Liverpool-Fans
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Fußball

Fans zwingen Englands Topclubs zu Rückzieher

Wie groß die Macht der Fans im Fußball sein kann, haben in der aktuellen Coronavirus-Krise zwei englische Traditionsclubs am eigenen Leib verspüren müssen. Mit Tottenham Hotspur ruderte am Montag der nächste Verein der Premier League nach Protesten der Anhänger vor allem in Sozialen Netzwerken in Sachen Gehaltskürzungen für Mitarbeiter auf Steuerzahlerkosten zurück. Davor war schon der FC Liverpool am Widerstand der Fans gescheitert.

Tottenham, seines Zeichens Finalist der letztjährigen Königsklasse, hatte geplant, rund 550 Angestellte auf staatlich geförderte Kurzarbeit zu schicken. Die Gehälter der Profis im Kader sowie das Salär von Startrainer Jose Mourinho sollten hingegen weiter voll entlohnt werden. Vor allem gegen diese Diskrepanz richtete sich der vom Tottenham Hotspur Supporters’ Trust angeführte Protest der Fans, die dem Verein u. a. fehlende Klasse und den Spielern Gier vorwarfen.

Der „Shitstorm“ im Internet gegen den eigenen und andere Clubs und die damit verbundene negative Berichterstattung führten nun zu einer neuerlichen internen Beratung der Verantwortlichen rund um den ebenfalls hart kritisierten Vorsitzenden Daniel Levy. Am Ostermontag zu einem Umdenken. Man habe beschlossen, nur beim Vorstand Gehaltskürzungen vorzunehmen und allen nicht spielenden Mitarbeitern zu 100 Prozent ihr Gehalt für April und Mai zu zahlen, teilte der Club am Montag mit.

Staatliches System wird nicht genutzt

„In der Tat haben wir Widerstand von Fans gegen andere Premier-League-Clubs gesehen, die ebenfalls Zugang zum CJRS (Programm der Regierung zur Rettung von Arbeitsplätzen, Anm.) haben. Angesichts der Stimmung der Befürworter in Bezug auf das System ist es jetzt nicht unsere Absicht, das derzeitige CJRS zu nutzen, das bis Ende Mai läuft“, hieß es in der Mitteilung des Vereins.

Tottenham-Stadion
Reuters/Action Images/Paul Childs
Das Stadion der Spurs wird ab sofort als Testzentrum in den Dienst für den Kampf gegen das Coronavirus gestellt

Man bedauere „alle Bedenken, die in einer unruhigen Zeit entstanden sind, und hoffe, dass die Arbeit, die unsere Fans in den kommenden Wochen leisten werden, da unser Stadion einen ganz neuen Zweck erfüllt, sie stolz auf ihren Verein machen wird“. Im Stadion von Hotspur sollen jetzt Covid-19-Tests durchgeführt werden. „Unser Tottenham Hotspur Stadium ist das erste der Premier League, das nach anderen Sportstätten auf der ganzen Welt zum Testen genutzt wird“, teilten die Londoner mit.

Liverpool beißt auf Granit

Rund eine Woche davor hatte auch Champions-League-Sieger Liverpool den Zorn der Fans zu spüren bekommen, als man zahlreiche Mitarbeiter in Zwangsurlaub schicken wollte. Die in der Tabelle zum Zeitpunkt des Ausbruchs der Krise überlegen führenden „Reds“ wollten so wie Tottenham und andere Clubs das Programm der Regierung nutzen, bei dem 80 Prozent der Löhne vom Staat übernommen werden. Und das, obwohl Liverpool, ein Teil der Fenway Sports Group, der u. a. auch das US-Baseballteam der Boston Red Sox gehört, zu den finanzkräftigsten Clubs der Liga zählt.

Das sorgte für heftige Kritik, unter anderem vom ehemaligen Liverpool-Spieler Jamie Carragher. Ein anonym bleibender Mitarbeiter des Clubs sagte dem Sender BBC: „Der Club bezeichnet die Mitarbeiter als Familie. Ich fühle mich nicht wie ein Familienmitglied. Warum nutzt ein Club, der mehr als 100 Millionen Pfund umsetzt, ein Regierungsprogramm für seine Mitarbeiter, wenn andere Unternehmen es mehr brauchen?“

Liverpool-Chef Peter Moore
Reuters/Satish Kumar
Moore musste den Protesten der Fans bereits vor einer Woche nachgeben

Am Montag vor einer Woche machte der Clubvorsitzende Peter Moore einen Rückzieher. „Wir glauben, dass wir letzte Woche zum falschen Schluss gekommen sind“, schrieb Moore, „das tut uns wirklich leid.“ Liverpool werde nun nach Alternativen suchen, um die Coronavirus-Krise zu überstehen. Allerdings warnte er auch vor „nie da gewesenen“ Verlusten für den Verein. „Auch wenn wir vor dieser Krise in einer gesunden Position waren – unsere Einnahmen sind weggefallen, während unsere Ausgaben bleiben“, betonte der Vorsitzende.

Gehälter zumindest im April gesichert

Andere Clubs nahmen hingegen die staatliche Hilfe trotz Protesten der Fans teilweise an. Die nicht spielenden Mitarbeiter haben in den meisten Fällen zumindest bis Ende April ihr volles Gehalt garantiert, so etwa bei Newcastle United. Bei Bournemouth wurden die Mitarbeiter für vorerst drei Wochen zur Kurzarbeit angemeldet. Norwich City und Sheffield United schickten mehrere Mitarbeiter in Zwangsurlaub.

Bei Letztgenannten erhalten die Betroffenen aber vorerst weiter ihre vollen Bezüge. In Sheffield will man allerdings die weitere Entwicklung abwarten und dann entscheiden, ob man vom staatlichen Programm Gebrauch macht. Bei Bournemouth entschied sich zumindest die Führungsriege rund um Vorstandsvorsitzenden Neill Blake freiwillig dazu, ihr Gehalt zu kürzen. Ähnlich agierte übrigens der FC Southampton. Dort stimmten auch Trainer Ralph Hasenhüttl und die Spieler einer Gehaltskürzung zu – und waren damit Vorreiter.