Fans im Michigan Stadion im September 2013 bei einem Spiel von Michigan und Notre Dame
AP/Tony Ding
US-Sport

Wie College-Football Massen begeistert

Wenn von 23. bis 25. April der Draft der National Football League (NFL) – erstmals virtuell – über die Bühne geht, stehen die Talente aus den Universitätsteams des Landes bei den 32 Profiteams traditionell hoch im Kurs. Die herausragenden Zöglinge haben schon zu diesem Zeitpunkt einen hohen Bekanntheitsgrad, denn College-Football genießt in den USA eine hohe Popularität. In der Southeastern Conference (SEC) ist gar von einer Religion die Rede.

Während die NFL erst ihre 100. Saison hinter sich gebracht hat, lieferten die Universitäten des Landes einander schon vor 150 Jahren mit dem „Eierlaberl“ ihre Duelle. Die Bedeutung ist nach wie vor enorm, die Arenen gehören zu den größten der Welt, mitunter sind sogar über 100.000 Zuschauer bei den Spielen live dabei. Darunter sind auch die bekannten Blaskappellen zu finden, die mit Einlagen immer wieder auch nicht sportaffine Menschen in ihren Bann ziehen.

Football gehört in den Herbstmonaten zum Wochenende: Am Freitag sind die Highschool-Spiele an der Reihe, der Sonntag ist für die NFL reserviert, und der Samstag ist den Universitätsteams vorbehalten. Das hat auch familiäre Gründe, denn Abgänger sind ihrer Fakultät ein Leben lang verbunden und frönen dem Treiben an einem „College Gameday“. Während NFL-Teams umziehen, bleibt eine Universität an ihrem Ort. Daraus hat sich auch ein Geschäftsmodell entwickelt, und Teams aus dem Süden scheinen davon speziell zu profitieren.

Nicht nur positive Entwicklung

Deutlich vor der Jahrhundertwende um 1900 entwickelte sich Football aus Fußball und Rugby. Als erstes College-Football-Spiel hielt das Duell zwischen Rutgers und Princeton aus dem Jahre 1869 her, wobei das mit dem heutigen Football nur wenig zu tun hatte. Eine diesbezüglich besondere Stellung nahm schließlich Walter Camp ein, galt er doch auch als Erfinder des American Football. An der Universität Yale führte er neue Regeln ein, auch weil ihm der Legende nach jene beim Rugby nicht gefielen. Camp sorgte nicht nur dafür, dass die Grundlage für das heute bekannte Spiel geschaffen worden war, sondern hob auch das All-American-Team aus der Taufe, das All-Star-Team im College-Football. Dieses ist nach wie vor jedes Jahr auch beim US-Präsidenten zu Gast.

Armeeangehörige geben Notre Dameim Jahre 1922
AP
Eine Spielszene aus den 1920er Jahren, zu diesem Zeitpunkt hatte sich College-Football schon längst etabliert

Yale zählt wiederum nach wie vor zur „Ivy League“, der die renommiertesten Universitäten an der Ostküste wie Harvard und Princeton angehören. Heute spielen sie, was die sportliche Bedeutung betrifft, keine Rolle, in den Anfangsjahren waren sie mit 30.000 Zuschauern beliebter Schauplatz. Die Entwicklung nahm aber nicht immer ihren positiven Lauf. So schaltete sich einst sogar US-Präsident Theodore Roosevelt ein, nachdem es schwere Verletzungen und auch Todesfälle gab. Regeländerungen sorgten für Besserung, doch bis heute ist nicht nur auf den Colleges die Gesundheit großes Thema.

Divisions, Conferences, Bowls, Championships

Während die NFL von ihrer Struktur her reativ einfach zu verstehen ist – 32 Teams spielen in zwei Conferences und acht Divisions um zukünftig 14 Play-off-Plätze –, ist jene im College-Football historisch komplex. Die Vielzahl an Universitäten in den USA sorgt dafür, dass es insgesamt vier Leistungsstufen gibt. In der Division I-A, dem Oberhaus, tummeln sich über 120 Teams, die sich in elf Conferences unterteilen. Zu Saisonende gibt es zahlreiche „Bowl-Games“, zu denen auch eingeladen wird.

Den per Play-offs ermittelten nationalen Meister gibt es im College-Football erst seit der Saison 2014/15, davor wurden per Umfragen die besten Teams ermittelt. Das rief freilich immer wieder Kritik hervor, zumal die Teams gegen unterschiedlich starke Mannschaften gespielt hatten und daraus ihre Bilanzen resultierten. In dieser Saison hätte es aber keinen klareren Sieger geben können, denn die LSU Tigers um Quarterback Joe Burrow, der im NFL-Draft als erster Pick gehandelt wird, triumphierten in all den 15 Partien, in denen sie gespielt hatten.

Joe Burrow (LSU Tigers)
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Quarterback Joe Burrow holte mit den LSU Tigers die nationale Meisterschaft im College-Football

Zwischen Phänomen und Religion

Die Tigers aus Louisiana haben eine der größten Arenen weltweit. Unter den zehn Stadien mit den größten Kapazitäten befinden sich nicht weniger als acht von US-College-Teams, allen voran das Michigan Stadium der Wolverines, wo 2013 auch der Zuschauerrekord im College-Football aufgestellt wurde. Dem 41:30-Heimsieg gegen Notre Dame wohnten nicht weniger als 115.109 Zuschauer bei. Aber nicht nur das trägt zum Phänomen College-Football bei, auch das gesamte Rundherum und natürlich Rivalitäten, die historisch gereift sind.

Vor allem im Süden gibt es genügend Duelle, die nicht nur von den Spielern hochemotional geführt werden. Alabama gegen Auburn, Mississippi gegen Ole Miss oder Texas gegen Oklahoma. Überhaupt genießt College-Football im Süden eine ganz besondere Bedeutung. „Im Süden ist Football eine Religion, und der Samstag der heilige Tag“, erklärte einst Trainerlegende Marino Casem. Im Süden sind auch viele der größten College-Programme beheimatet, unter anderen Alabama. Der langjährige und legendäre Head-Coach Paul „Bear“ Bryant war es, der in den 1970er Jahren als einer der ersten Trainer in den Südstaaten auf afroamerikanerische Spieler gesetzt hatte und damit Vorreiter war.

Millionen werden gescheffelt

Nicht zuletzt ist College-Football aber auch ein ganz großes Geschäft geworden. Die National Collegiate Athletic Association (NCAA), die als Organisator auftritt, ist selbst eine Non-Profit-Organisation, aber die Teams scheffeln im Jahr Millionen Dollar an Einnahmen. Während ihre Stars als Studenten bzw. Amateure keine Gehälter beziehen dürfen, kassieren ihre Universitäten vor allem dank wertvoller TV-Verträge sowie Ticketeinnahmen kräftig ab – oder weil finanzkräftige Abgänger ihrer Schule auch großzügige Spenden zukommen lassen.

Die 25 wertvollsten College-Programme haben 2019 zusammen laut „Forbes“ 2,7 Milliarden Dollar erwirtschaftet. Auch hier findet sich die SEC wieder ganz vorne: Texas A&M (1.), Alabama (4.), Georgia (7.), Florida (9.) und Auburn (10.) finden sich unter den Top Ten. Mit im Durchschnitt 94 Millionen Dollar Gewinn hat Texas A&M die Nase vorn. Was wiederum auch zeigt: Noch ist bis Saisonbeginn im August Zeit, doch was die Coronavirus-Pandemie betrifft, steht nicht nur für die NFL viel auf dem Spiel – auch im College-Football.