennen.

Michael Schumacher (Ferrari)
APA/AFP/Damien Meyer
Schumachers Parkmanöver in der Rascasse-Kurve sorgte 2006 im Qualifying für ziemlich viel Aufregung

Unvergessen auch die Geschehnisse im Jahr 2006: Schumacher hielt die Bestzeit im Qualifying und stellte seinen Ferrari kurz vor Schluss in der Rascasse-Kurve ab, wodurch der amtierende Weltmeister Fernando Alonso im Renault keinen Angriff mehr auf die Pole nehmen konnte. Der Deutsche sprach zwar von einem Fahrfehler, die Absicht hinter dem Manöver war aber offensichtlich. Schumacher wurde in der Startaufstellung ans Ende des Feldes versetzt, Alonso erbte Startplatz eins und holte schließlich auch den Sieg.